Dieser Artikel beschreibt die Gesetzeslage sowie die gelebte Praxis in Unternehmen und bei Gericht für freie Dienstnehmer.
Der Gesetzgeber hat im Sozialversicherungsrecht die Existenz von echten und freien Dienstnehmern klar geregelt. Mit den arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmern hat er sogar eine Zwischenkategorie eingeführt. GPLA-Prüfer und Gerichte haben aber in den letzten Jahren eine von diesem gesetzlichen Status quo etwas abgekoppelte Linie entwickelt und den freien Dienstnehmer dabei faktisch fast abgeschafft. Die Rechtslage ist intransparent und schafft Unsicherheiten und Belastungen für Unternehmen und (freie) Dienstnehmer.
Gesetzeslage
Wer Arbeitnehmer ist, ergibt sich nach jahrzehntelanger Rechtsprechung daraus, wer in »persönlicher Abhängigkeit« zur Arbeitsleistung für einen anderen verpflichtet ist. Etwa seit Beginn der 80er-Jahre anerkennt der Oberste Gerichtshof auch die Existenz eines sogenannten »freien Dienstvertrags«, bei dem sich jemand zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet, dies aber weitgehend selbstständig und frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens. Für den Begriff der persönlichen Abhängigkeit haben Rechtssprechung und Lehre mangels gesetzlicher Definition über die Jahrzehnte einen Kriterienkatalog entwickelt, der die Indizien für »persönliche Abhängigkeit« bilden soll. Dabei wird quasi stehsatzartig auf die Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und der Kontrolle von arbeitsbezogenem Verhalten, hingewiesen. Arbeitsrechtlich nicht entscheidend ist hingegen die sogenannte wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, der – anders als der Arbeitgeber – eben kein Unternehmerrisiko trägt, und auch daher auf das stetige Lohneinkommen angewiesen ist. Nachdem eine solche wirtschaftliche Abhängigkeit auch bei sonst persönlich unabhängiger Tätigkeitserbringung vorliegen kann, hat sich der arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmer als Zwischenform herausgebildet. Dieser unterliegt so wie freie Dienstnehmer nicht den meisten arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen, ist aber mit § 4 Abs 3 ASVG sogar als eigene Rechtsfigur im Sozialversicherungsrecht anerkannt und den »echten Dienstnehmern« zumindest sozialversicherungsrechtlich weitgehend gleichgestellt.
Praxis
Einsatzbereich und Beweggründe für den Abschluss freier Dienstverträge sind vielfältig. In der Regel geht es um Tätigkeiten, die einerseits keine starre Bindung an fixe Arbeitszeiten und einen fixen Arbeitsort erfordern. Zum anderen kann es sich um Nebentätigkeiten handeln, die nur sporadisch bzw. unregelmäßig ausgeübt werden. Dies betrifft die Tätigkeit von Studierenden, Menschen in Karenz, in Pension oder auch Nebentätigkeiten von hauptberuflich Angestellten oder Selbstständigen.
Anders als von Gewerkschaften und Arbeitnehmer-Lobbyisten oftmals ins Treffen geführt, handelt sich dabei nicht um durchwegs »prekär« empfundene Beschäftigungsverhältnisse. Vielmehr sind freie Dienstverhältnisse oftmals auch von Arbeitnehmerseite gewünscht, weil sie ein erhöhtes Ausmaß an Flexibilität (z. B. kein fixes Arbeitsausmaß, freie Zeiteinteilung) gewährleisten und auch eine größere Freiheit bei der Annahme anderer Beschäftigungen bzw. Auftragsverhältnisse bieten. Ein »Schutzdefizit« kann zumindest insoweit nicht bestehen, als der Gesetzgeber alle Formen der (un-)selbstständigen Erwerbstätigkeit der Sozialversicherung (im ASVG oder GSVG) unterstellt.
Praxis der Behörden und Gerichte
Dennoch neigen sowohl Zivil- als auch Verwaltungsgerichte in der Rechtsprechungspraxis stark dazu, den echten Dienstvertrag zu bejahen. Während im Zivilrecht nur dann Entscheidungen dazu ergehen, wenn die Betroffenen selbst Klage einbringen (meist, um Urlaubs- und Feiertagsentgelt sowie Sonderzahlungen aus dem Kollektivvertrag zu erklagen), werden die sozialversicherungsrechtlichen Verfahren in der Regel durch Bescheide im Rahmen von GPLA-Prüfungen angestoßen. Selbst wenn Auftraggeber und Auftragnehmer sich über das Vorliegen eines selbstständigen Auftragsverhältnisses einig sind, fordert die Gebietskrankenkasse Beiträge von – niemals gezahlten – Sonderzahlungen, Feiertagsentgelten etc. ein. Dies kann dann bei den Verwaltungsgerichten bekämpft werden, wenngleich viele Unternehmen sich zu »Deals« hinreißen lassen, um lange Verfahren zu vermeiden. Der Trend geht aber eindeutig dahin, sich gegen – oftmals völlig unbegründete und im Ergebnis auch unhaltbare – Entscheidungen der Behörden zu wehren, zumal die Praxis der Behörde keinerlei Rechtssicherheit verschafft. Wie kommen die Gerichte nun zu ihren Entscheidungen? Wie schon eingangs erwähnt, wird die im Mittelpunkt der Beurteilung stehende »persönliche Abhängigkeit« in Form des Abprüfens bestimmter Kriterien geprüft: Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer den Ablauf der Arbeit in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten selbst regeln und jederzeit ändern kann. Ein Recht, sich vertreten zu lassen wird ebenso gewertet wie der Umstand, wessen Betriebsmittel überwiegend verwendet werden und in welcher Intensität der Betroffene in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert ist. Weil so gut wie nie alle Kriterien gleichzeitig für bzw. gegen persönliche Abhängigkeit sprechen, wird der Kriterienkatalog als »bewegliches System« gesehen. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit überwiegen. Wie der Vertrag genannt und von den Parteien abgabentechnisch administriert wird, ist nicht entscheidend. Es geht ausschließlich darum, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich gelebt wird.
Dieser Kriterienkatalog bietet sehr viel Auslegungsspielraum für Gerichte und Behörden und führt zu einer fast unübersehbaren Flut von Einzelentscheidungen. Es zeigt sich aber bei echten Zweifelsfragen eine ganz klare Tendenz der Gerichte »pro Dienstnehmer«. Dabei fällt einmal ein Kriterium ganz weg und wird vom Gericht einfach nicht erwogen, ein anderes erhält eine ganz spezielle Bedeutung. Grundsätzlich tendiert die Rechtsprechung dazu, freie Dienstverträge eher bei höher qualifizierten Tätigkeiten (z.B. Vorstandsmitglieder einer AG, die aber schon aufgrund des AktG weisungsfrei sind) und spezialisierten Dienstleistungen (wissenschaftliche Projektbetreuung) zu akzeptieren.
In einem jüngsten Erkenntnis sah der VwGH z. B. sog. »Taxitänzer«, also Tänzer, die von Agenturen an Tanzlokale vermittelt werden, um dort Gäste zum Tanzen zu animieren, als freie Dienstnehmer, weil sie keinen persönlichen Weisungen unterliegen. Auch eine Tanzlehrerin, die Tanzkurse in Kindergärten abhielt, wurde in jüngerer Zeit als freie Dienstnehmerin qualifiziert. Umgekehrt werden im Gesundheitsbereich gerade im Zuge von GPLA-Prüfungen bzw. Verwaltungsverfahren etwa Konsiliarärzte, Arbeitsmediziner etc. reihenweise in echte Dienstverhältnisse umqualifiziert, was unter anderem dazu führt, dass Krankenanstalten Gefahr laufen, keine Konsiliarärzte mehr zu finden, weil diese als »echte Dienstnehmer« solche Nebentätigkeiten nicht annehmen möchten.
Fazit
Die Umqualifizierung eines freien Dienstnehmers in einen echten kann für den Arbeitgeber teuer werden. Um dies weitgehend zu vermeiden, sind sowohl Arbeitgeber als auch freier Dienstnehmer dazu angehalten, darauf zu achten, dass in der Praxis wirklich ein freies Dienstverhältnis ausgeübt wird. Auch bei der Vertragsgestaltung ist anwaltliche Beratung dringend geboten. Denn obwohl es auf die faktische Ausgestaltung des Dienstverhältnisses ankommt, wenn einmal die Gerichte prüfen, sehen sich die Prüfer zunächst einmal die schriftlich vorliegenden Verträge und Honorarabrechnungen an. Der Trend der Rechtsprechung zur Annahme echter Dienstverhältnisse ist derzeit ungebrochen. Es stellt sich die Frage, ob angesichts der enormen Rechtsunsicherheit und hohen Belastung der Unternehmen und (freien) Dienstnehmer mit Abgaben und Administration nicht der Gesetzgeber für etwas mehr Klarstellung sorgen sollte.