Warum die NEOS viel Zeit in interne Weiterbildung stecken, wie Trainer ausgesucht werden und wie die interne Trainerausbildung abläuft, lesen Sie in diesem Interview.
Wie gestaltet sich die Gründungsgeschichte der NEOS?
NEOS wurde im Oktober 2012 als Partei gegründet. Das Erarbeiten von politischen Positionen hat allerdings schon wesentlich früher begonnen – und von Anfang an wurde auf Methoden der systemischen Organisationsentwicklung gesetzt, wie z. B. Open Spaces und World-Cafés. Dort haben Bürger gemeinsam Themen und Standpunkte erarbeitet. Die Ergebnisse wurden dann in über 20 Themengruppen, wie Bildung, Wirtschaft oder Umwelt, zu den »Plänen für ein neues Österreich« verdichtet.
Wie sind die NEOS organisiert?
Wir sind in drei Entitäten organisiert: der Partei (NEOS), dem Parlamentsklub und der Parteiakademie (NEOS Lab). Im Sommer 2014 kam noch eine weitere dazu, nämlich das EU-Büro in Brüssel. Alle Entitäten sind verschiedene Rechtskörper, die nach klaren Regeln zusammenarbeiten. Auf »Compliance« und Transparenz wird dabei großer Wert gelegt. Jeder hat seine eigene Rollendefinition. Wir als NEOS Lab verstehen uns einerseits als offener Thinktank und andererseits als Aus- und Weiterbildungsanbieter.
Wir sehen uns allerdings nicht als Kaderschmiede, sondern nehmen den gesetzlichen Auftrag sehr ernst: Das Angebot politischer Bildung richtet sich an alle politisch Interessierten – und wir hoffen, dass wir auch immer mehr Menschen Lust auf Politik machen können.
In der Weiterbildung geht es uns daher nicht darum, Menschen mit NEOS-Positionen zu indoktrinieren, sondern darum, den Raum zu schaffen, Politik selbst erleben und gestalten zu können.
Wer hält diese Seminare? Sie brauchen bestimmt einige Trainer dazu?
Wir brauchen immer mehr Menschen, die als Trainer und in der Begleitung von Teams begeistern können. Wir nennen diese Gruppe zusammengefasst »Multiplikatoren«. Gemeinsam mit der Gruppe Hollenstein haben wir dazu einen Lehrgang entwickelt. Dort bilden wir die Multiplikatoren aus, die dann österreichweit überwiegend ehrenamtlich zum Einsatz kommen. Bevor jemand die Ausbildung bei uns absolvieren kann, schauen wir uns die Kandidaten in einem transparenten Bewerbungsverfahren genau an. Nicht ein Parteibuch, sondern vor allem Engagement und eine Haltung, die glaubwürdig mit unseren fünf Kernwerten im Einklang steht – wie etwa Wertschätzung, Eigenverantwortung und Authentizität – geben den Ausschlag für den Bewerber.
Wie funktionieren die Multiplikator-Ausbildungen im Detail?
Der Lehrgang heißt »Trainieren. Moderieren. Begleiten. Der NEOS Lab Train-the-Trainer-Lehrgang«. Es geht darum, Skills trainieren zu können, die besonders im politischen Kontext relevant sind. Der Lehrgang wird ca. 8 Monate dauern und umfasst derzeit 7 Module.
Die gesamte Ausbildung haben wir in 3 Themenblöcke geteilt. Der erste Block nach dem Kick-off-Modul ist »Rollengestaltung und Verhaltenssteuerung«. In diesen zwei Tagen geht es viel um Selbstführung und um eigene Rollenklarheit. Aber wir sprechen hier auch darüber, wie ein professioneller Auftritt als Trainer und Moderator aussehen kann. Der zweite Themenblock ist das »Interagieren und Führen«. Themen wie Gespräche und Debatten, zum Beispiel Vorbereitung von politisch Aktiven auf Interviews und Diskussionsrunden, stehen hier am Programm. Themengebiete wie »Führungskräfte und Teams fordern und fördern« sind ebenfalls integriert. Im dritten Block geht es besonders um Moderationsfähigkeiten und das Gestalten von Workshops und Trainings. Die Rolle eines Trainers geht meiner Meinung nach immer mehr in die Rolle eines Prozessbegleiters über – gerade im politischen Bereich. Deshalb werden auch Coaching-Skills trainiert.
Was unterscheidet einen Lehrgang im politischen Kontext von einer klassischen Trainerausbildung?
Wir sind eine Bürgerbewegung. Menschen, die mit viel Begeisterung und Spaß Politik gestalten. Dennoch gelten für alle die gleichen Maßstäbe: Politik ist häufig eine enorme zeitliche, körperliche und psychische Belastung. Diese »Härte« der Branche erfordert somit sehr viel Unterstützung für die handelnden Personen – egal welcher Ebene.
Dazu kommt, dass eine Führungsperson in der Politik sehr beschränkte Macht hat: Viele Menschen und Gremien haben meist mitzuentscheiden und viele davon sind ehrenamtlich tätig. Somit sind Prozesskompetenzen besonders wichtig – ebenso wie Kommunikations-Skills. Politische Prozesse sind besonders konfliktreich. Nahezu alle Arten von Konflikten tauchen hier auf: Interessens-, Werte-, Ziel- und Verteilungskonflikte genauso wie innere und Rollen-Konflikte. Mir ist bewusst, dass das enorme Anforderungen an den Lehrgang stellt. Die Absolventen sollen die sprichwörtlichen »Wunderwuzzis« werden. Sie müssen nicht nur gute Trainer sein, sondern auch Gruppen, in denen beispielsweise partizipativ politische Positionen erarbeitet werden, professionell und mit viel Einfühlungsvermögen moderieren und zu konkreten Ergebnissen führen können.
Schauen wir noch eine Stufe tiefer. Wo und wie kommt das Thema Politik in den Lehrgang?
Wir definieren Politik als Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben. Somit ist das Thema praktisch schon Programm: Es geht darum, Haltungen, Methoden und Modelle zu vermitteln, um dieses Miteinander so konstruktiv wie möglich gestalten zu können. Zu Übungszwecken ziehen wir hauptsächlich politische Themen und Fälle heran. Methodisch ist der Lehrgang nämlich so aufgebaut, dass politische Inhalte vorgestellt und dann von den Teilnehmenden gleich selbst trainiert werden. Es geht aber nicht darum, dass unsere Multiplikatoren als Wanderprediger umherziehen. Sie sollen viel eher das Rüstzeug haben, die Wanderer auf ihrem Weg zu begleiten, ihre politische Rolle authentisch, professionell und konstruktiv zu leben.
Warum ist eine Zertifizierung des Lehrgangs für Sie wichtig?
Das Lehrgangsangebot wird in Zukunft durch einen Aufbaulehrgang ergänzt, der mit einem Zertifikat abgeschlossen werden kann. Es ist für einige unserer Teilnehmer eine Motivation, den Lehrgang zu absolvieren, wenn sie danach einen schriftlichen Nachweis haben. Außerdem bekommen wir so einen Benchmark, wo die Standards von unseren Trainerausbildungen liegen.
Wie wählen Sie Ihre Trainer für andere Seminare aus? Was ist Ihnen besonders wichtig?
Einerseits melden sich viele Trainer aus den unterschiedlichsten Bereichen bei uns. Andererseits suche ich auch aktiv nach Trainern über Websites und über mein Netzwerk. Besonders wichtig an neuen Trainern ist mir der partizipative Zugang: Schafft er oder sie es, Teilnehmer zu integrieren, die sich in ihrer Freizeit, neben Job und Familie, für Politik interessieren? Wenn das Seminar langweilig ist, kommt der Teilnehmer nicht wieder oder verliert generell die Lust an Politik. Ich möchte von einem Trainer außerdem spürbare Neuigkeiten sehen und hören. Wenn es immer das Gleiche ist, was schon seit 20 Jahren trainiert wird, ist das auch für mich fad.
Welches Schulungs-Angebot bieten Sie für NEOS–Aktive?
Wir haben ca. 13 000 »NEOS Freunde«, die von uns aktiv auch über Trainingsangebote informiert werden wollen. Aber wie schon erwähnt, richtet sich unser Trainingsangebot an alle politisch Interessierten, wenn auch zum Teil sehr zielgruppenspezifisch. Konkret haben wir spezielle Trainings zur »Arbeit im Gemeinderat«. Daneben haben wir z. B. auch einen Führungskompetenz-Lehrgang für weibliche Nachwuchsführungskräfte, sogenannte Promotees. Wir bieten weiters Trainings zum Thema »Bürgerbeteiligung 2.0 – was kann sie leisten?«
Diese Workshops finden meist am Abend statt, da die Ehrenamtlichen zumeist Vollzeit einen anderen Job ausüben. Die Workshops dauern rund 3 bis 4 Stunden.
Abschlussfrage: Was war das letzte Seminar, an dem Sie teilgenommen haben?
Dieses Jahr im Jänner habe ich das Modul »Der Abschluss von Organisationsentwicklungsprozessen in der Beratung« im Rahmen des Lehrgangs Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung der ARGE Bildungsmanagement absolviert.
Danke für das Gespräch.