Sowohl interne als auch externe Trainer sollten sich das Design, also das Konzept eines Trainings, gut überlegen. Eine wahllose Aneinanderreihung von Theorie und Übungen ist heutzutage viel zu wenig. Nur wer es schafft, nachhaltig Wissen zu vermitteln, wird am umkämpften Trainermarkt erfolgreich sein.
Bis vor einigen Jahren galt folgender Seminarablauf als gegeben. So wurde es erwartet, und so wurde es von Trainern geliefert:
9.00 Uhr Seminarstart und Begrüßung.
9.10 Uhr Kennenlernübung + Erwartungsabfrage
9.40 Uhr Seminarinhalt
10.30 – 11.00 Uhr Pause
11.00 – 12.30 Uhr Seminarinhalt
12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause
13.30 – 13.40 Uhr Aktivierungsübung
13.40 – 15.00 Uhr Seminarinhalt
15.30 – 16.00 Uhr Pause
16.00 – 17.00 Uhr Zusammenfassung und Feedbackrunde.
Vor und nach dem Seminar gab es gar keinen Kontakt zwischen Trainer und Teilnehmern. Die
Nettozeit für Inhalte beträgt an so einem Tag rund 4,5 bis 5 Stunden.
In den letzten Jahren wurde es für Unternehmen immer wichtiger, den Seminarerfolg zu messen. Wenn die Personalentwicklung schon viel Geld für Trainer und Seminare ausgibt, soll das auch einen spürbaren Mehrwert für das Unternehmen bringen. Daher haben sich engagierte und gute Trainer weiterentwickelt. Sie haben daran gearbeitet, Konzepte zu entwerfen, um den Output für Teilnehmer und für das Unternehmen zu maximieren. Es gibt heutzutage schon häufig keine oder nur sehr kurze Kennenlernrunden, dafür haben die Teilnehmer ohnehin die Pausen. Auch Zusammenfassung und Feedbackrunde wurden in den letzten Jahren immer kürzer und dauern nun kaum mehr als 15 Minuten. So kann die Netto-Lernzeit schon einmal um 1 Stunde erhöht werden. Wenn man diese Zeit dann auch noch richtig nutzt, kann nachhaltiges Lernen funktionieren. Häufig meldet sich auch schon einige Tage vor dem Seminar der Trainer bei den Teilnehmern. Und auch nach einem Seminar gibt es immer häufiger Elemente, die das Gelernte festigen sollen, seien es Lern-Apps, Webinare, Follow-up-Calls oder Ähnliches.
Ein gutes Seminar zu entwerfen, dauert Zeit. Zeit, die auf den ersten Blick niemand bezahlt. Doch genau diese umfangreiche Vorbereitungszeit rechtfertigt dann wiederum die Tagessätze von 2.000,– € und mehr.
Nadja Schefzig (Trainerin am WIFI Wien und Geschäftsführerin von kompetenzkreis) macht sich über das Trainingsdesign regelmäßig Gedanken. Sie weiß: »Die Vorbereitung für ein maßgeschneidertes Thema dauert etwa ein- bis zweimal so lange wie das Seminar selbst. Also beispielsweise 1 bis 2 Tage für ein eintägiges, methodisch aufwändig gestaltetes Training.«
Was ist dabei alles zu tun?
Nadja Schefzig:
ein Telefonbriefing
ein persönliches Vorgespräch
eventuell ein telefonisches Nachjustieren bzw. Absprechen mit dem Auftraggeber
Erstellung eines Seminardesigns, idealerweise dieses Seminardesign mit Kollegen durchsprechen (4-Augen-Prinzip)
Herstellung von Arbeitsblättern
Erstellung von Flipcharts und/oder Power-Point-Präsentationen
Auswahl und gegebenenfalls Herstellung kreativer, interaktiver Methoden, z. B. Filmmaterialien, Spiele, Karten, Warm-ups usw.
Sofern ein Skriptum erforderlich ist, kann noch ein weiterer Tag Vorbereitungszeit notwendig werden.
Die Nachbearbeitung mit Erstellung eines Fotoprotokolls und einer Nachbesprechung braucht nochmals etwa 2 bis 4 Stunden. Meistens bzw. idealerweise verteilt sich die Vorbereitungs- und Nachbearbeitungszeit auf einige Tage oder sogar Wochen.«
Seminarablauf
Der Seminarablauf hängt natürlich stark vom Thema und den Rahmenbedingungen ab. Überspitzt könnte man den optimalen Lernablauf mit 4 Worten beschreiben: Beginnen – Lernen – Transfer – Beenden.
Etwas ausführlicher weiß das die Seminardesignerin Anna Langheiter (Geschäftsführerin bei design.train.mastery): »Wichtig ist es, einen guten Einstieg zu schaffen und ein Lernteam zu bilden, das gerne in einen guten Austausch geht – das ist auch bei einem Zwei-Tagesseminar wichtig. Dann gilt die folgende Regel: Maximal ein Drittel Inhalt, minimal zwei Drittel Üben und den Transfer planen. Dass der Inhalt möglichst selbst erarbeitet wird und damit besser verankert wird, versteht sich von selbst. Beim zweiten Tag plane ich auf jeden Fall eine Wiederholung ein, einerseits um das Wissen der Teilnehmer zu festigen, andererseits um zu wissen, ob ich an der einen oder anderen Stelle noch nachsteuern muss. Am Ende sollte man immer noch ausreichend Zeit haben, sodass ein ruhiger, guter Abschluss gelingt.«
Hugh J. Keenan bietet als Head Trainer von METHOD>SELLING englischsprachige Verkaufs- und Verhandlungsseminare an. Er spricht über sein persönliches Seminardesign: »Wir können bei einem Zweitages-Seminar gesamt von etwa zwölf Stunden reiner Trainingszeit ausgehen – also ohne Kaffee- und Mittagspausen. Es geht darum, die zur Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen. Bei uns ist zwischen den Simulationsübungen Raum für Feedback eingeplant. Die Teilnehmer kommentieren die Erfahrungen, die sie in der vorangegangenen Trainingssequenz gemacht haben: Was ist gut gelaufen, was wollen sie das nächste Mal anders machen? Das Tempo des Trainings ist flott, man muss also schnell denken und handeln – wie im Geschäftsleben. Bei uns ist ›Empowerment‹ ein Schlüsselbegriff. Die Teilnehmer stehen im Mittelpunkt und erarbeiten sich quasi ihr eigenes Repertoire für internationale Verkaufs- und Verhandlungssituationen. Der Trainer führt sie durch den Lernprozess.«
Bevor sich Trainer Gedanken über den Tagesablauf machen, sollten sie sich ihrer eigenen Rolle bewusst sein. Welchen Platz möchten sie im Training einnehmen? Während es sich bei einer Keynote tatsächlich primär um den Redner selbst dreht, sollten bei einem Seminar die Teilnehmer im Mittelpunkt stehen. Wie das Seminar dann konzipiert wird, hängt von der persönlichen Rolle ab. Schafft es der Trainer, sich zurückzunehmen und den Teilnehmern den Raum zu geben, den sie zum Lernen brauchen?
Wie ein konkreter Seminartag aussehen kann, weiß Nadja Schefzig: »Grundsätzlich ist es wichtig, zu Beginn ein konstruktives und kooperatives Arbeitsklima mit der Gruppe herzustellen. Ich gebe auch gerne zu Beginn einen strukturierten Überblick über die Themen und Eckpunkte des Ablaufs, den die Teilnehmer zu erwarten haben. Fixer Bestandteil meiner Trainings ist eine Erwartungsabfrage. Das ist mir wichtig, da ich sehr nahe an den Wünschen und Bedürfnissen der Gruppe arbeite und – gerade bei einem 2-tägigen Training – immer Schwerpunkte entlang dieser Erwartungen gesetzt werden können. Ein idealer ›Ice-Breaker‹ für den Start ist z. B. eine Raumaufstellung, bei der die Fragen direkt ins Thema führen und das Thema sinnlich-räumlich und persönlich spürbar machen. Während des Seminars achte ich darauf, die Settings abzuwechseln, also z. B. Gruppenarbeit, Einzelreflexion, Zweier-Teams usw., moderierte Diskussion in der Großgruppe usw. So wichtig wie der Beginn ist auch der Abschluss eines Trainings. Hier setze ich Methoden ein, die es den Teilnehmern erlauben, die Themen und Inhalte Revue passieren zu lassen.«
Nachhaltiges Trainingsdesign
Zwei Seminartage, z. B. im Seminarhotel Retter oder im Hotel Ammerhauser, da freut sich fast jeder im Unternehmen darauf. Egal welcher Inhalt, egal welcher Trainer. Doch ein Seminar kostet jedes Unternehmen viel Geld, nur zur »Gaudi« ist das nicht gedacht. Also muss sich der Trainer etwas einfallen lassen, um erstens die Teilnehmer für das Thema zu begeistern und zweitens um den Lernerfolg auch nachhaltig zu verankern. Denn Skripten, Fotoprotokolle, nachgereichte E-Mails werden viel seltener gelesen, als angenommen.
Nadja Schefzig: »Entscheidend für die Nachhaltigkeit ist das gesamte ›System‹, in das das Training eingebettet ist. Es sind häufig die Bereiche oder Zeiten außerhalb des ›eigentlichen‹ Trainings, die Nachhaltigkeit garantieren. So sichert z. B. ein optimales Vorbriefing die Passgenauigkeit und damit sekundär auch die Nachhaltigkeit eines Trainings. Wesentlich für die Nachhaltigkeit ist zudem der Transfer – also der Übergang zurück in die Organisation. Bietet eine Organisation praktische Anknüpfungspunkte und Anerkennung für die erlernten Inhalte, dann wird die Nachhaltigkeit gefördert. Vernichtend hingegen wirkt es, wenn jemand, der etwas neu oder anders macht, von Kollegen lächerlich gemacht wird mit der Aussage: ›Ah, warst du schon wieder auf einem Seminar?‹ Vorbilder, die bereits im Unternehmen verkörpern, was gelernt wurde, sind hingegen wesentliche Verstärker für die Nachhaltigkeit der Lern-Effekte.«
Hugh J. Keenan arbeitet mit eigens erstellten Materialien, um für den nachhaltigen Lernerfolg zu sorgen: »Wir verwenden eigens für unser Training designte Requisiten, die in Erinnerung bleiben. Der Lerninhalt wird mit Dingen wie einer übergroßen, pinkfarbenen Stoppuhr verknüpft und abgespeichert. Findet man sich dann in der realen Geschäftswelt in einer ähnlichen Situation wieder, fällt einem die Stoppuhr ein und man aktiviert über das Bild im Kopf das, was man im Training gelernt hat. Wir setzen zudem stark auf Simulation. ›Lass’ es mich tun, und ich werde es können‹, sagte schon Konfuzius über das Lernen.«
Anna Langheiter versucht immer, möglichst schnell den Nutzen des Seminars für die Teilnehmer verständlich zu machen: »Ein Training im luftleeren Raum, das wegen des schmucken Seminarhotels ausgesucht wurde, das den Bedarf des Teilnehmers nicht trifft und mehr Belastung als Bereicherung ist, wird nicht nachhaltig sein. Aber wenn Teilnehmer den Sinn des Trainings erkennen, weil es an die Unternehmensstrategie angebunden ist, es ihnen dabei hilft, Ziele zu erreichen oder ihr jeweiliges Arbeitspensum zu reduzieren – wenn es also einen direkten Vorteil für die eigene Welt hat –, hat es größtmögliches Potenzial, um nachhaltig zu wirken. Wer Nachhaltigkeit erreichen möchte, muss sein Training dementsprechend designen: Möglicherweise schon vor dem Training, spätestens zu Beginn des Trainings sollte den Teilnehmern Zeit gegeben werden, den möglichen Nutzen für sich aufzuschreiben. Wenn sie an eigenen Beispielen üben können, sehen sie sofort die Auswirkungen ihres Handelns. Im Verlauf des Trainings sollten immer wieder Reflexionsschleifen durchgeführt werden, die dazu dienen, die Kernelemente zu notieren, mit dem Nutzen zu verbinden und dann in Form von Zielen für die Zeit nach dem Training zu notieren. Hier ist es auch hilfreich, mögliche Stolpersteine vorwegzunehmen, die bei der Umsetzung hinderlich sein könnten. Die Festlegung der Ziele kann dann zum Beispiel in Form eines Lerntagebuches oder auch mit einer Transfer-App (z. B. Skill Hero) mit Erinnerungsfunktion erfolgen.«
Die Rolle des Trainers
Was ist nun ein Trainer eigentlich heutzutage? Ist er klassischer Lehrer, Vortragender, Lernbegleiter, Coach, Moderator, Mediator, …? Vermutlich von allem ein bisschen etwas, je nach Situation. Ein guter Trainer weiß stets, in welche Rolle er gerade geschlüpft ist und wechselt diese auch je nach Bedarf.
Hugh J. Keenan über die Rolle eines Trainers bei seinen Seminaren: »Er hält das Training im Fluss, schlüpft in unterschiedliche Rollen, motiviert die Teilnehmer, Dinge auszuprobieren und das, was in ihnen steckt, herauszulassen. Die Trainingssprache bei uns ist Englisch. Der Trainer ist also auch ein Lehrer für World Business English.«
Nadja Schefzig: »Häufig nehme ich – neben der klassischen Trainer-Rolle als Vortragende – die Rolle der Moderatorin, einer Regisseurin, einer Supervisorin oder eines Coachs ein. Moderne Trainings arbeiten mit multidimensionalen Settings. Vielfach geht es, insbesondere im Bereich der sozialen Kompetenzen wie Kommunikation, Konfliktregulierung, Kundenorientierung, Teamführung usw. nicht um ›Patentrezepte‹, sondern um ein praxisnahes Anwenden und Erleben und Reflektieren von Veränderung. Dafür eignen sich erlebnisorientierte Methoden wie das Forum-Theater oder reflektierende, supervisorische Methoden wie das Reflecting-Team. Dafür braucht es aber eine hohe Rollenflexibilität und vielfältige Kompetenzen der Trainer.«
Anna Langheiter weiß, welche Rolle einem Trainer zukommt: »Eine ausgesprochen wichtige, allerdings vor allem während der Planung. Wenn er dabei dem Prinzip ›Training from the back of the room‹ folgt, plant ein Trainer nämlich mit der Idee im Training selbst nichts zu tun, was er nicht tun muss. Das bedeutet, im Vorfeld zu klären oder sich vorzustellen, was die Teilnehmer wahrscheinlich schon wissen und was nicht. Was bringen sie mit und gibt es die Möglichkeit, untereinander und voneinander zu lernen? Diese Details werden in der Planung bzw. im Design berücksichtigt und kreative und interaktive Möglichkeiten geschaffen, sodass die Teilnehmer voneinander sowie miteinander lernen.«
Ein gutes Training zu entwerfen geht nicht von jetzt auf gleich. Die Teilnehmer merken sehr schnell, ob sich der Trainer beim Konzept etwas gedacht hat. Gute Seminare wecken Interesse am Thema, machen Spaß während des Seminars und bilden so die Basis für nachhaltiges Lernen. Eine gewisse Flexibilität, um sich an die Bedürfnisse der Teilnehmer anzupassen, wird vorausgesetzt. Vorgegebene Zeiten und Inhalte können sich im Laufe eines Seminars verändern. Das Seminardesign ist erfolgskritisch für jedes Training.
Ne längere Seminarbeschreibung war wohl nicht möglich. Thema ganz interessant, habe leider nur zwei Absätze durchgehalten
Spannender Artikel und es ist interessant, zu lesen was die Kollegen meinen. Ich finde, wenn die Seminarinhalte nicht unmittelbar(!) in den Arbeitsabläufen Platz finden, dann ist eine nachhaltige Umsetzung kaum machbar.
Daher ist die Frage gar nicht, ob wir im Vorfeld eingebunden sind, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.