Alles super bei uns, prima Teamgeist, coole Bosse und totale Work-Life-Balance! Keine gute Idee für das Employer-Branding. Von Karin Bauer (DER STANDARD)
»Acht von zehn Unternehmen halten nicht, was sie in ihrer Werbung als Arbeitgeber versprechen«, sagt Gerd Liegerer (Inhaber der Agentur Bud & Terence), die in Sachen Arbeitgebermarketing (Employer Branding) berät. Eine harte Ansage in einem Raum voller Human-Resources- und Recruiting-Menschen Mitte September im Rahmen des Arbeitstreffens des Branchennetzwerks HR-Circle in Wien. Thema war die Authentizität im Employer-Branding.
Genau diese Frage nach der Echtheit und der Identität ist auch der Knackpunkt: Wenn jede Firma das angenehmste Team, die flachste Hierarchie und die optimalen Möglichkeiten zur Work-Life-Balance mit den schönsten Models bewirbt, dann kann etwas nicht ganz stimmen. Inserate mit Texten wie »Bei uns ist falsch, wer eine ruhige Kugel schieben will« oder »Bitte nur junge Technikerinnen um ihre Bewerbung« oder »Wir arbeiten in einer Branche, die es vermutlich so in drei Jahren gar nicht mehr gibt« sind ja nicht zu finden – die schönsten Farben samt Superlativen prägen das Bild. Das Ringen um Echtheit und Glaubwürdigkeit zwischen Werbeversprechen und halbwegs realistischer Einladung in eine Firma ist, so zeigt sich in dieser Diskussion, hart. Vor allem, wenn der Auftritt auf mehrere ganz unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten und für die jeweiligen Kanäle tauglich sein soll, vom guten alten Print bis zu Instagram. Die Möglichkeiten, an Kandidaten heranzukommen, sind vielfältig, das sogenannte Active Sourcing hat sich ausgebreitet, aber die Firmenvertreter am Podium sehen sich in ihren Ressourcen limitiert: zu wenig Budgets, zu wenige Leute im Team mit den jeweiligen Spezialkenntnissen, insgesamt zu wenig direkte Mitsprache in strategischen Unternehmensfragen. Obwohl alle vorbildlich an die Sache herangehen – trotz unterschiedlicher Aufstellung und Herkunft –, haben sie fast deckungsgleiche Mangelthemen: IT-Fachleute, Finanzer und die jeweiligen Spezialisten in Zukunftstechnologien fehlen. AVL in Graz und Porsche in Salzburg führen zudem ins Treffen, dass ihre Standorte nicht so »sexy« seien wie Wien. Allen gemeinsam ist die durch die neuen Technologien und unmittelbaren Bewertungsmöglichkeiten der Belegschaft abhandengekommene Kontrolle – irgendwer postet immer seinen Frust, seinen Ärger, seine Enttäuschung.
»Hundertprozentige Harmonie gibt es nicht«, so Liegerer mit einer neuerlich nicht erfreulichen Botschaft. Ob sie Probleme hätten mit problematischem Feedback von innen, wenn nach außen besonders tolle Botschaften kommuniziert werden? Wenige Antworten auf dem Podium lassen den Schluss zu, dass zwischen dem Auftritt als Arbeitgebermarke im Recruiting und der Innenwahrnehmung eine gewisse Lücke klafft. »Besonders groß wird sie aber, wenn die Arbeitgebermarke via Kampagnen aufgebaut wird, statt von innen nach außen zu gehen – auf Basis der Unternehmenswerte«, so Liegerer. Es gelte, immer nach außen und nach innen zu schauen, so die Mahnung. Er rät zudem dringend dazu, endlich vernachlässigte Zielgruppen – Stichwort Menschen mit Behinderungen oder 50+ – ins Visier zu nehmen und lebensphasengerechtes Arbeiten zu ermöglichen und zu kommunizieren. One size fits all? Leider nein.
Ein Wunschgebilde?
Kann es den Perfect Match überhaupt geben bei allem, was derzeit erwünscht ist, vom Sinn bis zur optimalen Work-Life-Balance, von der besten Weiterbildung bis zur Ermöglichung einer passenden Karriere? Liegerer meint: ja. Mit dem Zusatz: aber nur für eine gewisse Zeit. Die lange Bindung, bei der man keine Firma außer der einen hat, bei der alles passt, sei ein anderes Thema. Vielleicht eines der Vergangenheit, als es diese »lifelong opportunities« noch häufiger gab. Jedenfalls wird klar: Die Arbeit von Human Resources greift heute rundum, 360 Grad in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens ein – läuft das Trennungsgespräch halbwegs klar und so, dass man einander nachher noch grüßen kann, dann wirkt es auf das Image, die Marke, das Recruiting. Ist die Markenbotschafterin eine anonyme aus dem Fotoarchiv von iStock, dann klappt es nicht. Wird das Beschwerdemanagement nicht sauber geführt, dann kratzt das an der Glaubwürdigkeit des Employer Brandings. Steht die Belegschaft nicht hinter den Claims, dann kommt im schlimmsten Fall das Gegenteil an.
Wie komme ich zu einer idealen Employer-Branding-Strategie, lautet die Frage aus dem Fachpublikum Human Resources. Sujets aus dem stillen Kämmerlein sind definitiv nicht der Heilsweg – eh klar. Ein sehr häufiges Problem in solchen Fragesituationen macht Liegerer dingfest: »Die meisten Unternehmen starten Arbeitgebermarketing, wenn der Schuh schon gewaltig drückt, und erhoffen sich dann schnelle und vor allem messbare Erfolge«, sagt er. Das sei eine ungünstige Erwartung, weil sie sich meistens nicht erfülle. Der Weg zum gekonnten Arbeitgebermarketing sei ein anstrengenderer, von innen heraus unter Einbindung möglichst vieler Stakeholder. Oft werden Meinungsbildner vergessen. Beispiele Lehrlinge: Da werden Eltern und Großeltern vergessen – die holt man nicht auf Instagram. Da werde oft viel Geld versenkt.
Schlechtes mit Humor
Bange Frage: Soll man auch Schlechtes sagen? Der Mut zur Hässlichkeit mache manchmal die Authentizität aus. Beispiel: »Wir sind vielleicht nicht cool. Aber sicher.« Allerdings muss ja nicht in jedem Stelleninserat stehen, dass man bei der jüngsten Produktzertifizierung durchgefallen ist. Und: Nichts ist für die Ewigkeit gebaut, erinnert Liegerer: »Was heute perfekt ist, ist morgen vielleicht schon anders. Vom Traum des Gleichbleibenden müssen wir uns verabschieden.« Weiterentwicklung geschehe so oder so, auf beiden Seiten.