Welche Fragen dürfen überhaupt im Bewerbungsgespräch gestellt werden und welche Fragen darf der Kandidat wahrheitswidrig beantworten?
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber einen Bewerber im Rahmen eines Vorstellungsgespräches über seine fachlichen Erfahrungen umfangreich befragen. Stellt der Arbeitgeber jedoch Fragen, die den privaten Bereich des Bewerbers betreffen, so steht es dem Bewerber nach der Rechtsprechung frei, diese Frage nicht oder nicht wahrheitsgemäß zu beantworten, wenn seine Interessen gegenüber den Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Solch eine Interessenabwägung ist bei jeder einzelnen Frage vorzunehmen. Besteht keine Antwortpflicht, kann ein Bewerber später nicht entlassen werden – z. B. wegen Vertrauensunwürdigkeit, weil er eine unzulässig gestellte Frage nicht oder wahrheitswidrig beantwortet hat. Selbst bewusst wahrheitswidrig gegebene falsche Antworten bleiben bei Überwiegen der schutzwürdigen Interessen des Bewerbers sanktionslos.
Darüber hinaus darf ein Arbeitnehmer auch schon bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Diskriminierungstatbestandes (z. B. Geschlecht, Alter, Behinderung, Weltanschauung etc.) nicht begründet worden, so ist der Arbeitgeber gegenüber dem Bewerber zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Das beginnt schon bei der Formulierung der Stellenanzeige. Der Arbeitgeber, der sich einer diskriminierend formulierten Stellenanzeige bedient (beispielsweise nur Männer unter 40 sucht), kann sowohl auf Schadenersatz geklagt werden, als auch mit Verwaltungsstrafen bis zu 360,– € bestraft werden.
Zulässige und unzulässige Fragen
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber allgemeine Informationen zur eigenen Person verlangen, wie etwa den Namen, die Adresse, die Sozialversicherungsnummer, die Staatsangehörigkeit und den Geburtsort des Bewerbers. Diesbezügliche Fragestellungen sind zulässig und daher vom Bewerber wahrheitsgemäß anzugeben. Dies ergibt sich schon aus dem beiderseitigen Interesse an der ordnungsgemäßen Abwicklung der Lohnverrechnung, die diese Daten voraussetzt.
Der Arbeitgeber darf auch Fragen zum Familienstand bzw. nach den Kindern stellen. Der Bewerber hat diese auch wahrheitsgemäß zu beantworten. Der Familienstand bzw. die Frage nach Kindern ist im aufrechten Arbeitsverhältnis von Bedeutung, weil daran Ansprüche des Bewerbers, wie etwa der Anspruch auf Pflegefreistellung, geknüpft sind. Darüber hinaus sehen bestimmte Kollektivverträge Ausnahmen für Mitarbeiter mit Kindern vor. Beispielsweise ist gemäß Punkt VIII und X des Handels-KV die Beschäftigung von Arbeitnehmern während der langen Öffnungszeiten oder einer Inventurarbeit nur dann und insoweit zulässig, als berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers (wie beispielsweise die Versorgung von Kindern und Eltern, unzumutbare Heimfahrtsmöglichkeiten, die Teilnahme an Schul- und Weiterbildungsveranstaltungen) dieser Arbeitsleistung nicht entgegenstehen.
Fragen betreffend eine allfällige Familienplanung sind hingegen jedenfalls unzulässig und dürfen daher vom Bewerber sanktionslos auch nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Die Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft ist unzulässig. Eine Bewerberin darf eine bestehende Schwangerschaft verschweigen oder wahrheitswidrig leugnen, ohne eine Nichteinstellung bzw. Kündigung aus diesem Grund befürchten zu müssen. Zwar kommt der Kündigungs- und Entlassungsschutzbestimmungen des MSchG im Probemonat nicht zur Anwendung, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses – auch während des Probedienstverhältnisses – ist aber wegen Diskriminierung anfechtbar.
Fragen zur Religionszugehörigkeit, Weltanschauung oder politischen Richtung sind ebenfalls grundsätzlich unzulässig. Das Interesse des Arbeitgebers zur wahrheitsgemäßen Beantwortung dieser Fragen wird nur dann zu bejahen sein, wenn es sich beim Arbeitgeber um einen Tendenzbetrieb, d. h. einen Betrieb, der unmittelbar und überwiegend politischen, konfessionellen, wissenschaftlichen u. ä. Bestimmungen dient, handelt, wobei selbst dann kritisch hinterfragt werden muss, ob die Religionszugehörigkeit bzw. die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung des Bewerbers für die konkret vorgesehene Position tatsächlich von Relevanz ist.
Fragen nach allfälligen Krankheiten betreffen den Privatbereich des Bewerbers und sind nur dann wahrheitsgemäß zu beantworten, wenn diese für die zu besetzende Position objektiv von Bedeutung sind, weil etwa mit Lebens- oder Nahrungsmitteln hantiert wird oder es zu einem (intensiven) körperlichen Kundenkontakt (z. B. Krankenschwester) kommen kann. Auch bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten und solchen, bei denen der Arbeitnehmer die Verantwortung für z. B. gefährliche Anlagen trägt, ist der Gesundheitszustand und damit die Eignung für die Stelle offenzulegen.
Fragen nach AIDS oder einer HIV-Infizierung oder anderen ansteckenden und leicht übertragbaren Krankheiten müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden, wenn die Gefahr eines Austausches von Körperflüssigkeiten zu erwarten ist. Die Zulässigkeit ergibt sich auch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den übrigen Arbeitnehmern.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Bewerber nach dem Vorliegen einer (begünstigten) Behinderung zu fragen, weil für ihn damit besondere Verpflichtungen (vom Arbeitgeber einzuhaltende Schutzregelungen; Regelungen über die Ausgleichstaxe) verbunden sind, selbst wenn die Behinderung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die vorgesehene Tätigkeit hat.
Der Bewerber ist grundsätzlich verpflichtet, von sich aus ein bestehendes und weiter auszuübendes Arbeitsverhältnis offenzulegen und eine diesbezügliche Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Dennoch bestünde ein Entlassungsgrund grundsätzlich erst dann, wenn durch die Nebenbeschäftigung die Interessen des Arbeitgebers unmittelbar berührt werden.
Die Frage nach der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes ist aufgrund der Bedeutung, die eine dadurch bedingte sechs- bis neunmonatige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber hat, für den Arbeitgeber von Relevanz und daher zulässig.
Auf Fragen zu Fremdsprachenkenntnissen und EDV-Kenntnissen muss der Bewerber wahrheitsgemäß antworten, falls diese Qualifikationen von Relevanz für die auszuübende Tätigkeit sind. Auch ist die Frage über den Besitz eines Führerscheins wahrheitsgemäß zu beantworten, wenn der Führerschein für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit Voraussetzung ist.
Im Fall von Vorstrafen ist zu unterscheiden: Ungetilgte Vorstrafen sind vom Bewerber dann bekannt zu geben, wenn es sich bei dem Delikt um eine Verurteilung handelt, die den Bewerber für die angestrebte Tätigkeit objektiv ungeeignet erscheinen lässt. Getilgte Vorstrafen muss der Bewerber bei Begründung des Arbeitsverhältnisses von sich aus nicht bekannt geben, weil mit der Tilgung einer strafgerichtlichen Verurteilung alle nachteiligen Folgen, die kraft Gesetzes mit dieser verbunden sind, grundsätzlich erlöschen.
Fragen nach dem Freizeitverhalten des Bewerbers – wozu auch das Rauchverhalten zählt – greifen massiv in die Persönlichkeitsrechte des Bewerbers ein und sind daher grundsätzlich unzulässig. So auch grundsätzlich der Zusatz in einer Stellenanzeige, dass Raucher unerwünscht seien. Der Bewerber ist daher nicht verpflichtet, eine derartige Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Nur in besonderen Einzelfällen – wie etwa bei Piloten, Pädagogen oder Chirurgen etc. – ist es sachlich gerechtfertigt und daher erlaubt, nach dem Ausmaß des Rauchkonsums zu fragen.
Nach dem AngG sind Angaben im Dienstzeugnis, durch die dem Bewerber die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird, unzulässig. Daraus lässt sich ableiten, dass sowohl die Frage des Arbeitgebers an den Bewerber über die Beendigungsart des letzten Arbeitsverhältnisses als auch die Frage, aus welchem Grund das ehemalige Arbeitsverhältnis beendet wurde, unzulässig sind und daher vom Bewerber nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen.