Manche sollen ihn als Speaker gut finden, andere schrecklich. Diesen Herbst haben wir uns selbst ein Bild gemacht.
Der Saal wird dunkel. Ein Video wird auf der Leinwand abgespielt. Es kündigt Großartiges an. Der Beste der Besten wird gleich die Bühne betreten. Die Musik ist bombastisch. Die gesamte Intro erinnert an James Bond. Von ganz hinten im Saal geht ER flotten Schrittes durch den Gang zwischen den Sesselreihen in Richtung Bühne. Es ist aber leider nicht James Bond, sondern Paul Misar.
Auf seinem Weg nach vorne schüttelt er jedem, der das will, die Hand. Schließlich springt er auf die Bühne. Jetzt sehen wir ihn in seiner ganzen Pracht, geschniegelt und gestriegelt, in seinem modernen Dreiteiler und bunter Krawatte mit mächtigem Knopf. Seinen Schuhen hört man an, dass die Sohlen genagelt sind.
Der »von der Presse Lifedesigner Getaufte« ist mit uns per Du. »Hast Du schon einmal Geld verbrannt?«, fragt er ins Publikum. Plötzlich hat er einen (vermutlich falschen) Geldschein in der Hand und zündet diesen an. Und einen zweiten. Die Flammen züngeln in Richtung Hand, Paul Misar ruft: »Scheiße!« Wir erfahren, dass er schon Geld verbrannt, also Fehler gemacht habe.
Auf der großen Leinwand hinter ihm wird zunächst ein Foto von Barack Obama und dann eines von Oprah Winfrey gezeigt. Es folgt ein halber Witz über deren Hautfarbe. Das alles ist richtig schlimm. Dann geht es endlich um Inhalte. Er erklärt, was eine Marke ist: wenn andere über dich sprechen. Es folgen ein paar nichts-sagende Sätze, dann beginnt er über sich zu reden. Er erzählt, wie er sich einst im Hamsterrad befand, es schaffte, in ein größeres Hamsterrad zu gelangen und immer nur noch schneller laufen wollte. Zur Veranschaulichung beginnt er am Stand zu laufen, schneller und schneller.
Man muss ihm zugute halten: Er merkt, dass er beim Publikum nicht ankommt. Er kämpft. Die Stimme ist gepresst, er schluckt hörbar und verhaspelt sich beim Reden. Aber er gibt nicht auf. Er erzählt, was er bei solchen Auftritten anscheinend immer erzählt, denn er entschuldigt sich bei jenen, »die das von mir schon gehört haben.« Er besinnt sich auf seine Stärken und spricht über diese. Er spricht über seinen Erfolg und sein Geld. Er sagt, dass man die Dinge aus der Sicht der Kunden betrachten und dementsprechend kommunizieren solle, dann stelle sich der Erfolg ein. So wie bei ihm. Damit habe er sehr viel Geld verdient.
Er erzählt, wie erfolgreich er im Sanieren von Unternehmen sei. Bei manchen Firmen habe das aber auch seine Grenzen, denn: »Ich kann ja dort nicht ewig sanieren.« Es folgt die Geschichte über eine Taxi-Fahrt, der Taxler fragte ihn, wohin es gehen solle. Seine Antwort: »Egal, ich werde überall gebraucht.« Danach ist es mucksmäuschenstill im Publikum, es ist die Stille der Betroffenheit.
Das lässt ihn den Faden verlieren und er beschließt, die angekündigten Inhalte gänzlich zu ignorieren und nur mehr über sich zu sprechen. Es ist die Rede von Firmenübergaben und verschlossenen Kuverts mit Zetteln drin, auf denen steht, dass Paul Misar der beste Sanierer sei. Wir hören, dass die Uhr, die er gerade trägt (und die er uns bei der Gelegenheit natürlich zeigt), teuer sei. Aber nicht so teuer, wie jene, die er gemeinsam mit seinem Sohn gekauft habe, die sei ein echtes Erbstück.
Und als man glaubt, es ginge nicht mehr schlimmer, sagt er: »Ich bin das Viagra der Motivationsspeaker-Branche.« Weil er den Rednern klar macht, wofür sie stehen. Daraufhin verlassen viele den Saal. Der Rest sieht, wie auf der Leinwand Fotos von Paul Misar gezeigt werden: beim Golfen, im Hubschrauber, mit Richard Branson usw. Der Fotograf der Veranstaltung geht zur Bühne, um ein Foto zu machen und wird daraufhin von Paul Misar als »Paparazzi« bezeichnet.
Endlich neigt sich die Darbietung dem Ende zu. Es gebe noch Restplätze für eine seiner Veranstaltungen, hören wir, die Karten könne man draußen im Foyer kaufen. Genau wie ein 7-Stunden-Hörbuch. Während ich mir überlege, was 7 Stunden Paul Misar in mir auslösen würden, höre ich ihn sagen: »Danke! Ihr wart das beste Publikum, das ich heute in Wien bekommen konnte.« Na bumm. Das sitzt.