Auf die Krise vorbereiten

Das Schwierige an der Krisenkommunikation ist: Wenn die Krise zuschlägt, dann ist es für die Vorbereitung und Erarbeitung von Strategien bereits zu spät. Wir haben Trainings-Anbieter danach gefragt, wie man sich in Medientrainings auf Krisen vorbereiten kann und dabei auch einiges über Krisenmanagement gelernt.

Sich auf das Unvorhergesehene vorbereiten – das klingt fast wie ein Widerspruch. Genau darum geht es aber in der Krisenkommunikation. Unsere erste Frage an unsere Interviewpartner zielt daher genau darauf ab.

In der Kommunikation ist eine Krisensituation etwas, das überraschend entsteht. Wie kann man sich aber auf das Unbekannte vorbereiten?

Stefan Wagner ist geschäftsführender Gesellschafter von Intomedia Medientraining (www.intomedia.at) und erklärt: »Ähnlich, wie sich militärische Einheiten oder Einsatzkräfte auf den Ernstfall vorbereiten. Sprich, wie bei einem Manöver. Nur handelt es sich im medialen Krisenszenario nicht um die Auseinandersetzung feindlich gesinnter Armeen, sondern um den Konflikt zwischen Unternehmenssprechern und Journalisten. Im Training wird das Krisenteam einem medialen Stresstest unterzogen. So lassen sich Abläufe, Strategien und Taktiken, medienrhetorische Maßnahmen und das Messaging hervorragend analysieren und im Zuge des Krisentrainings optimieren.

Krisen sind sich im Wesentlichen sehr ähnlich und laufen in ganz bestimmten Phasen ab. Die spezifischen Themen sind, auch wenn das hier absurd klingt, nahezu austauschbar. Während Medienvertreter die ›Gunst der Stunde‹ nutzen, um für höchste Emotionalisierung und somit für Aufmerksamkeit zu sorgen (Alarmismus), lernen und trainieren Unternehmen, wie sie Phase für Phase die hohe Emotionalisierung abklingen lassen können, ihre Professionalität und Expertise gerade in einer schwierigen Situation unter Beweis stellen und die für die Zukunft gewonnenen, zielführenden Erfahrungen und Erkenntnisse darstellen können.«

Angela Pengl-Böhm ist geschäftsführende Gesellschafterin der Medienagentur PR.com (www.pr-com.at). Sie beschreibt: »Krisenmanagement ist für viele Unternehmen immer noch ein Fremdwort. Viele, auch große Unternehmen, denken: Mich kann es eh nicht treffen. Essenziell ist, dass man sich in guten Zeiten auf die Krise vorbereitet. Im ersten Schritt heißt das, zu analysieren, welche Krisenfälle und Situationen im Unternehmen überhaupt eintreten können. Neben der Situationsanalyse müssen auch mögliche Worst-Case-Szenarien erarbeitet werden. Darauf aufbauend wird ein Krisenplan erstellt, in dem genau festgelegt ist, wer wann was zu sagen hat, sprich es geht um Erreichbarkeiten und Hierarchien. Ein guter Krisenplan enthält organisatorische Maßnahmen, legt Verantwortlichkeiten fest und regelt alle kommunikativen Maßnahmen. Wenn der Ernstfall da ist, muss jeder im Unternehmen genau wissen, was wann wie zu tun ist, wen er zu informieren hat etc. In einen guten Krisenplan gehören auch vorgefertigte Argumente und Botschaften zu jeder Krisen-Situation, zu jedem Worst-Case, die man dann im Fall des Falles quasi nur aus der Schublade ziehen muss.«

Warum ist diese Vorbereitung so wichtig?

Stefan Wagner: »Um im Ernstfall, wenn die Maschine der medialen Dynamik auf Hochtouren läuft, über die notwendigen Fertigkeiten zu verfügen und jeder und jede weiß, was zu tun ist, ohne wertvolle Zeit zu verlieren. In der Krise muss jeder im Team das Richtige zur richtigen Zeit tun. Man muss genau wissen, welche Informationen gehen durch wen, wann und in welcher Form nach außen. Wie reagiert man auf Gerüchte, auf Spekulationen, auf falsche Zahlen und Daten etc. Da darf keine Diskussion entstehen. Nur so lässt sich eine Krise professionell, das heißt rasch und ohne bleibenden Imageschaden, für das Unternehmen bewältigen.«

Angela Pengl-Böhm: »Empirischen Studien zufolge werden rund 84 % aller Krisenfälle sofort akut – ohne jede Vorwarnung. Und wenn die Krise erst einmal da ist, bleibt keine Zeit mehr für strategische Überlegungen oder Planung. Daher ist es wichtig, dass man in dieser Stress-Situation auf ein ›Regelwerk‹ zurückgreifen kann, eben einen Krisenplan hat. Im Idealfall haben die handelnden Personen die Krisensituationen in einem Training auch schon einmal durchgespielt, um dann im Ernstfall richtig zu agieren. In der Krise ist – insbesondere gegenüber den Medien – schnelles Handeln gefragt. Wenn man nicht innerhalb von einer Stunde reagiert, ist der mediale Zug bereits abgefahren. Leider glauben immer noch viele Manager, dass sie am Anfang den Kopf in den Sand stecken können, sie leugnen, sie schieben die Schuld auf andere, sie sind nicht erreichbar. Das macht alles noch schlimmer, die Situation wird immer verworrener, die Glaubwürdigkeit des Unternehmens sinkt, das Vertrauen wird erschüttert, Gerüchten und Fehlinterpretationen sind Tür und Tor geöffnet. Die Zauberformel in der Krise heißt: Agieren statt reagieren; klare und ehrliche Informationen geben Sicherheit nach innen und nach außen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist für mich auch: Krise ist immer Chefsache. Und der Chef muss in dieser Situation gut und richtig kommunizieren. Der richtige Umgang mit den Medien ist ein zentraler Erfolgsfaktor im Krisenmanagement. Wenn man alles richtig macht, kann die Krise auch eine Chance sein.«

Ist es sinnvoll, daran in offenen Seminaren zu arbeiten oder ist es besser, das unternehmensspezifisch zu tun? Und gilt das besonders für Krisenkommunikation oder für Medientrainings generell?

Stefan Wagner: »Da es in der Regel eine Teamleistung ist, sollte im Team gearbeitet werden. Als Vergleich könnte man vielleicht eine Fußballmannschaft heranziehen. Da ist nur etwas zu gewinnen, wenn die einzelnen Positionen optimal aufeinander ›eingespielt‹ sind. Ganz besonders in den höchsten Ligen. Und die Bewältigung einer Krise ist die absolute Königsklasse für Krisenteams. Die Champions League würde sich als Vergleich anbieten.

Das gilt für Krisentrainings mehr als für ›offene‹ Medientrainings. In diesen offenen Medientrainings arbeiten wir vorwiegend mit Kommunikatoren wie zum Beispiel Unternehmens- oder Pressesprechern, die gegenüber Medienvertretern viel Eigenverantwortung übernehmen müssen.«

Angela Pengl-Böhm: »Das hängt vom Unternehmen und von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Ich habe Manager erlebt, denen kommt das Wort Krise gar nicht über die Lippen, auch wenn ihnen das Wasser schon bis zum Hals steht. Für die ist es sicher besser, sich intern vorzubereiten oder ein Einzelcoaching zu machen. Wenn man erst einmal in das Thema hineinschnuppern und sich erste Inputs von Experten holen möchte, ist ein offener Workshop sicher nicht fehl am Platz. Wenn man konkret an einem Krisenplan arbeiten möchte, dann empfehle ich eher unternehmensspezifisch mit einem Krisenexperten zu arbeiten. Wir bieten zum Beispiel eintägige Krisen-Workshops für Unternehmen an.

Das gilt generell für Medientrainings. Ich erlebe Menschen, die finden es inspirierend, in der Gruppe zu arbeiten, sich Input zu holen, aus den Fehlern der anderen zu lernen, mit den anderen Teilnehmern zu diskutieren, sich auszutauschen. Und ich habe Kunden, die immer nur alleine trainieren möchten. Aus welchem Grund auch immer.«

Können Sie uns eine konkrete Übung aus einem Ihrer Trainings verraten?

Angela Pengl-Böhm: »Ich arbeite in den Workshops sehr gerne zum Thema Umweltunfall in einer Tourismusregion. Zuerst müssen die Teilnehmer sich einmal überlegen, wer überhaupt ihre Dialoggruppen sind. Danach machen wir die Krisenstabs-Übung. Dabei müssen sich die Teilnehmer in verschiedene Rollen versetzen – z. B. Leiter des Katastrophenschutzes, Feuerwehrhauptmann, Bürgermeister, Hotelier, Manager der betroffenen Firma – und gemeinsam ein Statement für die Presse erarbeiten, das die wichtigsten Fakten zum Umweltunfall (was, wann, wo, wie) enthält und Aussagen zu den Auswirkungen macht, im Hinblick auf die verschiedenen Dialoggruppen.«

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Stefan Wagner: »Wir legen bei unseren Übungen höchsten Wert auf die Nähe zur Realität. Das heißt, dass die Krisenteams der jeweiligen Unternehmen auf ein Team von Radio-, TV-, Print- und Social-Media-Profis treffen, die keinen Zweifel daran lassen, ob sich die Trainings-Inhalte im Ernstfall bewähren. Der Reality-Check als Part of the Game, wenn Sie so möchten.«

In der Coverstory (ab Seite 10) geht es ja um Trainings für Stimm- und Sprechtechnik und es interessiert uns daher, welche Bedeutung diese in der Krisenkommunikation hat.

Wie wichtig ist bei Radio- und Fernsehinterviews Ihrer Ansicht nach die Stimm- und Sprechtechnik?

Stefan Wagner: »Im Krisenfall geht es immer auch darum, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen oder wieder herzustellen. Und da ist Echtheit gefragt. Die Speaker müssen sich auf ihre sogenannte eigene, persönliche innere Grammatik verlassen. Denn jeder Mensch spricht anders, hat seine ganz persönlichen rhythmischen, melodischen und dynamischen Akzentuierungen. Das ist wie ein Audio-Fingerabdruck. Und Rezipienten haben gerade in Krisensituationen ein sehr empfindliches Sensorium gegenüber ›Fälschungen‹, also für künstliche Töne, wenn Sie so möchten. Darum ist es das Wichtigste, die eigenen Worte und Sprachbilder zu verwenden. Darüber hinaus ist es natürlich ein Vorteil, wenn Menschen ihre Sprache und Stimme professionell und den jeweiligen Situationen entsprechend einsetzen können, ohne ihre Echtheit einzubüßen. Denn wenn es zum Beispiel um Anteilnahme geht, sind andere Töne gefordert, als bei Verhaltensanweisungen an die Bevölkerung via Medien. Da ist Sprech- und Stimmtraining hilfreich.«

Angela Pengl-Böhm: »Jeder Manager, jeder Funktionär, jeder Firmenchef, der mit Medien zu tun hat, sollte sich regelmäßig den Spiegel vorhalten und an seiner Körpersprache, an seiner Stimme, an seiner Präsentationstechnik arbeiten. Je kompetenter und überzeugender eine Person in der Krise auftritt, desto glaubwürdiger ist ihre Botschaft. Und das ist die Basis für zukünftiges Vertrauen.« 

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