Aufwändig, aber lohnend

Armand Kaáli-Nagy im Dialog mit Top-HR-Managern über ­aktuelle ­Herausforderungen bei der Entwicklung von Führungskräften.

In jeder Organisation gibt es Führungskräfte – Personen, die den Weg vorgeben, Verantwortung übernehmen und das große Ganze sehen (sollten). Die heutigen Anforderungen an Führungskräfte sind vielfältig, die Patriarchen der Vergangenheit trifft man kaum noch an. Was verlangen Organisationen heutzutage von idealen Führungskräften?
»Menschen zu motivieren, Veränderungen zu begleiten und die fachlichen Aufgaben zu managen sind die heutigen Herausforderungen,« sagt Johanna Hummelbrunner, Personalleiterin Österreich bei Robert Bosch AG. Durch den Generationenwechsel und die viel zitierte Generation Y erwarten sich aber auch die neuen Mitarbeiter viel von den Arbeitgebern und ihren Vorgesetzten. Führungskräfte sollen die gewünschte Flexibilität ihrer Mitarbeiter ermöglichen, also den Ausgleich der beruflichen und privaten Wünsche meistern. »Diese Flexibilität wollen wir auch gerne möglich machen und Führungskräfte bei der Umsetzung unterstützen. Bei den Wünschen bezüglich der Arbeitszeiten ist Kreativität von HR und den Managern gefragt, um den gesetzlichen Regelungen jedenfalls zu entsprechen. Aber nicht jeder Wunsch kann immer erfüllt werden«, ergänzt Georg Westphal, Bereichsleiter Strategisches Personalmanagement der VERBUND AG.
Der Weg zur Führungskraft
In Bezug auf Führungskräfte – neudeutsch ja Manager genannt – sind die Wünsche auf allen Seiten groß – ein Spagat, den diese aber auch meistern müssen und sollten. Deshalb ist gerade bei der Auswahl von potenziellen Führungskräften das HR-Management bereits stark gefordert und die Auswahlmethoden ähneln denen des Recruitings sehr stark. Die erste Frage lautet aber: Wollen und können wir die Führungsposition intern besetzen? Das »Wollen« ist eine strategische Frage. Viele Unternehmen nutzen die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter in Führungspositionen als wichtiges Element der Mitarbeiterbindung. Man kann dadurch intern zeigen, dass es Karrierewege gibt und man nicht den Arbeitgeber wechseln muss, um Karriere zu machen. Die externe Suche nach Führungskräften findet dann statt, wenn intern keine entsprechenden Potenziale vorhanden sind oder man sich von außen einen frischen Wind und eine geänderte Kultur erwartet. Bei der Identifizierung von potenziellen Führungskräften gibt es zwei Möglichkeiten. Darf man sich als Mitarbeiter selber vorschlagen oder muss man vorgeschlagen werden? Oft haben Unternehmen Prozesse definiert, bei denen die direkten Vorgesetzten Kandidaten für den ersten Auswahlprozess vorschlagen. Wenn in der Organisationskultur verankert ist, dass eine interne Weiterentwicklung der Mitarbeiter auch für Führungskräfte positiv ist, schafft man damit eine gute Basis: das Image der Führungskraft oder der Abteilung kann damit weiter gestärkt werden. Fatal ist es hingegen, wenn die Nominierung dazu genutzt wird, Mitarbeiter »wegzuloben«, von denen man sich als Führungskraft sonst getrennt hätte. In diesem Fall ist das Personalmanagement besonders gefordert.
Entwicklungsprogramme
»Ein Assessment-Center und eine Potenzialanalyse sind gute Möglichkeiten, in der ersten Phase und den weiteren Entwicklungsschritten künftige Führungskräfte aus dem Pool der vorgeschlagenen Mitarbeiter zu identifizieren,« weiß Martina Schmied, Leiterin Personal und Revision der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Auch diesen Prozess managt das HR-Management und er bildet eine wichtige Basis für die weitere Entwicklung. »Dabei können auch individuelle Entwicklungsschritte aufgezeigt werden, da ein Abgleich zwischen den erwarteten und aktuellen Kompetenzen stattfindet«, ergänzt Schmied. Eine Gefahr ist, dass jetzt der komplette Fokus auf die identifizierten Potenziale gerichtet wird und man die Mitarbeiter außer Acht lässt, die zum aktuellen Zeitpunkt nicht für die Führungskräfteentwicklung in Betracht kommen. Ein sensibler Umgang ist, damit man diese Menschen nicht verliert, sehr wichtig. Die Personalentwicklung hat aber die Chance, dass man sich mit dem Einzelnen sehr intensiv auseinandergesetzt hat und weitere Maßnahmen planen kann.
Seit mehr als 10 Jahren werden alternativ zu Führungskarrieren auch Fachkarrieren in Unternehmen etabliert. Denn nicht jeder Experte ist auch eine gute Führungskraft oder will diese Rolle einnehmen. Fachexperten haben so die Möglichkeit, weiter ihre Expertise einbringen zu können und das zu tun, was ihnen liegt – ohne auch führen zu müssen.

Mitarbeiter zu identifizieren reicht alleine nicht aus. Man muss diese auch in Programmen auf ihre neue Rolle und die damit verbundenen Herausforderungen vorbereiten. Vorbei sind die Zeiten, wo Menschen einfach befördert wurden und sie »Führung« rein als Training on the Job vermittelt bekommen haben. »Individuelle Programme, kombiniert mit standardisierten Elementen stellen eine moderne Führungskräfteentwicklung dar. So bieten wir neben den konzernweiten Führungskräftetrainings auch maßgeschneiderte Ergänzungen mit Coaching und Seminaren an«, führt Barbara Schlosser, Personaldirektorin der Opel Wien GmbH aus. Das Angebot an Führungskräfteschulungen ist sehr groß. Große Unternehmen bieten eigene Akademien an, die auch die unternehmensinternen Regelungen wie Compliance abdecken aber auch Unternehmenskultur vermitteln sollen. Viele dieser Programme werden mit Soft Skills Trainings ergänzt.  Nicht für jedes Unternehmen lohnt sich eine solche interne Akademie: Oft wird die benötigte Teilnehmeranzahl nicht erreicht oder der Austausch über die Unternehmensgrenzen hinweg ist ein wichtiger Aspekt in diesem Entwicklungsprogramm. Hierfür stehen vielfältige Angebote am Weiterbildungsmarkt offen.
»Keine noch so gute Schulung kommt ohne das nötige Engagement der Teilnehmer aus. Führungskräfteentwicklungsprogramme können das Lernen und Wachsen an der eigentlichen Aufgabe aber immer nur unterstützen, nicht jedoch ersetzen«, ergänzt Georg Westphal. Das eigenverantwortliche Einteilen der eigenen Ressourcen durch die künftigen Führungskräfte ist ein Teil der Aufgabe, die sie während dieser ersten und auch in den folgenden Entwicklungsphasen zu bewältigen haben.

Idealerweise kommt ein MBA-Abschluss von einer international renommierten Universität. Dadurch bietet sich in der Führungskräfteentwicklung für die obersten Führungsebenen eine zusätzliche Möglichkeit, sich neben den fachlichen Inputs auch noch auf internationaler Ebene zu vernetzten. Ein solcher MBA bildet das Sahnehäubchen des Managementtrainings.
Je nach Führungsebene sind die angebotenen Programme unterschiedlich intensiv und lange. In vielen Fällen stehen für die weiteren Programmteile zusätzliche Selektionsmechanismen zur Verfügung. Die Gruppe der Potenziale wird kleiner, die Programme aufwendiger. Die ehemaligen Mitarbeiter haben dann bereits (erste) Führungserfahrung und werden weiterhin begleitet. »Wir bieten unseren Führungskräften auf freiwilliger Basis eine Auswahl an Coaches an, die sie individuell buchen können«, nennt Johanna Hummelbrunner ein Beispiel. In internen und externen Trainings werden Kompetenzen für den nächsten Karriereschritt vermittelt. Dies geschieht individuell. Bei internationalen Unternehmen sind im Laufe der Führungskarriere auch internationale Erfahrungen verpflichtend, um weiter in der Karriereleiter hinauf zu steigen. Das Arbeiten in einem ausländischen Konzernunternehmen ist ein wichtiger Bestandteil der weiteren Entwicklung. Die Herausforderung des Personalmanagements ist, dies zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass für diese Führungskräfte nach ihrer Rückkehr wieder eine geeignete Position bereitsteht.
»Im öffentlichen Dienst unterstützen wir unsere angehenden Führungskräfte mit der Verwaltungsakademie, die einen wichtigen Bestandteil der Führungskräftetrainings abdeckt«, ergänzt Andreas Thaller, Generalsekretär im Bildungsministerium.

»Die Führungskräfteentwicklung ist kein 3-Monats-Programm. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der von HR mit der Personalentwicklung begleitet wird«, stellt Barbara Schlosser fest. Deshalb sind unterschiedliche Personalentwicklungstools entstanden, die den laufenden Entwicklungsprozess unterstützen. Neben Potenzialanalysen und Coaching nutzen Unternehmen häufig Mentoring-Programme und 180°/360°-Feedback. Das zeigt, wie wichtig unterschiedliche Rückmeldungen für Führungskräfte sein können.

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Gastautor
Armand Kaáli-Nagy
ist Generalsekretär des Forum ­Personal im ÖPWZ.
www.opwz.com/forum-personal