Angst ist nie ein guter Berater. Besonders in Interviewsituationen führt sie oft zu langweiligen Aussagen. Wie Sie damit umgehen sollten, weiß Georg Wawschinek.
Leider hat es sich im Medientraining in den letzten Jahrzehnten eingetreten, dass vor allem mit Angst gearbeitet wird. Worauf man aufpassen muss, was man keinesfalls tun darf. Nur an der Masse der Interviews geht diese Herangehensweise an der Sache vorbei. Angst ist nie ein guter Ratgeber, wenn es darum geht, überzeugend zu performen. Ein Mix aus 20 % Vorsicht und 80 % begeisternder Story ist besser, als verschüchterte Interviewpartner, die nur noch Worthülsen absondern. Denn aus lauter Angst, etwas Falsches zu sagen, mutieren Interviewpartner zu Zombies, die kein spannendes, begeisterndes Interview mehr hinbekommen. Dass ich mein Ziel mit einem Kunden erreicht habe, weiß ich, wenn er sagt: »Jetzt freue ich mich auf das Interview.« Natürlich ergibt es Sinn, sich im Klaren zu sein, dass erstens alles, was Sie sagen, zitiert werden kann, zweitens alles aus dem Zusammenhang gerissen werden kann (natürlich auch Live-Interviews, diese werden häufiger später auszugsweise zitiert als sie live gesehen werden), drittens ein Interview in letzter Konsequenz kein normales Gespräch ist. Es ist ein Arbeitstermin, aus dem alle zufrieden hervorgehen können.
Sie sind für Ihren Inhalt verantwortlich
Ich habe in nun 25 Jahren zuerst als Journalist und dann als Coach noch nie jemanden erlebt, der mit einem Inhalt zitiert wurde, den er nicht gesagt hat. Was Sie nicht sagen, kann auch nicht zitiert werden. Nie. Never ever. Das klingt doch bestechend einfach, oder? Wir haben das als Kinder schon gelernt: Erst denken – dann reden. Das ergibt im Interview richtig viel Sinn.
Statement-Denke
Sehen Sie ein Interview als das, was es am Ende meist ist: Bestandteile. Ich nenne das Statement-Denke. Was Sie nicht verständlich, bemerkens-wert und am Punkt hinbekommen, das lassen Sie besser sein.
Darf ich – oder muss ich?
Es macht einen enormen Unterschied, ob Sie eingeladen werden, etwas sagen zu »dürfen«, oder ob Sie vorgeladen werden, um etwas sagen zu »müssen«. Experten werden immer eingeladen. Vorladungen gibt es in Krisensituationen. Lassen wir die Kirche im Dorf: Wenn Sie eingeladen sind, sind Sie vor allem eine Servicestation für Journalisten. Wenn Sie verständlich, am Punkt und zielgruppengerecht Antworten geben, dann wird man Sie in Zukunft immer wieder gerne interviewen. Wenn Sie rumquatschen und es viel Arbeit macht, aus Ihrem Interview ein taugliches Medienprodukt zu machen, dann wird das mit den Interviews schnell vorbei sein.
Sagen, was Sie sagen wollen
Um tatsächlich das zu sagen, was Sie sagen wollen, braucht es einen klaren Plan und es braucht Mut. Und vor allem: den Glauben daran, dass es Ihr Recht und sogar Ihre Pflicht ist, Ihre Sichtweise darzulegen. Sonst müsste man Sie nicht interviewen. Wenn Sie immer auf die richtige Frage warten, dann kann es sein, dass Sie lange warten. Jedenfalls länger, als das Interview dauert. Ich behaupte, dass jemand, der einen Gedanken noch nie gedacht hat, der eine Story noch nie gedacht hat, die richtige Frage gar nicht stellen kann. Darum gehe ich einen Schritt weiter: Den neuen, spannenden Gedankengang zu erzählen, auch wenn die Fragen nicht so ganz passen, ist sogar Ihre Pflicht, um für Ihre Sache einzutreten. Wenn Sie immer nur das sagen, von dem jemand meint, es sei das Richtige – dann werden Sie nie etwas Neues in die Welt bringen.
Let it burn
Was also ist die Antithese zum verschreckten Interviewpartner? Jemand, der das vereint, was ich im Begriff Coretelling© zusammengefasst habe: eine klare Botschaft zu haben. Diese über Beispiele, Allegorien zum Leben zu erwecken. Und vor allem eines nie zu vergessen: Die Emotion. Die innere Haltung. Die Begeisterung für dieses Thema (wieder) zu erwecken und zu den Zusehern zu transportieren. Das ist unsere Pflicht. Dafür ist Vorsicht ein guter Mahner – aber Angst ein denkbar schlechter Begleiter.