Das Wichtigste ist eine gute Beziehung zum Kunden. Das hören wir oft. Doch was genau macht eine gute Beziehung im Geschäftsleben aus? Hier gibt es epochale Veränderungen.
Die große Überraschung nahm mit der Wirtschaftskrise ihren Anfang. Ganze Märkte brachen weg. Gleichzeitig gab es im B2B-Bereich auch Verkäufer, die mindestens so erfolgreich waren wie zuvor, zum Teil sogar noch erfolgreicher. So nahmen die Untersuchungen von Matthew Dixon und Brent Adamson von CEB ihren Anfang. Und nach den weltweit anerkannten Sales-Modellen von z. B. Neil Rackham (SPIN-Selling) oder Jeff Thull (Exceptional Selling) etablieren sich neue Erfolgsfaktoren im Verkauf.
Zahllose Sales-Manager aus unterschiedlichsten Branchen und Regionen wurden über ihre Verkäufer befragt, diese wurden in Bezug auf ca. 50 Verhaltensmuster eingeschätzt. Und rein statistisch ergaben sich folgende beobachtbare Typologien.
5 Verhaltenstypologien im Verkauf
Der Beziehungsverkäufer gewinnt in der Organisation des Kunden starke Befürworter, nimmt sich viel Zeit, um anderen zu helfen. Erreichbarkeit, Offenheit und Service sind seine Leitprinzipien, er kommt mit jedem gut aus und hat hohe soziale Kompetenz.
Der Fleißige ist stets bereit, mehr Einsatz zu bringen als erwartet, hat ausgeprägte Prozessmanagementfähigkeiten, hohe Kontaktfrequenz, gibt nicht leicht auf, ist eigenmotiviert und interessiert an Feedback und Weiterentwicklung.
Der Herausforderer vertritt grundsätzlich einen anderen Standpunkt und bringt diesen zum Ausdruck, stimmt seine Verkaufsbotschaften individuell auf den Kunden ab, führt leidenschaftlich gerne Diskussionen und liefert neue Einblicke, versteht es, den Kunden konsequent zu einer Entscheidung zu bewegen.
Der Einzelkämpfer folgt eigenen Instinkten, ist selbstsicher bis äußerst selbstbewusst, schwer beeinflussbar und will stets den eigenen Kopf durchsetzen.
Der Problemlöser kümmert sich zuverlässig um die Anliegen interner und externer Interessengruppen, stellt sicher, dass alle Probleme gelöst werden, verfolgt eine detailorientierte Arbeitsmethodik und konzentriert sich voll und ganz auf seinen aktuellen Kunden.
Die spannende Erkenntnis aus dem Hause CEB besteht darin, dass unter den oben beschriebenen »Beziehungsverkäufern« anteilsmäßig die wenigsten Top-Seller vertreten sind, und die »Herausforderer« deutlich führen. Warum kann das so sein? Ist Beziehung nichts mehr wert?
Der veränderte Business-Kontext macht die Sache begreiflich. Entscheider sind seit der großen Krise einfach unter noch größerem Druck. Die Anzahl der zu bewältigenden Tasks und deren Tragweite steigen. Gleichzeitig ist unter engeren Rahmenbedingungen tendenziell größere Verunsicherung spürbar. Hier ist für lange einfühlsame Gespräche einfach kein Platz. Hier ist auch keine Zeit für lang und breit zelebrierte Höflichkeiten. Hier gilt es einfach, rascher einen Mehrwert zu erzeugen und möglichen Kunden die Sicherheit zu geben, jetzt zu wesentlichen Fragen in guten Händen zu sein.
Spielt Beziehung keine Rolle mehr?
Das Gegenteil ist der Fall. Beziehung ist jetzt allerdings auf dem nächsten Level gefragt. Weniger Oberflächlichkeit, sondern mehr Tiefe und Bedeutung. Keine falsche Rücksicht, sondern der Mut, auch Unangenehmes ehrlich und klar zu kommunizieren. Nicht die Bequemlichkeit, nur bekannte Themen anzusprechen, sondern auch die Fähigkeit und der Wille, neue Perspektiven zu eröffnen. Weniger der Wunsch nach Harmonie, sondern das Bestreben, den anderen vorwärts zu bringen – auch wenn es erst einmal verstören oder gar schmerzen mag.
Um den Kundenkontakt rasch wertvoll zu machen, bekommt bereits die Vorbereitung eine ganz andere Bedeutung. Während früher im Gespräch ausreichend Zeit war, durch Fragen herauszuarbeiten, welche Probleme zu lösen sind, gilt es nun, mit mehr Expertise für die Kundenbranche auf Problembereiche aufmerksam zu machen, zu denen kundenseitig noch kaum Bewusstsein herrscht und so Betroffenheit zu erzeugen. Und dieses mehr an Expertise muss einmal aufgebaut werden.
Verkaufstechnik als Schlüssel?
Die klare Beraterantwort lautet hier wiederum: JEIN. Gerade die zielorientierte Gesprächsführung im Verkauf wird massiv durch Techniken gestützt.
Natürlich spielt auch der behutsame Umgang mit Sprache eine Rolle, das Vermeiden von Weichmachern an der falschen Stelle, die Adaption auf die Sprache des Kunden und vielleicht sogar auch bewusst eingesetzte Körpersprache. Vielleicht ist es auch die Fähigkeit, die Verhaltenstendenz (Typologie) des Gegenübers einzuschätzen und sich entsprechend darauf einzustellen. CEB geht jedenfalls davon aus, dass es vor allem erlernbare Techniken und Verhaltensweisen wären, mit denen Spitzenverkäufer »erzeugt« werden könnten. Speziell in der europäischen Kultur herrscht allerdings eine höhere Sensibilität in Bezug auf Haltung. Und das ist gut so. Wo Verhaltensweisen beobachtet werden, die nicht kongruent mit der Einstellung sind, entsteht Misstrauen. Und das ist auch gut so. Und je mehr im Verkauf gefordert wird, desto höher sind auch die Anforderungen an die Persönlichkeit. Und hier braucht es in immer höherem Ausmaß Menschen mit solidem und gesundem Selbstvertrauen, Verkäufer mit Führungsqualitäten, Flexibilität, Initiativkraft, Klarheit, Verantwortlichkeit und natürlich auch Empathie. Während allerdings manchmal Verkäufer einfach deswegen vorerst empathisch erscheinen, weil sie einfach konfliktscheu sind und daher lieb und nett sein müssen (in Ermangelung einer Alternative), hat Empathie heute ein anderes Gesicht. Beziehung 2.0 heißt Begegnung auf Augenhöhe, also Stärke gepaart mit Respekt.
Persönlichkeit gewinnt
Bei der Entwicklung von Sales-Teams wird daher sowohl im Recruiting als auch im Training der Fokus wieder stärker auf Haltung und Persönlichkeit gerichtet sein müssen. Nur dann werden Techniken und Verhaltensweisen (die natürlich ebenfalls zu trainieren sind) auf fruchtbaren Boden fallen und Wirksamkeit entfalten können.