Der Zukunftsforscher Franz Kühmayer hält am WIFI Trainingskongress im Mai eine spannende Keynote. TRAiNiNG hat ihn vorab zu seinem Thema befragt.
Wie wird die Digitalisierung die Weiterbildung verändern?
Der Einfluss des digitalen Wandels auf die Bildung findet auf drei Ebenen statt:
Erstens, ganz operativ. Die Beschränkung der Teilnehmerzahlen hat im Präsenzunterricht bislang ganz praktische Gründe. Die Digitalisierung sprengt diese Grenzen nicht nur, sie kehrt sie sogar ins Gegenteil. Paradoxerweise gelingt der personalisierte Unterricht der Zukunft genau dann besonders gut, wenn sich aufgrund massiver Teilnehmerzahlen Skaleneffekte in der Analyse der Lernelemente ergeben – Stichwort Big Data. Eine zielführende, strukturierte Nutzung von Bildungsdaten kann eine rapide qualitative Verbesserung in didaktischen Fragestellungen bieten. Allerdings nur, wenn die Stichprobengröße ausreichend groß ist, es also eine große Zahl an Lernenden gibt.
Zweitens, Künstliche Intelligenz (KI) verschiebt die Schwerpunkte. Bildung hat den Menschen bisher davor geschützt, durch Maschinen in die Obsoleszenz getrieben zu werden. Die aktuelle digitale Revolution ist anders. Die Steigerung kognitiver Fähigkeiten alleine hilft nicht mehr, das Rennen gegen Algorithmen zu gewinnen. Ich empfinde das als erlösende Botschaft: Die Digitalisierung treibt uns näher dorthin, wo unsere eigentlichen Stärken liegen. Der Mensch ist ein soziales und kreatives Wesen, und genau diese beiden Eigenschaften werden durch Digitalisierung betont. Damit das gelingt, müssen wir allerdings von der fachlichen Ausbildung wieder zur humanistischen Bildung kommen.
Drittens hat Bildung nicht nur einen betriebswirtschaftlichen, sondern auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Bildung ist in der Lage, unterschiedliche Startvoraussetzungen auszugleichen und so soziale Durchlässigkeit zu fördern. Das spricht gegen hoch spezialisierte innerbetriebliche Ausbildungswege und für das Durchbrechen von Abteilungs-, Hierarchie- und auch Unternehmens-Silos. Und es spricht gegen die Vereinzelung über Online-Learning-Apps, und für soziales Lernen in der Gruppe. In jedem Fall gilt: Digitalisierung führt dazu, dass wir Schulungs- und Trainingspläne sehr kritisch auf den Prüfstand stellen müssen.
Sie sagen, Herzblut ist der Schlüssel für gelingende Weiterbildung. Was meinen Sie genau damit?
Die entscheidenden Fragen der Digitalisierung darf man nicht der Technik und den Informatikern überlassen. Wem Daten gehören und wie damit umgegangen wird, wie eine Gesellschaft aussieht, in der sich der Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Wohlstand auflöst, ob das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort ausreichen wird, wo wir uns den Einsatz von Robotern vorstellen wollen und wo nicht – das sind Themen, die einen sehr verantwortungsbewussten Zugang zum Thema digitale Zukunft erfordern. Dafür brauchen wir einen breiten politischen und zivilgesellschaftlichen Dialog, der von ethischen und humanistischen Maßstäben geprägt ist. Dafür braucht es Menschen, die sich mit Herzblut einbringen wollen.
Was müssen Trainer tun, um sich gegen den (digitalen) Wettbewerb durchzusetzen?
Wenn die Maschinen immer bessere Maschinen werden, dann müssen wir Menschen immer bessere Menschen werden. Das gilt für den Einzelnen, aber noch viel mehr für jene, die als Multiplikator wirken, also für Trainer. Künftig werden herausragendes fachliches Wissen und tolle methodische Kompetenz nicht mehr ausreichen. Wir brauchen umfassend gefestigte, neugierige, verantwortungsbewusste, reflektierte Persönlichkeiten.