Chef, ich brauche mehr Geld!

Wie Arbeitgeber derzeit am besten auf die steigenden Anfragen nach mehr Gehalt reagieren sollten.

Viele Unternehmer stecken zurzeit in folgendem Dilemma: Sie wissen, dass sie eigentlich all ihren Mitarbeitern eine satte Lohnerhöhung gewähren müssten, um deren inflationsbedingten Kaufkraftverlust auszugleichen, doch betriebswirtschaftlich können sie sich dies nicht leisten. Zum Beispiel, weil die Erträge ihres Unternehmens bereits im Keller sind oder sie befürchten: Dies wird aufgrund der sich abzeichnenden Rezession bald geschehen.

Mitarbeiter spüren ihren Kaufkraftverlust täglich

Ihre Mitarbeiter spüren jedoch seit Monaten die Preissteigerungen beim Einkauf, und ihre Gas- und Stromrechnungen dokumentieren sie. Deshalb werden sie häufiger bei ihren Arbeitgebern mit der Forderung vorstellig: »Chef, ich will und brauche mehr Geld.« Und nicht selten untermauern sie diese mit dem Angebot eines anderen Arbeitgebers. Denn weil sie Tag für Tag spüren, wie ihre Kaufkraft schrumpft, schauen sie sich häufiger nach Job-Alternativen um – teils, weil sie real einen Arbeitgeberwechsel erwägen, meist jedoch um auszuloten, wie viel ihre Arbeitskraft anderen Arbeitgebern wert ist, um gegenüber ihrem aktuellen eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Oft erhalten sie dann, weil gute Fachkräfte rar sind, sehr schnell ein zumindest finanziell attraktives Stellenangebot und mit ihm konfrontieren sie ihren Arbeitgeber.

Wenn es um die Frage geht, wie Personalverantwortliche auf solche Forderungen von Mitarbeitern reagieren sollten, gilt es zwischen folgenden Unternehmen zu unterscheiden:

  • Unternehmen, die höhere Personalkosten relativ problemlos an ihre Kunden weitergeben können, wie aktuell zum Beispiel die meisten Handwerksbetriebe und
  • solche, die dies nicht oder nur sehr schwer tun können – zum Beispiel auch, weil sie an das Tarifsystem für den öffentlichen Dienst gebunden sind.

Verständnis für das Anliegen der Mitarbeiter zeigen

Keinesfalls sollten Unternehmer auf einen entsprechenden Vorstoß eines Mitarbeiters jedoch mit einer Aussage reagieren wie: »Sie wollen mich erpressen« – gerade in der aktuellen Situation nicht, in der viele Arbeitnehmer extrem verunsichert sind und oft wissen: Mein Arbeitgeber erhöht auch seine Preise, weil seine Kosten gestiegen sind.

Unternehmer sollten aktuell vielmehr, wenn Mitarbeiter eine »Gehaltsanpassung« wünschen, hierfür zumindest Verständnis zeigen. Ansonsten ist ein Konflikt, der zu einem Bruch der Beziehung führt, vorprogrammiert. Inwieweit sie dann die gewünschte Anpassung vollziehen, ist eine andere Sache.
Unternehmen sollten Mitarbeitern, die sie nicht verlieren möchten, zudem das Gefühl vermitteln, dass sie sich ernsthaft darum bemühen, ihren Wunsch nach einer Gehaltserhöhung »soweit möglich« zu erfüllen. Denn hinter der Forderung nach mehr Gehalt steckt zwar oft auch der Wunsch nach mehr Anerkennung, doch aktuell haben nicht wenige Arbeitnehmer, die nicht zu den Top-Verdienern zählen, entweder bereits finanzielle Probleme oder sie sehen diese auf sich zukommen, wenn die Lebenshaltungskosten weiter steigen.

Einen tragfähigen Kompromiss ­erarbeiten

Doch wie soll ein Arbeitgeber nun konkret reagieren, wenn wichtige Mitarbeiter bei ihm beispielsweise mit der Bitte nach 500,– Euro mehr Gehalt im Monat vorstellig werden, die er nicht bezahlen kann oder möchte? Dann sollte er zunächst einmal nicht panisch reagieren, selbst wenn ein Konkurrenzangebot vorliegt, denn: Die Tatsache, dass die Arbeitnehmer das Gespräch mit ihm suchen, zeigt, dass sie sich noch nicht entschieden haben und zumindest zwei Seelen in ihrer Brust miteinander kämpfen.
Deshalb sollte er den Mitarbeitern zunächst einmal das Gefühl vermitteln: »Ich verstehe Ihr Anliegen und nehme es ernst.« Zum Beispiel mit Worten wie: »Dass Sie ein höheres Gehalt wünschen, überrascht mich nicht. Auch ich spüre – beruflich und privat – wie stark die Preise seit Monaten steigen.« Danach sollte er zum Beispiel sagen: »Ich würde Sie extrem ungern als Mitarbeiter verlieren, da wir nun schon fünf Jahre sehr gut zusammenarbeiten und ich Sie auch als Mensch schätze.« Dann sollte er abwarten, was die Mitarbeiter sagen.

Angenommen diese erwidern: »Auch ich arbeite gerne für Ihr Unternehmen, doch ich muss auch schauen, wie ich meine Familie ernähre – und das fällt mir zunehmend schwer.« Eine solche Aussage signalisiert Gesprächsbereitschaft – und sei es nur, weil auch die Mitarbeiter wissen, dass mit jedem Arbeitgeberwechsel Risiken verbunden sind. Hinzu kommen nicht selten handfeste Nachteile wie längere Fahrzeiten oder ein nötiger Umzug, der ebenfalls Geld kostet. Deshalb lässt sich meist ein für beide Seiten noch tragfähiger Kompromiss finden.
Dieser kann wie folgt aussehen: Das Unternehmen gewährt Mitarbeitern statt der 500,– Euro Gehaltserhöhung 250,– Euro/Monat – unter der Prämisse, dass Zusatzaufgaben übernommen werden. Diese Bedingung zu formulieren, ist oft nötig, um das Gehaltsgefüge nicht zu sprengen oder bei der Entlohnung nicht – offensichtlich – willkürlich zu agieren.

Um einen zeitlichen Aufschub bitten

Angenommen nun, das Unternehmen kann real kein höheres Gehalt bezahlen oder seine Inhaber befürchten: Dann bekommen wir wegen der höheren Fixkosten massive Probleme. Dann kann der Arbeitgeber zum Mitarbeiter auch sagen: »Ich würde Ihnen gern mehr Geld bezahlen, das geht aber zurzeit nicht – auch weil noch unsicher ist, welche Unterstützung der Staat Betrieben wie uns gewährt. Können wir uns eventuell in ein, zwei Monaten nochmals zusammensetzen und darüber sprechen, wie es weitergeht?«
Dann besteht zumindest die Chance, dass die Arbeitnehmer, sofern sie sich mit dem Unternehmen emotional verbunden fühlen, ihm diese Frist gewähren. Tun sie dies nicht, dann hat der Arbeitgeber die (mögliche) Trennung als den normalen Lauf der Dinge zu akzeptieren. Schließlich trennt auch er sich zuweilen von Mitarbeitern und Lieferanten, wenn aus seiner Warte das Preis/Leistungs-Verhältnis nicht mehr stimmt.

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kraus

Gastautor
Georg Kraus
ist ­geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Kraus & Partner.
www.kraus-und-partner.de