Coaching im Online-Setting

Online-Coaching bedarf anderer Voraussetzungen und eines neuen Know-hows für Coaches. Welche Aspekte hier besonders relevant sind, lesen Sie in diesem Artikel.

Während im deutschsprachigen Raum die psychosoziale und psychologische Beratung auch online angeboten wird und im anglo-amerikanischen Raum Online-Coachings seit gut Mitte der 90er-Jahre praktiziert werden, kämpft die deutschsprachige Coaching-Community teilweise noch mit dessen Akzeptanz. Eine erste Recherche bei etablierten Coaches und Ausbildungsanbietern im deutschsprachigen Raum zeigt, dass die Pandemie ebenso in diesem Bereich als Beschleuniger gewirkt hat: Zahlreiche Coaches haben Online-Coachings in ihre Dienstleistungspalette aufgenommen, und etablierte Coaching-Ausbildungsprogramme können online absolviert werden. Trotzdem sind v. a. Coachees gegenüber Online-Coachings nach wie vor eher skeptisch: Es bleibt interessant zu beobachten, wie sich dieser Trend in Post-Pandemie-Zeiten entwickeln wird. Im Rahmen des Masterstudiums »Organisations- und Personalentwicklung« an der FHWien der WKW wird eine zweijährige Coaching-Ausbildung angeboten. Hier wurde die letzten 4 Semester überwiegend im virtuellen Raum gelehrt und den Studenten auf diesem Wege auch ein Set an »Online-Kompetenzen« vermittelt. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung gehen wir der Frage nach, welche Fähigkeiten – neben den etablierten Coachingkompetenzen, wie der Entwicklung einer Coaching-Haltung, der Anwendung von etablierten Coaching-Prozessen, -Techniken und -Tools etc. – bei angehenden Coaches entwickelt werden sollten.

Sechs zentrale Aspekte

Nachfolgend skizzieren wir sechs zentrale Aspekte, die in Coaching-Ausbildungen Berücksichtigung finden sollten.

1. Eigene Profilentwicklung sowohl Präsenz als auch online
Der virtuelle Raum eröffnet einen neuen Lernraum, in dem sich Coach und Klient einfinden und unterstützt fühlen sollten. Das Internet gibt nun die Möglichkeit, bereits viel früher als z. B. beim Eintreten in eine Coaching-Praxis, einen Eindruck vom Coach zu erhalten. Coaches sind insofern angehalten, sich zu präsentieren, Coachinghaltung zu »visualisieren«, sich ethisch haltbar zu vermarkten und dabei Vertrauen aufzubauen. Dazu gibt es eine wachsende Anzahl an Möglichkeiten: Neben Plattformen, auf denen sich Coaches präsentieren können (z. B. www.coaching.cc), gibt es Coachingplattformen, die Coaches und Coachees zueinander führen (z. B. www.bettercoach.io) bis hin zu Anbietern, die mit künstlicher Intelligenz und ganz ohne »echte« Coaches auskommen (z. B. www.pocketconfidant.com). Diese Bandbreite an Optionen zeigt gleichzeitig auch das Bild an Wettbewerbern, mit welchem sich insbesondere junge Coaches auseinandersetzen müssen. Die Arbeit am eigenen Profil – sowohl Präsenz als auch online – ist demnach ein nicht zu vernachlässigender Aspekt für angehende Coaches.

2. Kenntnisse über rechtliche Grundlagen und Anforderungen
Vertraulichkeit ist einer der Grundpfeiler professionellen Coachings. Die Online-Präsenz führt zusätzliche Erfordernisse ins Feld. So bedarf jede Online-Präsenz von selbstständigen Coaches einer Datenschutzerklärung gemäß der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679). Coaches sind angehalten, Wissen über den Inhalt und die Umsetzung dieser Verordnung zu kennen. Dies gilt in Bezug auf die eigene Web-Präsenz, aber auch die Verwendung von Chat-, und Meetingsoftware-Anbietern, der Nutzung von Social Media-Kanälen, Coachingplattformen sowie der Verwendung von Cookies und diversen Datenanalyse-Tools. Wichtig ist in allen Fällen, dem Klienten sowohl Entscheidungsfreiheit als auch Widerspruchsmöglichkeit zu gewähren. Diese rechtlichen Grundlagen sollten in die Curricula von Coachingausbildungen (künftig) einfließen.

3. Medien- und Methodenkompetenz
Ein Coach bietet dem Coachee einen möglichst offenen Lernraum. Hierfür ist eine souveräne didaktische Medien- und Methodenkompetenz notwendig. Je nachdem, ob eine Plattform verwendet wird, Online-Meeting-Räume oder eigens konzipierte Online-Tools (z. B. www.online-systembrett.com für Aufstellungsarbeiten), die Coaches sind angehalten, sicher im Umgang mit der jeweiligen Anwendung, deren Anleitung und möglichen technischen Problemen zu sein. Darüber hinaus fällt unter Medienkompetenz die Buchung von Online-Terminen inklusive zugehöriger Zahlungsabwicklung bis zur Bereitstellung von individualisierten virtuellen Coachingräumen oder auch Chat-Möglichkeiten. Zur Kompetenzentwicklung mit den angehenden Coaches ist hier ebenso die Anwendung dieser Tools zentral, sowie eine intensive Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen durch deren Einsatz in Einzel- und Teamcoachings.

4. Prozesskompetenz und Rahmenklarheit
Online-Coachings erfordern beidseitige Klarheit und Zustimmung über die Spezifika des gesamten Prozesses: Welche Tools werden wann und wofür eingesetzt und wie und wann ist das Coach1 für das Coachee im virtuellen Raum, auf der Plattform oder über eine App erreichbar? In welchem Zeitabstand kann ein Coachee mit einer Antwort des Coaches rechnen? Möchte ein Coach rund um die Uhr erreichbar sein? Wo ist hier eine gute Grenzziehung möglich? Diese zentralen Fragen sind im Vorfeld auf beiden Seiten zu klären und klar zu kommunizieren. Hier scheinen sich auch Änderungen in der Gestaltung von Coaching-Prozessen abzuzeichnen. Statt der bisher eher üblichen Coaching-Sitzungen in vereinbarten Abständen und vereinbarten Längen, sind hier Coachings in Kombination mit Chatkommunikation zwischen den Sitzungen oder auch Adhoc-Interventionen möglich. In den Ausbildungsprogrammen gewinnen somit die Diskussion von Möglichkeiten und Grenzen in der Gestaltung des Prozesses sowie die zugehörige Auftragsklärung an Bedeutung.

5. Resonanz auf Distanz aufbauen
Mittlerweile wurde durch Studien belegt, dass die Beziehungsqualität zwischen Coach und Coachee auch im virtuellen Coaching erreicht werden kann. Im Rahmen der Ausbildung kann hier z. B. geübt werden, alle Wahrnehmungskanäle (z. B. VAKOG) auditiv wahrzunehmen und in der Sprache mit dem Coachee entsprechend zu nutzen. Körpersprachliche Signale werden dabei nicht ignoriert, sondern verbalisiert und beschrieben. Übung bedarf es, um auch im Online-Setting Langsamkeit und Stille – die heilige Zeit des Coachees – auszuhalten. Zudem relevant ist das Erlernen des schreibenden Beratens und Coachens. Coaching-Interventionen sind in der Regel Auslöser, gewünscht, angestrebt von den Coachees, können aber auch zu unerwarteten Momenten führen, in denen ein Coachee im Online-Kontext räumlich auf sich allein gestellt ist. Wie kann ein Coachee hier trotz örtlicher Trennung gut begleitet werden? Der Umgang mit Krisensituationen im Online-Coaching ist hier eine weitere wichtige Fähigkeit.

6. Umgang mit Risiken im Online-Coaching
Was, wenn Online-Coaching nicht wie gewünscht wirkt, Coachings abgebrochen werden, Coachees sich nicht rückmelden, Online-Interventionen Folgen auslösen, mit denen evtl. nicht gerechnet wurde? Zum einen ist hier wichtig zu lernen, wie ein Coach mit sich selbst in solchen Momenten umgeht. Zum anderen ist es gerade im Online-Kontext einmal mehr wichtig, die Unterscheidung zwischen Therapie und Coaching zu verinnerlichen. Rahmenbedingungen, wie z. B. häufiges Home-Office, können vermehrt eine Mixtur von privaten und beruflichen Lebensthemen in das Business-Coaching bringen. Auch auf diese Spezifika sollten angehende Coaches vorbereitet werden.

Fazit
Erste Studien zeigen einen weiteren Trendverlauf zum »Blended Coaching«, d. h. ein Mix aus Präsenz- und Online-Coachings. Ausbildungsinstitutionen und Coaches bietet sich hier die Chance, das Feld in den nächsten Jahren proaktiv mitzugestalten. Viele hierfür erforderliche Fähigkeiten sind nicht ganz neu, bieten ­jedoch zahlreiche neue Ent­wicklungs­möglich­keiten – gerade für junge Coaches. Coachingausbildungsprogramme sind hier demnach einmal mehr gefordert, etablierte Kompetenzen mit neueren in Einklang zu bringen.

Quellen

  • Deplazes, S.; Künzli, H. (2020). Kompetenzentwicklung für Online-Coaching. In: Coaching im digitalen Wandel (pp.30-39)
  • Eichenberg, C.; Küsel, C. (2016). Zur Wirksamkeit von Online-Beratung und Online-Psychotherapie. E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychotherapie, Supervision und Beratung
  • Reindl, R. (2009). Onlineberatung – zur digitalen Ausdifferenzierung von Beratung. Journal für Psychologie, Jg. 17(2009), Ausgabe 1
  • Schermuly, C.C.; Graßmann. C.; Ackermann, S.; Wegener, R. (2021). The future of workplace coaching – an explorative Delphi study. Coaching: An International Journal of Theory, Research and Practice

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Gastautor
Steffi Bärmann
Academic Expert &
Lecturer.
www.fh-wien.ac.at

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Gastautor
Christina Schweiger
Head of Study Programs an der FHWien der WKW.
www.fh-wien.ac.at