Coaching-Session mit dem Roboter?

Wie weit lässt sich heute schon Künstliche Intelligenz im Coaching anwenden? Was sind die Vorteile, was die Grenzen? Und was kommt in Zukunft?

Informatiker und Kognitionsforscher testen und diskutieren bereits seit den 1950ern darüber, ob Künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial hat, menschliche Gedanken und Handlungsweisen zu verstehen, also ähnliche kognitive Leistungen zu erbringen wie der Mensch, oder ob KI nur dazu geeignet ist, diese zu simulieren. Derzeit versucht Künstliche Intelligenz aufgrund der Analyse von Daten, Entscheidungsstrukturen des Menschen nachzubilden, welche dann durch den Einsatz von Algorithmen simuliert bzw. nachgeahmt werden können.

Diese Algorithmen sind mittlerweile keine einfachen Programme mehr, sondern können aus »Erfahrung lernen« (sog. Machine Learning). Dadurch sind zuvor erwähnte Entscheidungsstrukturen nachvollziehbar, Verhalten kann vorausgesagt und Muster können erkannt werden. Spezielle Programme modellieren bereits das menschliche Gehirn und neuronale Prozesse (sog. Deep Learning). Dadurch können Sprache und Gesichtszüge analysiert sowie Emotionen erfasst werden. Siri, Cortana, Chatbots oder die Google Bildsuche sind bekannte Beispiele für diese Funktion. Des weiteren können Augenmuster analysiert und aufgrund dessen Wahrnehmungs- und Lernpräferenzen erkannt, und letztendlich allenfalls auch Persönlichkeitsmuster identifiziert werden.
KI ist nicht emotional wertend, insofern arbeitet es in dieser Hinsicht unberührt analysierend. Im Vergleich zum Menschen kann KI mehr Informationen schneller verarbeiten und ist bei repetitiven Handlungen sehr akkurat und fehlerresistent.

Der Einsatz von KI für Coachees und Coaches

Für den Einsatz im Coaching bergen die benannten Fähigkeiten einigen Nutzen. Der Einsatz von KI im Coaching kann als ein Teilbereich des Online-Coaching betrachtet werden. Die Wirksamkeit des Einsatzes von Online-Coaching oder Blended-Coaching bzw. -Therapie ist bereits mehrfach belegt. Insbesondere dem Blended Coaching, also einer Anreicherung von Face-to-Face-Coaching mit digitalen Elementen, wird höhere Effektivität und Nachhaltigkeit zugesprochen.

Ein Beispiel für den Einsatz von KI im Coaching sind Coaching-Apps, die u. a. den Lerntransfer fördern. Entsprechend der vorgegebenen Themen sammeln und analysieren die Applikationen Daten über den Lernenden, können entsprechend Fragen stellen, Anleitungen oder Erinnerung geben, ggf. feststellen, wo noch Entwicklungsbedarf besteht.
Ein weiteres Einsatzgebiet sind Chatbots, ebenfalls mit dem Hintergrund der Lerntransferförderung. Chatbots können Coachees dazu einladen, innezuhalten und zu reflektieren, sie können ebenfalls dabei helfen, nächste Schritte zu erarbeiten und entsprechendes Verhalten zu trainieren. Ähnlich wie bei Coaching-Apps sind Schritte nachvollziehbar und messbar, was zur Motivation des Coachees beitragen kann.
Beispiele für den Einsatz von KI in Beratungsgesprächen kommen derzeit aus der Militärbegleitung. Hier werden mit Hilfe von Avataren therapeutische Vorgespräche geführt, welche entsprechend analysiert und in die weitere Begleitung des Klienten eingebunden werden.

Vorteile des Einsatzes
Coaching mit Hilfe von KI bietet den Coachees Anonymität und damit eine gewisse Niederschwelligkeit, tiefer gehende Themen offen und direkt anzusprechen. Des Weiteren besteht zeitliche Flexibilität, geografische Unabhängigkeit und auch eine rasche Verfügbarkeit der Beratungsleistung. Auf Seiten des Coaches kann sich als vorteilhaft erweisen, dass evtl. gegebene eigene Themen und Muster nicht in die Beratung einfließen.

Grenzen des Einsatzes
KI kann zwar die Gefühle erkennen und verarbeiten und aufgrund dessen gleich noch Entscheidungen treffen, sie kann diese Gefühle jedoch nicht fühlen. Sie kann diese Gefühle auch nicht auf verschiedene Kontexte übertragen und zum Beispiel Wertekonflikte lösen. Künstliche Intelligenz kann zwar Wissen sammeln, kann aber nicht verstehen, wie sie selbst lernt. KI ist auch nicht in der Lage, Insights zu haben, also ein (plötzliches) tiefes, klares Verstehen einer komplexen Situation. Künstliche Intelligenz kann keine gezielte Resonanz zu einem Menschen aufbauen, Wahrnehmungen spiegeln, ggf. Übertragungen und Gegenübertragungen sichtbar machen und nutzen oder Sinn ergründen. KI kann nicht emotional und energetisch unterstützen. Hier bedarf es menschlicher Kommunikation und Gegenseitigkeit. Eine weitere Grenze ist manchmal auch das Erleben von KI als unterstützend und hilfreich. Ist dies auf Seiten des Coaches oder Coachees nicht der Fall, ist von einem Einsatz abzusehen.

Zukunftsideen

Zukünftig kann der Einsatz von KI ausgebaut und vermehrt auch mit VR-Applikationen angereichert werden. Damit werden Gamification-Effekte erzielt, die die Motivation der Coachees steigern könnten. Um zu lernen, braucht KI viele Informationen von hoher Qualität. Kann diese geliefert werden, können Fragestellungen verbessert und angepasst an persönliche Lernpräferenzen und Situationen kreiert werden.
In der Coaching Forschung ist es traditionell eher schwierig, Zustimmung zur Verarbeitung von Daten für Forschungsvorhaben zu erhalten. Die durch KI entstehende Anonymität in der Anwendung bestimmter Applikationen könnte hier zu einem Wandel und mehr Offenheit führen und damit auch den Weg für eine intensivere Erforschung von Coaching ebnen. Auf der anderen Seite besteht genau hier auch eine ethische Grenze und (datenschutzrechtliche) Verpflichtung auf Seiten der Anwender.

Letztendlich bedarf es eines Kompetenzerwerbes bzgl. der Anwendung von KI und einer Bewusstseinsveränderung für die eigenen Stärken als Coach und als Mensch. In diesen Aspekten können Coaches zukünftig eine verstärkte Rolle in der Unterstützung von Führungskräften im Umgang mit Technologien und in weiterer Folge mit zwischenmenschlichen Herausforderungen zwischen Mensch-Roboter-Teams spielen. Grundsätzlich hat Coaching durch KI das Potenzial, sich weg von einem Instrument der Führungskräfteentwicklung hin zu einem Instrument zur Unterstützung jedes Menschen zu entwickeln.
Beispiele zum Einsatz von KI im Coaching:
Coaching-Apps im deutschsprachigen Raum: www.coaching-tools.de/apps.html
»Coach M« als Chatbot: www.turninglearningintoaction.com
SimCoach, Avatare in der Militärbegleitung: http://bit.ly/2kCUC7x
3D/VR-Animationen im Coaching: www.tricat.net/tricat-spaces und www.cospaces.io/edu
Ausbildungsplattformen zum Online/Virtuellen-Coach im deutschsprachigen Raum: cai-world.com und virtuelles-coaching.com

Quellen und Literaturempfehlungen:
Clutterbuck, D. (2018): Will Artificial Intelligence replace coaches and mentors? Vortrag: Coaching meets Research 2018, Olten FH Nordwestschweiz
Jones, R. J., Woods, S. A., & Guillaume, Y. R. F. (2016). The effectiveness of workplace coaching: a metaanalysis of learning and performance outcomes from coaching. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 89(2), 249 – 277
Rippel, J., Liederer, C., Klusmann, M. (2019): Künstliche Intelligenz und Intuition – (k)ein Widerspruch? In: wissensmanagement 01/19,
Weber, E. (2018): Creating Advanced Learning Transfer with AI Coaching Chatbots. In: Training & Development, www.aitd.com.au, 12/18, S. 9 – 12

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Gastautorin
Steffi Bärmann
Academic ­Coordinator Human Resources Development, Training & Coaching, Department of Management, Human Resources & Organisation Study Programs,
FHWien der WKW.

steffi.baermann@fh-wien.ac.at