Purpose – Pur oder Pose?
Rund 180 Teilnehmer waren dieses Jahr beim bereits dritten Corporate Culture Jam in Wien dabei.
Ende Mai kamen wieder zahlreiche Experten zusammen, um gemeinsam zu jammen – und um gemeinsam zu lernen, sich auszutauschen und von Experten inspirieren zu lassen. All das war beim Corporate Culture Jam in der Ankerbrotfabrik in Wien möglich. Das Motto diesmal: »Purpose – Pur oder Pose?«
Nach eröffnenden Worten von Karin Krobath (identifire und wortwelt), Michelle Baumann und Helmut Blocher (SUCCUS Wirtschaftsforen) und Alexandra Wattie (M.O.O.CON) betrat die Kabarettistin und Schauspielerin Nadja Maleh die Bühne, um einen humorvollen Blick auf die Themen der Konferenz zu werfen. Mit ihrem Appell »Machen Sie anderen nix nach und sich selbst nix vor« sorgt sie für nachdenkliche und lachende Teilnehmer gleichermaßen.
In der ersten inhaltlichen Keynote berichtet Walter Kreisel (Co-Founder & Geschäftsführer W & KREISEL) darüber, warum es Sinn ergibt, die Welt zu elektrifizieren. Im Detail zeigt er dabei eine nachhaltige Unternehmensstrategie auf, mit der sowohl Kunden als auch Mitarbeiter transformiert werden können. Dabei spielen vor allem auch die Führungskraft und die Art der Führung eine große Rolle.
Gleich im Anschluss sinniert Hanno Burmester (Unlearn Consulting & Development) darüber, ob die Frage nach dem »Purpose« auch eine »spirituelle« ist: Warum sind wir auf der Welt? Welchen Beitrag leistet unser Unternehmen für die Gesellschaft? Er stellt dabei Parallelen zu dem japanischen Begriff »Ikigai« her, der den Lebenssinn bzw. wofür es sich zu leben lohnt, ausdrückt. Inhalte für einen gesellschaftsrelevanten Purpose liefern zum Beispiel die »12 Megatrends« des Zukunftsinstituts oder die siebzehn »Sustainable Goals« der UNO.
In den anschließenden Vorträgen können die Teilnehmer aus mehreren Themen wählen. Im Vortrag »Cultural fit entscheidet den Wettbewerb« erzählt Kristina Knezevic (Country Managerin bei Xing) über die unglaubliche Bedeutung von Arbeitgebermarken, und warum 90 % aller Unternehmen Probleme haben, Stellen zu besetzen. »Mitarbeiter und Unternehmen müssen zueinander passen«, ist die Kernaussage des Workshops. In einem anderen Workshop erfahren die Teilnehmer, wie der Babyartikelhersteller MAM seine Innovationsprozesse und -räume neu denkt.
Nach einer Pause treffen sich alle Teilnehmer wieder im Plenum, um der Keynote von Katerina Matheis (Transfomation Manager bei Merck) zu folgen. Sie spricht über Arbeitsplatzgestaltung im Sinne von »New Work« und erläutert, dass dieses Thema häufig überschätzt wird. Bei »New Work« geht es vielmehr um die Einstellung und gemeinsame Werte. Die Arbeitsplatzgestaltung kann das maximal unterstützen. »›New Work‹ darf und soll niemals zum Selbstzweck werden!«, warnt die Referentin. »Es geht immer noch darum, Geld zu verdienen!«
Nach einer weiteren Runde mit Workshops, in der unter anderem über die 5 Disziplinen der Purpose Driven Organisation diskutiert wird, folgen die letzten beiden Keynotes des ersten Tages: Sascha Muckenhaupt und Boris Brabatsch von Sodexo sprechen über die Zauberformel für motivierte und produktivere Mitarbeiter. Claudia Winkler (Co-Founderin good mobile) spricht über Resilienz, Purpose und diverse Netzwerke.
In einer unterhaltsamen Weise fassen die Teilnehmer selbst ihre Learnings des ersten Konferenztages zusammen, bevor sie sich auf das gemeinsame Abendprogramm mit improvisierter Live-Musik und köstlichen Getränken einlassen.
Bei der Wake-up-Session am zweiten Tag um 9.00 Uhr in der Früh haben sowohl die Teilnehmer als auch die Musiker im Seemannsgewand ihren Spaß. Danach betritt Jörg Blunder, Vice President Organizational Culture bei Coca-Cola, als Keynote-Speaker die Bühne. Jörg – hier sind alle per Du – hebt in seinem Vortrag die Bedeutung von Kultur hervor und zeigt auf, wie schwierig es für einen großen Konzern sein kann, diese über Ländergrenzen und unterschiedliche Organisationsformen hinweg zu managen. »If you don’t manage culture, it manages you«, zitiert er Edgar Stein. Auf einer seiner Folien steht ganz groß: »Kultur ist Business.« Bei der Arbeit an der Unternehmenskultur gehe es nicht nur darum, Neues zu machen, sondern auch um die Wertschätzung des Vorhandenen.
Um eine besondere Wertschätzung des Vorhandenen geht es auch in einer der Parallel–Sessions, die um 10.15 Uhr beginnen: Petra Öllermayr ist Leiterin der Personalentwicklung & Recruiting bei den Österreichischen Bundesforsten und fragt ganz am Beginn ihres Vortrags die Teilnehmer, wie viele Jahre es von der Pflanzung bis zur Holzung eines Baumes dauere. 30 bis 50 Jahre schätzen die meisten. Es sind aber im Durchschnitt 124 Jahre. Da bekommt Nachhaltigkeit eine völlig neue Dimension. Beim Pflanzen eines Baumes sollte man abschätzen können, in welchem Klima er sich in 100 Jahren befinden wird. Das ist so schwierig wie wichtig. Der Workshop fasziniert das Publikum mit vielen Details zur Forstwirtschaft in Österreich und mit den Lösungen, die HR für die zahlreichen Herausforderungen gefunden hat. Am Ende verteilt Petra Öllermayr Baumsamen zum Selbsteinpflanzen und gibt Tipps dazu: »Vor dem Einpflanzen ein paar Tage in die Tiefkühltruhe legen. Und am besten gleich beginnen, es dauert 124 Jahre.«
Noch am Vormittag folgen ein zweiter Vortrag und eine Keynote, in der Christina Nuss und Sabine Zinke vom Prozess eines großen Kultur-Switchs bei Daimler erzählen und dabei spannende Einblicke gewähren.
Das Besondere am Corporate Culture Jam sind die Mitmachkultur aller Beteiligten und die Offenheit, mit der die Vortragenden über ihre Unternehmen sprechen – und die Vielfalt des Angebots.
Nach dem Mittagessen gibt es eine weitere Keynote und auch wieder Parallelworkshops, dieser Bericht ist der Beweis, dass wir aus dem spannenden Escape-Room-Workshop entkommen sind.