Die aktuelle Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen haben Auswirkungen auf unser Gehirn. Gedächtnistrainer Luise Maria Sommer dazu im Gespräch.
Was macht der Lockdown mit unserem Gedächtnis?
Unser Gedächtnis braucht Abwechslung, Reize, an die es Erinnerungen knüpfen kann. Doch im Lockdown ist unser Leben viel gleichförmiger. Wir erfahren weniger Reize aus unserer Umwelt. Diese relative Ereignislosigkeit lässt unseren Alltag wie zu einem einheitlichen Brei werden, ein Tag vermischt sich im Rückblick mit dem anderen. Wenn man sich dann spontan ins Gedächtnis rufen möchte, was man an einem bestimmten Tag eigentlich gemacht hat, fällt das oft schwer. Lässt uns diese Pandemie und ihre Auswirkungen darüber hinaus auch noch schlechter schlafen, wirkt sich das auch auf unser Gedächtnis aus. Denn im Schlaf festigt sich u. a. unsere Merkfähigkeit. Das heißt: Wir sind wirklich gefordert, bewusst gegenzusteuern!
Welche Rolle spielen die fehlenden sozialen Kontakte?
Studien belegen, was wir alle wissen und fühlen: Sozialkontakte tun uns gut, sind wichtig für unser Wohlergehen, auch für unsere geistige Fitness. »Life is People« – diesen Spruch habe ich als 19-jähriges Au-pair-Mädchen vom Vater meiner Gastfamilie vor vielen Jahren als sein Lebensmotto mitgegeben bekommen. Ja, Leben ist Begegnung – und es ist eine Herausforderung, diesem Spruch im Moment gerecht zu werden. Denn wir leben in einer Zeit des körperlichen Abstandhaltens – doch nicht des Social Distancing, wie es unglücklicherweise zunächst immer bezeichnet wurde. Die so wichtigen sozialen Kontakte, der Austausch mit anderen Menschen – für all das sind wir gefordert, neue Möglichkeiten zu finden. Damit meine ich nicht stundenlanges Versinken in Facebook- oder Instagram-Feeds von »Freunden«, sondern zum Beispiel das bewusste Telefonat mit einem lieben Menschen, eine Zoom-Familienrunde. Oder wie wär’s, wieder einmal zu Papier und Tinte zu greifen, um einen Brief zu schreiben? Handschrift hilft beim Merken – dazu hab’ ich sogar ein eigenes Kapitel in meinem aktuellen Buch »Dein Gedächtnis kann mehr!« geschrieben.
Wie kann es uns gelingen, »fit im Hirn« zu bleiben?
Indem wir Abwechslung schaffen, um mehr Anker für unser Gedächtnis zu setzen. Zum Beispiel: Viel im Freien bewegen und dabei auch neue Wege einschlagen, die man sonst nicht nimmt. Dabei wird der Hippocampus im Gehirn aktiviert, der eine wichtige Rolle für das Gedächtnis spielt. Manchmal beim Essen bewusst einen anderen Platz und somit andere Perspektive einnehmen. Das Wochenende so gestalten, dass es sich von den Werktagen unterscheidet. Oder mit meinem Online-Gedächtniskurs das Alltags-, Zahlen- und Namensgedächtnis bis zum Verblüffungsgrad trainieren.
Können Sie uns bitte eine konkrete Übung vorstellen?
Wollen Sie in Zukunft nicht mehr googeln müssen, in welchen Staaten der EU es den Euro noch nicht als Zahlungsmittel gibt? Dann stellen Sie sich vor, diese Staaten hätten als »Merksatz« folgende Botschaft ausgegeben: »Bei uns kannst Du ruhig tausendmal schneller pezahlen.« Die kreative Rechtschreibung von pezahlen führt uns zu Polen. Die übrigen Staaten, ausgehend von den Anfangsbuchstaben, sind Bulgarien, Ungarn, Kroatien, Dänemark, Rumänien, Tschechien und Schweden.