Culture Jam: agil und groovig

Zwei Tage dichtes Programm, begleitet von jazziger, ­grooviger und poppiger Musik: Das war der 1. Corporate Culture Jam.

Rund 170 Teilnehmer zählt der erste Corporate Culture Jam, zu dem SUCCUS® |Wirtschaftsforen, IDENTITÄTER® und M.O.O.CON® in die Ankerbrotfabrik in Wien einluden. Nach den erste beiden Keynotes der Innovationsexperten Dietmar Dahmen und Jean-Philippe Hagmann von INNOPUNK ist klar: Das wird keine gewöhnliche Konferenz, bei der Mann und Frau sich entspannt zurücklehnen können: Je zehn Teilnehmer sitzen in halbrunden Kommunikationsnestern, ein Moderator führt die Runde. Nach jeder Keynote werden in diesen Kleingruppen die gehörten Inhalte diskutiert und im Zuge dessen herausgearbeitet, was sie konkret für die Praxis der Teilnehmer bedeuten.
In der ersten Keynote erzählt Dietmar Dahmen über ein mögliches Zukunftsszenario und beschreibt Situationen, bei denen sich bereits Roboter statt Menschen nützlich erweisen können. Es gibt demnach bereits selbstfliegende Passagierflugzeuge oder automatisierte Ärzte, also Roboter, die Piloten und Ärzte ersetzen. Und das ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits möglich. In Zukunft wird sich eines noch mehr ausweiten: Maschinen machen Prozesse und der Mensch macht Kultur. Dietmar Dahmen: »Früher haben Investoren Unternehmen gekauft und die meisten Mitarbeiter entlassen und neu besetzt. Heute kauft man Unternehmen, reißt das Werk ab und behält die Belegschaft. Investoren kaufen nun erfolgreiche Unternehmenskulturen.«
Wie die Innovation dann tatsächlich in die Unternehmenskultur kommen kann, darüber referierte Jean-Philippe Hagmann in der zweiten Keynote des Tages. Er spricht von den zwei Arten der Innovationen: Der Weiterentwicklung eines bestehenden Produktes und der radikalen Innovation, bei der etwas völlig Neues entsteht. So hat Nokia damals immer nur das eigene Produkt weiterentwickelt, bis Apple mit einer radikalen Innovation – dem iPhone – kam. Im Unternehmen muss laut Hagmann nicht jeder innovativ sein, aber es muss eine Person oder eine Abteilung geben, die sich dieses Themas annimmt.
Nach den beiden Keynotes geht es in kurze ­Parallelsessions. Die Teilnehmer können aus 4 Themen 2 auswählen.
Oliver Schmerold, Verbandsdirektor ÖAMTC, spricht über den Transformationsprozess eines Automobilclubs mit 120-jähriger Tradition, der sich nun zu einem modernen Mobilitätsclub hinentwickelt. Dabei weiß er genau: Ein neues Haus alleine macht noch lange keine neue Kultur. Bei der Gestaltung der neuen Büroräume im 3. Bezirk in Wien wurde daher viel Wert auf die neue Welt des Arbeitens gelegt. Alles wird geteilt, nur nicht der Schreibtisch. Jeder Mitarbeiter hat noch seinen eigenen Arbeitsplatz.

Auch am Nachmittag können die Teilnehmer aus mehreren Workshops wählen:
Über die Innovationskultur bei Swarovski spricht Martina Ertl am Beispiel des neuen »Campus 311 Workspace Design«. Das Wichtigste für sie: Methoden wie »Design Thinking« und »Scrum« nicht nur als Techniken und Methoden begreifen – sondern als Einstellung verinnerlichen.

Birgit Höttl von der Mondi Academy präsentiert, wie Mondi seit 3 Jahren den Kulturwandel nach einem Standortwechsel gestaltet. Dabei wird insbesondere auf die Bedürfnisse der jüngeren Mitarbeiter gehört. Den jungen Mondianern sind neben locker-atmosphärischen Räumen besonders flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und internationale Entwicklungsmöglichkeit wichtig. So entstanden auch neue Formate vom Mystery Brainstorming bis zu abteilungsübergreifenden Mittagessensgruppen. Birgit Höttl gibt zu: Manche Ideen haben noch nicht funktioniert. Die neue Cafeteria wurde zu spät fertig und muss erst noch belebt werden.

Fred Gratzer von willhaben.at spricht vom Weg der HR-Verwaltung zum Corporate Culture Coordinator. Agile Unternehmenskultur wird bei willhaben über viele Einzelinitiativen lebendig gehalten, von der offenen Feedback-Kultur über Freizeitaktivitäten bis zum gemeinsamen Frühstück und dem »Crazy Friday«, bei dem rund 60 Entwickler einfach experimentieren dürfen, ganz ohne Ergebnisdruck.

Eva Maria Leitner von DHL berichtet über ihr Leadership-Programm, in dem Führungskräfte selbst neue Führungskräfte trainieren. Und zusätzlich begleiten sie diese als Coaches im gesamten mehrstufigen Prozess der Entwicklung, unterstützt durch Gamification und viele elektronische Tools.

Nach den Workshops geht es zurück in den Plenarsaal, wo ein spielerisch intuitiver Diskurs mit der Eigenland-Methodik für verschiedene neue Erkenntnisse und lustige Momente sorgt.

Der Abend wird mit Musik und kulinarischen Köstlichkeiten gestaltet. Die letzten Teilnehmer verlassenen die Location bestens gelaunt erst gegen 23 Uhr – so gut ist die Stimmung.

Der nächste Tag beginnt mit einem Vortrag, der eher wenigen der anwesenden Personalisten und Innovationsmanagern »schmeckt«. Manfred Bluemel, ehemaliger Manager bei amazon in Seattle, referiert über die Kultur der Kundenzentrierung bei amazon. »Der Kunde steht im Mittelpunkt, es geht nur und ausschließlich um den Kunden«, sagt Bluemel. »Die oberste Vision ist es, die höchste Kundenzufriedenheit der Welt zu schaffen. Das zweite Ziel ist es, weltweit die meisten Waren im Sortiment zu haben.« Was dabei auffällt: amazon interessiert die Mitarbeiterzufriedenheit überhaupt nicht, auch nicht die Bedürfnisse der Aktionäre. So gibt es auch bei jedem Meeting einen leeren Stuhl, der symbolisch für den Kunden steht. Wenn irgendeine Maßnahme nicht gut für den Kunden ist, wird sie nicht umgesetzt. Warum amazon dennoch die besten Mitarbeiter sucht und auch bekommt? Weil es sich im Lebenslauf sehr gut macht, ein paar Jahre dort gewesen zu sein. Nach dem Motto: »Wer es dort aushält, kann überall arbeiten.« Demnach stören die alljährlichen Medienberichte in der Vorweihnachtszeit über die schlechten Arbeitsbedingungen das Unternehmen nur marginal. »Viel wichtiger ist es, dass der Kunde das bestmöglichste Produkt zum bestmöglichsten Preis in der schnellstmöglichen Zeit geliefert bekommt.«

In einer zweiten Session berichtet Hans Stoisser über Innovationskultur in Afrika. »Silicon Savanah« ist der Titel, der schön beschreibt, was in den Ländern Afrikas vor sich geht. Zahlreiche technische Weltmarkführer kommen mittlerweile aus Afrika. »Europa hat hier ein völlig falsches Bild und heimische Unternehmen unterschätzen eine Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern«, meint er. Daher habe sich China dem Kontinent angenommen und beginnt, riesige Fabriken zu bauen. Abschließend appelliert er an die Teilnehmer, sich den Markt genauer anzusehen.
Nach den Workshops wird wieder in Kleingruppen »gejammt« und auch heiß diskutiert. Das Mitarbeiterbild bei amazon, der unterschätzte Kontinent und vieles mehr bieten genug Stoff für Diskussionen.

Am Nachmittag des zweiten Tages referiert Stephan Grabmeier von der Haufe-umantis AG über Innovationskraft von Unternehmen. Er führt aus, dass die digitale Transformation in erster Linie eine soziale Transformation sei. Daher ist die Unternehmenskultur eines der wichtigsten Themen der Digitalisierung.
Abschließend hält noch Robert Seeger einen humorvollen Vortrag mit dem Thema »Früher war alles anders – heute ist auch nichts besser«. Darin plädiert er für mehr Mut, weniger Ängste und mehr Humor im Leben. »Für große Veränderungen braucht es mehr Verrückte im Unternehmen«, so sein Credo.

Der Corporate Culture Jam setzt neue Maßstäbe bei interaktiven Konferenzen und vereint die Themen Innovation und Personalmanagement. Ein Highlight folgte dem nächsten und es war keine Sekunde langweilig. In den Pausen war stets genug Zeit, die Teilnehmer genauer kennenzulernen.
Wir freuen uns auf die nächsten Jams am 27. und 28. September 2017 in Bonn sowie 15. und 16. Mai 2018 in Wien.

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