Da seh ich schwarz!

Durch bewusstes Sehen und Zeichnen kann man neue Perspektiven entdecken und anders auf das eigene Leben schauen.

 

Im Wald vor mir gehen 21 Menschen. Schweigend. Um 7 Uhr morgens. Alle im eigenen Tempo. Schauen mal nach oben, links, rechts und auf den Boden. Sie haben von mir den Auftrag bekommen, eine Stunde ihre Augen im Wald zu »baden«. Den Sehsinn zu schärfen und bewusst hinzuschauen, was es da alles zu sehen gibt. Die Vielfalt von Formen und Farben bewusst wahrzunehmen. Und sich NICHT mit anderen über dieses Erleben auszutauschen, sondern es im inneren Dialog zu belassen. Im Anschluss zeichnen sie Bilder, die den Status quo und die Zukunft ihres (Arbeits-)Lebens sichtbar machen. Sie alle stehen kurz vor dem Übertritt in einen neuen Lebensabschnitt – der Pension!

Das kann ich nicht.
Die Werke sind am Ende des Tages ausnahmslos großartig! Und die Teilnehmer sind stolz auf sie – zeigen sie schließlich auf eine eindrucksvoll sichtbare Weise, was sie geschaffen haben und noch schaffen werden. Und ob sie zeichnen können (oder wollen) spielt zu diesem Zeitpunkt gar keine Rolle mehr. Auch wenn sie am Vortag noch davon überzeugt waren, dass das Vorhaben nicht gelingen wird – nicht gelingen kann! Weil sie ja alle nicht zeichnen können.

 

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Das »Stille-Post-Phänomen«.
»Zeichnen ist eine Schule des Sehens!«, sagt Betty Edwards – Begründer des Center for the Educational Applications of Brain Hemisphere Research. Und tatsächlich tun sich viele von uns nicht nur mit dem Zeichnen schwer, sondern auch mit dem bewussten Sehen im Allgemeinen! Zu sehen wie etwas oder jemand aussieht, ohne es konkret zu benennen oder darauf zu zeigen. Unser Gehirn verarbeitet Bilder wesentlich effizienter als bloßen Text. Beginnen wir dann etwas in Worte zu fassen, geht zwangsläufig einiges verloren. Bilder funktionieren hier ganz anders. Wir lassen sie auf uns wirken. Wir nehmen daran Teil und entdecken immer wieder Neues. Zusammenhänge werden gebildet und auch wieder aufgelöst. Klar! Ein guter Text kann dich beim Bildergenerieren in Gedanken gut unterstützen – ja sogar dazu inspirieren. Einem Bild hingegen liegen wesentlich mehr Information zugrunde. Vorausgesetzt, wir SEHEN bewusst. Und das gilt es wieder zu lernen, zu üben und einzusetzen.

Fragezeichen?
Dabei ist weniger oft mehr! Du könntest beispielsweise ein »Fragezeichen« auf ein Flipchart zeichnen (oder schreiben, falls du nicht zeichnen kannst :-) und danach dein Gegenüber fragen: »Was siehst du?« Ein Fragezeichen? Eine Frage? Eine Einladung? Einen Raum an Möglichkeiten der sich auf tut? Ein Gespräch, das vor uns liegt? – Das alles spielt sich in Sekundenbruchteilen im Gehirn ab.

Be connected.
Wer mag da eine PowerPoint-Folie mit Aufzählungspunkten sehen, wenn es auf einem Bild so viel mehr zu erblicken gibt und du die Möglichkeit hast, mit deinem Publikum einen Dialog zu veranstalten? Wenn du sie zum Sehen und Denken einladen kannst und sie schlussendlich dort abholst, wo jeder Einzelne von ihnen steht. So »connected« darf dann auch die Aufzählung auf der nächsten Folie erscheinen und du dein Expertenwissen weitergeben.

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Gastautor
Harald Karrer
ist Berater, Trainer und Coach, Buchautor und Experte für Visualisierungen.
visualsforbusiness.com