Damit der Prozess »rund« läuft

Welche verschiedenen Arten der Moderation es gibt, welche Aufgaben ein professioneller Moderator übernimmt und auf welche Stolpersteine er vor und während einer Moderation achten muss, lesen Sie in diesem Artikel. TRAiNiNG sprach mit zwei Experten.

Moderation ist ein weit gesteckter Begriff, der viele Formen umfasst. Vom lateinischen Wort »moderare«, was »mäßigen«, »steuern«, oder »lenken« bedeutet, abstammend, spannt er heute einen Bogen von der Fernseh- bis zur Businessmoderation.
Je professioneller ein Moderator ist, je besser er vorbereitet ist, umso leichter wird seine Aufgabe. Ähnlich wie bei einem guten Speaker zielt es darauf ab, dass die Beteiligten und eventuellen Zuseher das Gefühl haben, das auch so locker zu können. Doch so einfach ist es nicht. Moderation ist eine Fertigkeit, die genauso gelernt werden muss wie jede andere. Dazu werden am Markt unterschiedliche Ausbildungen angeboten, die Theorie und Praxis verbinden. Wirklich gut werden die meisten erst mit einigen Jahren Erfahrung.

Erster und vielleicht schon der wesentlichste Punkt bei diesem Thema: Der Moderator steht nie im Mittelpunkt – er ist Helfer einer Gruppe und nicht Chef. Es gibts nichts Schlimmeres und Peinlicheres als ein Moderator, der sich in den Vordergrund drängt und mehr Zeit als unbedingt nötig einnimmt. Denn eines ist klar: Die Teilnehmer kommen, zumindest bei Businessmoderationen, nie wegen des Moderators. Diese Rolle muss ihm vollkommen bewusst sein, zu oft erlebt man das Gegenteil. Im Business schlüpft bald einmal jemand in die Rolle des Moderators, sei es bei einem internen Meeting, bei einer Großgruppenveranstaltung oder bei einem Workshop. Daher ist Moderations-Know-how auch für Führungskräfte durchaus relevant, nicht nur für professionelle Moderatoren.

TRAiNiNG hat zwei Experten gefragt, welche Arten von Moderationen es gibt, und wie sich der Moderator optimal auf die jeweilige Moderation vorbereiten kann?

Erhard Semlitsch (Senior Consultant PMCC Consulting): »Moderation hat immer etwas mit dem Leiten von Gruppen oder Teams zu tun, wobei sich in der Moderationspraxis unterschiedlichste Varianten und Gruppen- bzw. Teamgrößen ergeben. Bei Gruppen/Teams bis zu zwanzig Personen wird unterschieden zwischen Workshops, die hauptsächlich dem Finden neuer Ideen, kreativer Lösungen und rascher Entscheidungen dienen. Dann solche, die die Neuausrichtung von Produkten, Dienstleistungen und Strukturen von Organisationen unterstützen und Meetings, die als Routineveranstaltungen im Arbeitsalltag meist mit standardisierten Steuerungs- und Methodenwerkzeugen abgearbeitet werden. Um sich optimal auf eine Moderation vorzubereiten, sind 5 Schritte wichtig: Der Moderator muss sich 1. dem Ziel der Veranstaltung voll im Klaren sein, 2. die Zielgruppe gut kennen, 3. das ›Drehbuch‹ bzw. die Strategie kennen und 4. eine klare Struktur im Kopf haben. Außerdem ist 5. die Verpackung sehr wichtig, das ist die individuelle Note, die ein Moderator einbringen sollte.«

Moderationsmethoden werden z. B. in der Organisationsentwicklung, in Trainings und Konferenzen, bei Kongressen oder Tagungen, in Meetings, in Teamsitzungen und in Projekten eingesetzt.

Birgit Fischer-Sitzwohl (Geschäftsführerin Coverdale): »Wir unterscheiden ›Moderation als strukturierte Prozessbegleitung‹ von ›Moderation von Veranstaltungen‹, die eher Show-Charakter haben. Wir beschäftigen uns ausschließlich mit Prozessbegleitung und unterscheiden,  ob die Moderation intern gemacht wird, und die moderierende Person gleichzeitig die Führungskraft ist, oder ob die Moderation als externe Leistung zugekauft wird. Die Moderatoren bereiten sich auf die Prozessführung vor. Das heißt, inhaltlich müssen die Moderatoren nur so weit fit sein, dass sie unterscheiden können, ob gelieferte Beiträge der Teilnehmer noch im ›SCOPE‹ des Prozesses sind, oder nicht. Die Gestaltung des Prozesses sollte komplett ›durchgedacht‹ sein, um erkennen zu können, ob die einzelnen angedachten Schritte zeitlich möglich sind. Gleichzeitig muss der Moderator immer damit rechnen, dass der geplante Prozess nicht durchführbar ist (zum Beispiel, weil ein Element schneller oder langsamer ging als geplant) und der Prozess ›fliegend‹ umgeplant werden muss.«

Vorteile eines Moderators

Ein guter Moderator kann eine schlechte Veranstaltung retten und eine gute Veranstaltung aufwerten. Er kann einen Prozess effizient steuern, um z. B. den vorgegebenen Rahmen einzuhalten.
Moderatoren garantieren Zielorientierung, die passende Arbeitsmethodik und den passenden Prozess, wobei die Verantwortung der Arbeitsergebnisse bei der Gruppe bzw. beim Team und den einzelnen Teilnehmern liegt.
Erhard Semlitsch über die weiteren Vorteile professioneller Moderatoren: »Sie schaffen Rahmenbedingungen, dass sich alle Teilnehmer voll auf die Aufgabenstellungen und Inhalte konzentrieren können und sich nicht um die Struktur (wie z.B. Sitzungsleitung, Rahmen, Methodik, Zeitplanung und Ergebnissicherung) kümmern müssen. Außerdem unterstützen sie bei komplexen Themenstellungen, bei neuen Teamzusammensetzungen, beim Aufeinandertreffen verschiedener Interessen oder bei Begleitung längerfristiger Prozesse, um Dinge auf ›Schiene‹ zu bringen. Ein professioneller Moderator startet sein Briefing bei der Zielorientierung und Auftragsklärung mit genauer Definition der Ziele und Inhalte und klärt auch ›versteckte‹, nicht sofort kommunizierte Zielsetzungen. Ganz wichtig ist, dass Moderatoren klar machen, weder als Berater, Trainer, Coach und schon gar nicht als Mediator zu agieren.«

Birgit Fischer-Sitzwohl ergänzt die Aufgaben des Moderators: »Ein guter Moderator wird die Zeitfresser so klein wie möglich halten und aufkommende Reibung professionell zu einem frühen Zeitpunkt abfangen oder bereinigen. Für das Briefing ist eine saubere Auftrags- und Zielklärung erforderlich. (Zweck, Endergebnis und Kriterien sollten definiert sein). Wie der Moderator dann das gesetzte Ziel erreicht, ist die Expertise des Moderators. Ich persönlich lege Wert darauf, den geplanten Prozess sauber abzustimmen, mit den etwaigen Varianten im Hintergrund. Das gibt Auftraggebern meist Sicherheit und erspart ›Prozessdiskussionen‹ während der Veranstaltung.«

Teilnehmer aktivieren

Für alle Beteiligten bei Workshops oder Vorträgen gibt es nichts Langweiligeres als einerseits Schweigen, andererseits fehlendes Einbringen neuer Ideen. Oder generell keine Wortmeldungen. Was kann ein Moderator in solchen Situationen konkret tun? Wie kann er die Leute aktivieren?

Erhard Semlitsch stellt 5 Situationen und die Lösung des Moderators vor:
»1. Ins Gespräch kommen: Professionelle Moderatoren starten mit einer Frage, einem Zitat, einer Story bzw. einer Geschichte, die eine (zeitlich klar begrenzte) ›Murmelrunde‹ zwischen den Sitznachbarn auslöst: ›Was denken Sie darüber? Was fällt Ihnen dazu ein? Was meinen Sie dazu?› Die Teilnehmer werden direkt aktiv, lernen sich (falls nicht schon davor) kennen und lachen auch schon öfter miteinander. Damit sind alle ›warm‹ gelaufen und neugierig, wie es weitergeht. Jetzt erst stellen professionelle Moderatoren die Ziele, die Themen, den Ablauf, etc. vor.

2. Erfahrung und Wissen der Teilnehmer schätzen und nutzen:
Professionelle Moderatoren nutzen die Heterogenität der Gruppe, indem sie durch gekonnte Anwendung der Fragetechnik die Erfahrung und das Wissen der Teilnehmer ›offenlegen‹. Durch Fragestellungen in die Vergangenheit (nicht in die Zukunft) und die Nennung konkreter Beispiele, die von Teilnehmern bereits ›erlebt‹ wurden, ergeben sich die Anknüpfungspunkte zur weiteren Diskussion. Teilnehmer berichten, wie der Prozess bei ihnen läuft, bestätigen die Erfahrungen anderer oder widersprechen der These. Widerspruch ist hier sehr fruchtbar – solange der Moderator darauf ein- geht, andere Meinungen zulässt und das Gesagte neutral zusammenfasst.

3. Erst Praxis, dann Theorie
Theoretische Monologe sind einschläfernd, daher beginnen professionelle Moderatoren immer mit einem konkreten Beispiel, das für alle Teilnehmer spannend ist. Ideal ist ein Best-Practice-Beispiel – das macht Teilnehmer neugierig: Wie bekommt man das hin? Was ist für dieses Ergebnis notwendig? Somit ist der Boden aufbereitet, um mit der entsprechenden Theorie fortzufahren.
4. Den Prozess steuern – nicht das Ergebnis
Manche Teilnehmer haben (meist unbewusst) die Sorge, sich vor der Gruppe oder dem Team zu blamieren und verhalten sich entsprechend zurückhaltend, denn der Gruppendruck führt zur Vorsicht. Gute Moderatoren präsentieren die Sache, die konkret besprochen werden soll, als Fakt und stellen keine Fragen, um eine ganz bestimmte Antwort zu erhalten und sie ermuntern zur Diskussion.

5. Antworten auf Fragen visualisieren
Professionelle Moderatoren fragen nicht ›Sind Sie damit einverstanden?‹ oder ›Wie gefällt Ihnen das?‹, denn Reaktionen auf solche Fragen fallen meist verhalten aus. Einzelne Teilnehmer nicken oder lächeln eventuell, eine Person antwortet mit einem (leisen) ›Ja‹, Widerspruch ist eher selten. Gut geschulte Moderatoren holen statt dessen immer die Meinung aller Gruppenmitglieder ein, indem sie die Antworten visualisieren; zum Beispiel durch eine Punkteabfrage oder durch rote und grüne Karten, die die Teilnehmer hochheben können, etc. Dadurch fühlen sich auch schweigsamere Teilnehmer der Gruppe/dem Team zugehörig, sind später viel aktiver und bringen sich intensiver ein.«
»Schwierige« Teilnehmer
Jeder Moderator aber auch jeder Zuhörer und Teilnehmer kennt »schwierige Teilnehmer«. Also Störefriede, Nörgler, Dauerredner, Unterbrecher, Alphatiere etc. Für ein Vorwärtskommen in einem Prozess sind das erhebliche Störfaktoren, die nicht nur unnötig Zeit kosten, sondern auch die Stimmung im Meeting belasten. Wie können Moderatoren mit solchen Teilnehmern und Situationen umgehen?

Birgit Fischer-Sitzwohl: »Für mich gibt es keine generelle Definition für schwierige Teilnehmer. Meist gelten die Teilnehmer als schwierig, mit deren Verhalten der Moderator nicht umgehen kann. Es können Leute sein, die besonders laut auftreten, besonders viel Aufmerksamkeit beanspruchen oder andere Menschen nicht respektvoll behandeln. Daher sind auch die Lösungsansätze unterschiedlich. Wir bringen unseren Moderationstrainees immer bei, sich mit sich selbst zu beschäftigen und herauszufinden, warum man ein bestimmtes Verhalten als schwierig empfindet. Meist liegt da ein unerfülltes Bedürfnis des Moderators dahinter, und durch das ›Abstellen‹ des schwierigen Verhaltens ist das zumeist nicht erledigt.«

Birgit Fischer-Sitzwohl bringt noch ein konkretes Beispiel: »Ein Teilnehmer ›spielt‹ mit seinem Handy. Für den Moderator kann dieses Verhalten Desinteresse, keine Lust, Widerstand etc. bedeuten. Der Moderator kann mit der Situation gut umgehen, wenn er das Thema aktiv anspricht. Zum Beispiel: Ich möchte gerne die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe haben, wenn wir den nächsten Schritt gehen. Ich warte daher, bis alle ihre E-Mails abgesendet haben und setze dann fort. Eine Variante, die eher nicht sehr zielführend ist, könnte lauten: »Herr X, legen Sie bitte das Handy weg, das ist unhöflich!« Meist versteht die Person diese Aussage als Angriff und verteidigt sich in dem er erklärt, dass das Handy einfach wichtiger sei als die Gruppe. Das ärgert selbstverständlich den Moderator und die restliche Gruppe.«

Erhard Semlitsch stellt in diesem Zusammenhang im Interview den klassischen Eskalationspfad vor, der gute Dienste leisten kann:

  1. ignorieren – viele Störungen lösen sich ohne großes Zutun von selbst
  2. ein freundlicher aber bestimmter Blick in Richtung der Störquelle, also ›still‹ ansprechen
  3. eine diskrete missbilligende Gestik
  4. ein (kurzer) indirekter, aber höflicher Hinweis
  5. direktes Ansprechen der Person
  6. Methodenwechsel
  7. Einzelgespräch in der Pause
  8. in der Gruppe unmittelbar thematisieren
  9. Ausschluss (z. B. bei körperlichen Übergriffen gegenüber anderen Teilnehmern)

Training und Ausbildung

Tatsächlich ist Moderation mehr als nur ein paar gezielte Fragen zu stellen. Kenntnisse und Tools im Umgang mit verschiedenen Situationen sind wichtig, aber auch Rollenklarheit ist essenziell.
Nicht jeder Mensch wird als eloquenter Rhetoriker geboren. Nicht jeder Mensch kann perfekte Reden halten, und nicht jeder ist als Moderator geboren. Dennoch können die benötigten Skills gelernt werden, die Routine kommt mit der Praxis.
Als Weiterbildungsmagazin interessiert uns daher besonders, was Teilnehmer von Moderationsworkshops lernen. Was sind die Inhalte, was können die Teilnehmer danach besser als vorher?

Birgit Fischer-Sitzwohl: »Es gibt einige Punkte zu beachten, die eine Moderationsausbildung unbedingt umfassen sollte:

  • Auftrags- und Zielklärung
  • Strukturierte Vorgehensweise
  • Kreativitätsmethoden wie verschiedene Formen des Brainstormings, oder Design-Thinking als ›Methode‹
  • Problem-Analyse-Schemata
  • Umgehen mit Präsenz- und Online-Räumen
  • Visualisierung
  • Herbeiführen von Entscheidungen
  • Entwicklung von Prozessdesigns.«

Fazit
Eine professionelle Moderation erfordert entweder Naturtalent der Ausübenden oder, viel wahrscheinlicher, eine solide Ausbildung und einiges an Erfahrung. In guten Seminaren haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in geschütztem Rahmen zu üben und neue Techniken auszuprobieren.
Denn gute Moderatoren werden häufig gesucht, sind sie doch für einen erfolgreichen Event mitverantwortlich. Wenn man den Ausgang von Sitzungen, Veranstaltungen oder Workshops nicht dem Zufall überlassen will, zahlt es sich in jedem Fall aus, Kenntnisse in Moderation zu erlangen oder einen professionellen Moderator dazu zu holen. Hier sollte man nie am falschen Fleck sparen, denn ein professioneller und erfahrener Moderator kann einen Prozess fördern und steuern, im extremen Ablauf auch retten und auftretende Risse kitten. Sehr oft wird durch einen guten Moderator der Prozess erst rund und letztendlich erfolgreich.

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