Damit die Stimme zum Mischpult wird

Besprechungen und Seminare im virtuellen Raum gehören derzeit zum Alltag. Damit diese abwechslungsreich, spannend, interessant und ansprechend klingen, gilt es, eine dementsprechende Stimm- und Sprechtechnik anzuwenden. TRAiNiNG im Gespräch mit Experten.

Warum sind manche Online-Konferenzen schwierig zu ertragen, obwohl sie inhaltlich großartig, interessant und wichtig sind? Manchen Referenten und auch Teilnehmern hört man einfach lieber zu als anderen. Warum? Das liegt einerseits am Inhalt des Gesagten und andererseits an der Art und Weise, wie kommuniziert wird. Da einige Faktoren bei einem Online-Meeting im Vergleich zu einem physischen Meeting wegfallen, ist der gekonnte Einsatz der Stimme wichtig. Und oft sind es wenige Kleinigkeiten, die den großen Unterschied ausmachen. Wie. z. B. ein Glas Wasser bereit stehen zu haben oder ganz bewusst öfters kurze Sprechpausen zu setzen. TRAiNiNG erfuhr von Experten, welchen Einfluss die Stimme auf den Erfolg eines Online-Meetings tatsächlich hat.

Ingrid Amon (Präsident stimme.at): »Die Stimme ist DER Online-Wirkungsfaktor schlechthin. Die Mimik ist oft zeitlich verzögert, die Gestik kaum wahrnehmbar, weil der Bildausschnitt meistens zu klein ist. Die technischen Standards der Empfänger sind nach wie vor oft Reduktionsfaktoren der Kommunikation. Wenn die Kamera ausfällt, weil die Internetverbindung schlecht ist: Bei Online-Meetings trägt die Stimme den Inhalt – wenn sie denn ausreichend tragfähig ist. Klare Beobachtung unseres Netzwerkes: Wer eine schon vorher gut geschulte Stimme hatte, der kommt besser und müheloser rüber! Corona hat deutlich gezeigt: Die Qualität der stimmlichen Kommunikation hat eine völlig neue Bedeutung erlangt. Nur ausdrucksstarkes Sprechen kann annähernd dasselbe Ergebnis erzielen wie Präsenz-Begegnungen.«

Anders als im Büro, wo die gesamte Umgebung zum Thema passt und das Interesse leichter zu lenken ist, ist beim Online-Meeting nur der kleine Bildschirm im Fokus – der Rest ist eine andere Welt – oftmals eine sehr private.

Petra Maria Berger (Inhaber von sprichmitmir und diplomierte Sprechtrainer): »Es bedarf einiger Konzentration, sich nicht aus dem Geschehen auszuklinken. Deshalb beschreiben viele diese neue Kommunikationsform als ungleich anstrengender als Präsenzgespräche. Es fällt in einer virtuellen Sitzung nicht so schnell auf, wenn jemand aufs Handy hinter dem Bildschirm oder beim Fenster hinausschaut. Aber auch wenn wir scheinbar konzentriert das Gespräch am Bildschirm verfolgen, können wir derweilen unverhohlen eine neue Frisur, eine unmögliche Brille oder den interessanten Hintergrund der Besprechungsteilnehmer mustern – all das geht im Besprechungsraum nicht so einfach. Wenn das Gespräch für mich nicht interessant ist, kann ich mit ausgeschaltetem Mikrofon sogar Musik hören und dem Call nur ein halbes Ohr leihen. Alles in allem: Es ist online ungleich schwieriger, die Aufmerksamkeit der Gesprächsteilnehmer zu halten. Und es wird beinahe unmöglich, wenn die Stimmführung des Redners unangenehm oder langweilig und die Sprechweise schwer verständlich ist. Wenn die Sätze langatmig und monoton werden und der Inhalt sich nicht und nicht erschließt, driften die Gedanken weg wie Treibholz am offenen Meer.«

Wer gestresst in ein Online-Meeting geht, hat schon von Anfang an schlechte Karten. Diesen Stress hört man in der Stimme. Niemand sollte von einem Meeting ins nächste stolpern, sondern dazwischen angemessene Pausen einplanen, um das eine Meeting geistig abzuschließen und sich auf das nächste vorzubereiten. Sollte das Meeting in der Früh angesetzt sein und man hat als Referent bis dahin noch kein einziges Wort gesprochen, muss man unbedingt die Stimme aufwärmen – indem man z. B. vor sich hin summt und die Vibration der eignen Stimme am Brustbein spürt.

Stimme und Emotion

Die Stimme verrät einiges über die Stimmung des Gegenübers. Wer gut hinhört, bekommt einen tiefen Einblick über die Emotionen des Gegenübers. Unbewusste Stimmsignale geben Auskunft, wie Arno Fischbacher (Business-Stimm-Coach) weiß: »Die bestimmende Wirkung von Tonalität und Sprechweise wird nicht nur in Zoom-Calls stark unterschätzt. Wie bei einem guten Kinofilm beschäftigen die Bilder das Auge, der Ton jedoch steuert die Emotionen und die Motivation, lange bevor das Gehirn überhaupt Sprache verarbeitet. Wer online überzeugen will, braucht hohes Stimmbewusstsein. Vier unbewusste Stimmsignale sind besonders wesentlich. Sie schalten bei unseren Zuhörern – bildhaft gesprochen – die Ampel im Gehirn auf gelb, rot – oder grün! Nur wenn alle vier Stimmqualitäten zusammenwirken, sichern wir eine spannende und motivierende Präsentation, der man bereitwillig auch länger zuhört:

  • Lebensenergie in der Stimme schafft immer wieder Aufmerksamkeit und sichert Abwechslung.
    Stress lässt die Stimme höher und enger klingen, innere Sicherheit hingegen überträgt sich und schafft Vertrauen.
  • Stimme verrät Einstellung. Sie lässt hören, ob Sie Ihren Zuhörer als Kunden, Mitarbeiter etc. – also in einer Funktion ansprechen, oder als Mensch, als Individuum! Unser limbisches Gehirn registriert sofort, wenn sich jemand nicht für uns persönlich interessiert und wehrt die Inhalte ab.
  • Empathie und innere Zuhörbereitschaft sind speziell für gebildete und lebenserfahrene Zuhörer ein K.-o.-Kriterium, das zeigen Studien.«

Anita Dall (Präsentations- und Rhetorikexperte, Leitung Marketing HPS Training) kennt den Zusammenhang zwischen Stimme und Emotionen gut: »Zitternde Knie können Sie im Online-Meeting verstecken, eine zitternde Stimme allerdings nicht! Der Klang und der Einsatz der Stimme haben in Online-Meetings einen deutlich größeren Einfluss darauf, wie Ihre Gesprächspartner Sie und Ihre Botschaften wahrnehmen. Wenn Sie bei Ihren Gesprächspartnern ein bestimmtes Gefühl hervorrufen möchten, wie z. B. Betroffenheit, Spannung, Freude, Stolz, etc., dann müssen Sie sich mit Ihrem Stimmeinsatz so richtig ins Zeug legen!«

Tipps für Online-Meetings

Was können Teilnehmer an Online-Meetings nun ganz konkret tun, um die Stimme kraftvoll einzusetzen? Unsere Interviewpartner geben Tipps.

Arno Fischbacher: »Meine Praxistipps immunisieren gegen die typischen Hoppalas im Onlinemeeting wie zu schnelles und pausenloses Sprechen, nervende Füllwörter wie ›äh‹ und ›ahm‹, langatmige Erklärungen und einschläfernde, monotone Sprechweise:

  • Zuhörer brauchen Sprechpausen zum Verarbeiten der Inhalte. Strukturieren Sie deshalb Ihre Rede mit klugen, ernst gemeinten Fragen, auf die Sie anschließend selbst Ihre Antworten geben. Das rhythmisiert Ihren Redefluss.
  • Dialog statt Monolog! Sprechen Sie nicht zu, sondern mit Ihren Zuhörern, als wäre es ein lebendiges Gespräch. Formulieren Sie Beispiele aus Kundensicht, beginnend mit ›Wenn Sie …‹ – das lässt die Stimme lebendig und nahbar klingen.
  • Stimme ist hörbare Körpersprache. Richten Sie sich innerlich und körperlich auf, bevor Sie sprechen. Lösen Sie sich von der Lehne, aktivieren Sie den ›Kutschersitz‹. Wenn möglich sprechen Sie im Stehen, so klingen Sie vor der Kamera dynamischer.
  • Kaltstart nervt und ist unprofessionell! Planen Sie drei Minuten für ein kurzes Warming-up ein: Dehnen, Schultern kreisen, Grimassen schneiden, auf ›mmm‹ eine Melodie summen. So bringen Sie Stimme und Körpersprache auf Betriebstemperatur!«

Anita Dall gibt ein paar wichtige weitere Hinweise: »Ihr Gegenüber wird Ihnen lieber und länger zuhören, wenn Sie als Sprecher dynamisch auftreten. Das bedeutet, dass Sie Ihre Lautstärke, Tonhöhe und Geschwindigkeit wie mit einem Mischpult möglichst stark variieren. Erzeugen Sie zum Beispiel Neugierde, indem Sie die Lautstärke ganz stark hinunterregeln, so also würden Sie ein Geheimnis erzählen. Betonen Sie Ihre Kernaussagen mehrmals mit lauter Stimme, um Ihr Gegenüber aufzurütteln. Werden Sie langsamer oder trauen Sie sich sogar eine Pause zu machen, wenn Sie etwas ganz besonders wirken lassen wollen.«

Die Stimme einer Person beeinflusst maßgeblich, was wir über sie denken, ob wir ihr vertrauen und ob sie uns überzeugen kann. Die Stimme gehört oft zum ersten Eindruck und kann hier einiges anrichten. Im Regelfall ist der Inhalt wichtiger als die Form, doch wenn die Form nicht stimmt, kommt der noch so gute Inhalt nicht richtig an.

Petra Maria Berger: »Wir hören gern Rhythmisches und Melodisches – das gilt für alles Gesprochene, im gesteigerten Maße aber für Online-Gespräche. Wenn wir mit unserer Sprache Bilder malen und einen Film in den Köpfen der anderen entstehen lassen können, werden sie uns interessiert zuhören. Vier Eckpfeiler als Faustregel:
1. Artikulation: Wer gut artikuliert gibt anderen eine Orientierung (›Ich weiß wovon ich spreche‹) und die Konsonanten machen mein Gesagtes schneller verständlich, denn sie sind die Informationsträger einer Sprache.
2. Pausen sind die Struktur der Sprache und machen den Sprachrhythmus aus. Bemühen Sie sich dabei um eine geräuschlose/reflektorische Atmung.
3. Eine natürliche Sprachmelodie wird ausschließlich durch Mimik und Gestik initiiert und präformuliert. Und ein sprechendes Gesicht ist im virtuellen Raum noch viel wichtiger als im physischen, weil wir uns all nach Menschlichem nachgerade sehnen. Masken sind einfach langweilig. Üben Sie vor dem Spiegel!
4. Hauptsätze! Hauptsätze! Hauptsätze! Langer hypotaktischer Satzbau ermüdet ungemein und erhöht den Abstraktionswert der Aussagen.«

Ingrid Amon betont nochmals die Relevanz der klaren Aussprache: »Am wichtigsten ist ›a g’scheite Aussprache‹: Die Artikulation deutlich, bewusst und klar gestalten. Eindeutige Mundbewegungen machen, die zur Not ein – technisch nicht übertragenes – Wort von den Lippen ablesen lassen. Kontrolliertes Sprechtempo, eher einen Zacken langsamer als sonst. Stimme vor dem Meeting gut aufwärmen (Summen, Lippenflattern, Grimassen schneiden, 10 Wörter überdeutlich aussprechen …) – damit der volle Klang zur Verfügung steht –, das sichert eine dynamische Sprech-Melodie. Etwas mehr modulieren als üblich, gute Pausen setzen. Aufrechte Haltung für die maximale Klangfülle einnehmen.«

Stimme und Technik

»Hören Sie mich?« »Hallo?« »Ich höre Sie doppelt!« Das kennen Sie bestimmt. Die lästigen technischen Schwierigkeiten, die bei nahezu jedem Online-Meeting mindestens einmal vorkommen. Störgeräusche im Hintergrund, wie ein leiser Radio, oder das »hörbare« geöffnete Fenster beim Gegenüber nerven mindestens genauso. Um nicht selbst in diese Falle zu tappen, sind ein paar Punkte bei der Auswahl der Technik zu beachten.

Anita Dall: »Selbst wenn Sie sprechen wie Humphrey Bogart oder Michelle Obama, Sie werden nicht erfolgreich sein, wenn es in der Leitung quietscht und hallt oder wenn man nur jedes dritte Ihrer Worte hört. Wählen Sie ein hochwertiges externes Headset mit eingebautem Mikrofon. Mit einem In-Ear-Headset statt Bügelkopfhörern vermeiden Sie den ›Callcenter-Look‹. Und entscheiden Sie sich lieber für eine Variante mit Kabel, damit Sie auch in längeren Meetings vor einem Ausfall durch leere Akkus gefeit sind.«

Gute (technische) Vorbereitung ist die halbe Miete, deshalb: Radio ab, Fenster zu, Kollegen, bzw. Kinder aus dem Zimmer bitten, Handy auf lautlos schalten. Vor einer wichtigen Konferenz sollten sie Ihre Technik noch einmal testen, auch wenn am Vortag alles geklappt hat.

Petra Maria Berger: »Probieren Sie die Tonqualität mit einer vertrauten Person aus, zeichnen Sie das Gespräch auf und hören/sehen Sie es sich kritisch an. Technisch ist vieles möglich, was gut und teuer ist. Nach meiner Erfahrung sind allerdings die meisten Geräte qualitativ völlig ausreichend. Nuscheln, Langeweilen und Knödeln kann auch das beste High-End-Device nicht korrigieren. Wichtig, um klar verstanden zu werden, ist eine gute Ausleuchtung mit der Lichtquelle VOR dem Gesicht – die Mimik ist ein Hingucker und unterstreicht das Gesagte. Wir wollen einander beim Sprechen beobachten und sehen, ob wir das, was wir hören, auch glauben können. Professionell ist es, wenn die Kamera in Augenhöhe ist (meist reicht eine Schuhschachtel unter dem Laptop)! Zum einen sehen wir von unten immer unvorteilhaft aus und zum anderem wollen wir doch nicht auf den Rest der Welt hinunterschauen. Nachdem es so schwierig ist, die Aufmerksamkeit der Besprechungsteilnehmer zu halten, lenken Sie auch nicht durch Hintergründe ab. Einfärbig fade ist am besten. Wenn Ihre Rede langweilig ist, rettet dies auch das intellektuellste Bücherregal nicht.«

Arno Fischbacher gibt abschließend noch einen ganz konkreten Tipp: »Neben einer Webcam ist ein gutes externes Mikrofon essenziell für gelingende Online-Meetings. Der Ton macht die Musik. Um kleines Geld finden Sie gute Qualität. Meine Empfehlungen: Rode NTUSB für den Desktop, oder das Rode Lavalier Go für Bluse oder Revers, zusammen mit Rode Wireless go als Funkstrecke, wenn Sie beweglich sein wollen, um z. B. am Flipchart etwas zu zeigen. Bedenken Sie, dass auch die besten Mikrofone nur das weiterleiten, was Sie mit Ihrer Stimme ausdrücken. Das Training Ihrer Stimme ist und bleibt daher die Königsdisziplin jeder rhetorischen Ausbildung.«

Fazit
Der professionelle Einsatz Ihrer Stimme wertet Ihre Präsenz bei Online-Meetings stark auf. Es lohnt sich, ein paar Tipps und Tricks umzusetzen. Stimme und Körper aufwärmen, auf die Technik achten und klar artikulieren. Stimmcoaches helfen dabei, Ihrer Stimme die perfekte, authentische Wirkung zu verleihen. Hier sind ein paar Übungseinheiten gut investiertes Geld.

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