Damit Ihre Minute perfekt genutzt wird

Beschleunigter Herzschlag, erhöhte Atemfrequenz, leichtes Schwitzen. So reagieren die meisten Menschen, sobald eine Kamera auf sie gerichtet ist. Damit man »cool« bleibt, wenn der Journalist anklopft, gibt es professionelle Medientrainings. Wie ein solches abläuft, lesen Sie hier.

Stellen Sie sich vor, Sie kommen Montag früh gut gelaunt in Ihr Unternehmen und sehen bereits vor dem Eingang zahlreiche Pressevertreter. Vom ORF über Tageszeitungen bis hin zu lokalen Radiosendern sind alle vertreten. Es herrscht die Stimmung, die man sonst nur aus dem Fernsehen von Pressekonferenzen von Donald Trump kennt. Sie haben keine Ahnung, was los ist – Sie erwarteten einen ruhigen, normalen Montag. Als Sie sich dem Firmeneingang nähern, kommt auch schon die erste Journalistin samt Kameramann voll Elan auf Sie zugelaufen, hält Ihnen ein Mikrofon hin und fragt: »Durch Ihr Produkt sind am Wochenende 2 Menschen verstorben und zahlreiche weitere kämpfen noch um ihr Leben. Was sagen Sie dazu?«

Zugegeben, so ein Fall kommt recht selten vor, dennoch empfehlen Experten, stets auf eine drohende Krise vorbereitet zu sein, aber dazu später mehr. Auch für ein positives Szenario gilt es, vorbereitet zu sein. Stellen Sie sich vor, Journalisten kündigen sich an und wollen ein Porträt über Ihr Unternehmen erstellen, da Sie eine Vorzeigefirma im Bereich HR sind. Auch hier steht ein Journalist mit Kameramann vor Ihnen und befragt Sie. Oder ein Journalist möchte Ihr Expertenwissen zu einem speziellen Thema »anzapfen«. Die Chance, die einem ein Fernsehinterview bietet, ist enorm – sie zu nutzen, obliegt jedem selbst und ist dabei Schwerstarbeit. Kaum jemand ist ein geborener Redner bzw. von Geburt an souverän vor der Kamera. Daher sind Training und Vorbereitung unentbehrlich, um einen professionellen Eindruck in den Medien zu vermitteln.
TRAiNiNG hat bei zwei Medientrainern nachgefragt, wie man sich optimal auf ein (Live-) Interview im Fernsehen vorbereiten kann.

Stefan Wagner (Trainer und Geschäftsführer bei Intomedia Mediatraining): »Live-Interviews können ganz schön Stress erzeugen, daher muss die Vorbereitung gründlich und intensiv sein. Auch Profis kommen da regelmäßig ins Schwitzen. Darum braucht es in der Vorbereitung eine ›Vorwegnahme der Realität‹. Nur so kann man die nötige Routine tanken, Stress abbauen und die notwendige Sicherheit gewinnen, die es braucht, um auf Sendung souverän zu wirken und die Botschaften gekonnt zu etablieren. Das Schöne am Live-Interview ist ja, dass es nachträglich nicht manipuliert, also geschnitten, wird. Das heißt, alles, was gesagt wird, geht auf Sendung. Eigentlich ein mediales Paradies. Eine hervorragende Chance, die eigene Meinung, die eigenen Inhalte ›ungeschnitten‹ rüberzubringen. Deshalb ist es extrem wichtig, rhetorische Fertigkeiten im Gepäck zu haben, um dem ›Gespräch‹ die gewünschte Richtung zu geben. Sonst heißt’s ›Danke für das Gespräch‹ und die Chance ist dahin.«

Gregor Fauma (Vortragsredner und Medientrainer): »Idealerweise führen Sie zuvor selbst ein Interview, nämlich mit dem Sendungsgestalter/Redakteur/Interviewer. Hier gilt es, so gut wie möglich herauszufinden, welche Interessen der Journalist verfolgt:

  • Was ist das Ziel des Interviews?
  • Welches Ziel hat der Interviewer?
  • Wer wird noch interviewt?
  • Wie lange wird das Interview dauern?
  • In welcher Rolle gibt man das Interview?
  • Was konkret wird im eigenen Insert stehen?
  • Gibt es eine versteckte Agenda?
  • Ist womöglich in einem Nachbarland etwas vorgefallen, das indirekt auch mit Ihnen zu tun haben könnte?

Überlegen Sie alle Fragen, die man Ihnen zu Ihren Themen stellen könnte und erarbeiten Sie dazu prägnante Antworten in der 5-Satz-Technik. Legen Sie sich dann für das Live-Interview Themen zurecht, zu denen Sie aktiv etwas sagen möchten. Raus aus der reaktiven Ecke! Versuchen Sie, Themen im Interview zu setzen. Und verinnerlichen Sie das Leitbild Ihres Unternehmens: Was treibt Sie an? Wozu leistet Ihr Unternehmen einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft? Sprechen Sie diese Antworten laut und deutlich beim Üben aus. Und bitte bleiben Sie in Ihrer Umgangssprache. Nichts ist schlimmer, als gestelztes Deutsch. Kein Englisch, keine Abkürzungen, kein Fachvokabular, kein ›wie bereits erwähnt‹. Übung macht auch hier den Meister.«

5-Satz-Technik

Die 5-Satz-Technik ist fast Pflicht bei jedem Medientraining und teilweise auch bei ›gewöhnlichen‹ Kommunikationsseminaren. Und das zu recht, verfolgt sie doch das Ziel, eigene Argumente gut rüberzubringen. Der Aufbau ist recht einfach und beinhaltet – wie sich vermuten lässt – 5 Sätze, bzw. 5 Gedanken.
1. Einstieg
2. Argument 1
3. Argument 2
4. Argument 3
5. Ziel- oder Zwecksatz

Ein Beispiel, wie der 5-Satz gut im beruflichen Alltag angewandt werden kann?
»(1.) Lieber Chef, wir diskutieren ja nun schon ein paar Monate, ob Medientrainings für unser Team sinnvoll wären. (2.) Unsere Mitarbeiter stehen regelmäßig in der Öffentlichkeit, (3.) Journalisten berichten gerne über uns und (4.) wie Sie wissen, hat Weiterbildung bei uns im Unternehmen einen hohen Stellenwert. (5.) Daher bitte sich Sie, das Budget für die wichtigen Seminartage im Herbst freizugeben!«
Mit dieser Technik wird Ihre Botschaft schlüssig kommuniziert – egal ob vor einer Kamera oder während einer Diskussion.

Simulation der Wirklichkeit – Medientrainings

Jedes Training stellt immer eine simulierte Wirklichkeit dar und versucht so, auf den Ernstfall vorzubereiten. So lernen Piloten das Fliegen im Simulator, bevor sie einen vollbesetzten A380 von Wien nach Dubai fliegen.
Medientrainings versuchen genau das und simulieren stressige Interviewsituationen. Wie läuft so ein Seminar konkret ab? Hier sind die beiden Interviewpartner unterschiedlicher Auffassung.
Gregor Fauma: »Zuerst muss dem Teilnehmer klar sein, dass Trainings in nachgestellten TV-Studios nur wenig hilfreich sind. Live-Interviews in ZIB2-Sendungen sind prominenten Politikern oder Wissenschaftern vorbehalten. Dieses Format scheidet in der Regel aus. In der ZIB1 werden nur tagesaktuelle Kürzest-Beiträge gebracht – auch hier geht die Wahrscheinlichkeit gegen Null, mit einem Interview vorzukommen. Daher ist es fast immer sinnlos, für Medientrainings Fernseh-Studios nachzustellen. Außer eben Sie sind Politiker, CEO oder Ähnliches. Die meisten Interviews werden vor Ort, bei den Unternehmen selbst geführt. Im Büro, im Foyer, in der Produktionshalle, im Expedit, vor dem Fuhrpark … und dies kann man gezielt trainieren – und dabei auch die Inszenierung des Unternehmens und seines CEOs, je nach Thema, vorwegnehmen und ausprobieren. Kennt man das Interview-Thema, kann man den passenden Ort überlegen und dazu auch gleich die Kleidung entsprechend planen (siehe Infokasten). Das gilt auch für die Grundstimmung während des Interviews. Kommt man, das Thema betreffend, gut dabei weg, kann man gut gelaunt auftreten. Ist man in der Kritik, muss die Grundstimmung des Gesprächs entsprechend angepasst werden. Als Verhaltensbiologe ist mir die Körpersprache, selbst für nur wenige Sekunden dauernde Soundbits, sehr wichtig. Und die lässt sich gut trainieren.«

Anderer Meinung ist Stefan Wagner: »Bei Live-Interviews gibt es keinen Heimvorteil! In 99,9 % der Fälle finden Live-Interviews in Studios statt. Von Puls4 bis Servus TV, von Oe24 bis ORF. Und nicht nur CEOs und Politiker werden eingeladen. Das Live-Interview und der Talk mit Experten boomt. Sie sind billig zu produzieren und heben das Ansehen der Sendung.
Es braucht die Realität. Studios, Scheinwerfer, mehrere Kameras, Screens, wohin man schaut. Und es braucht Top-Journalisten, die ihr Fach beherrschen und es der interviewten Person schwer machen, die Botschaft zu platzieren. Je härter das Training, desto leichter ist es auf Sendung. Da halten wir es wie Frank Sinatra: ›If you can make it there, you’ll make it anywhere.‹ Also: ›Schaffst du es bei uns im Studio, schaffst du es überall.‹ Ein Formel-1-Fahrer trainiert ja auch nicht im Verkehrsgarten. Der bereitet sich auf der Rennstrecke vor. Genauso muss das im Medientraining sein. Denn Interviews zu geben und dazu noch live, das ist gelebte Formel 1. Das gilt für jedes Medientraining bei mir im Unternehmen. Live-Interviews bloß zu simulieren, ist fahrlässig.«

Radio oder TV?

Neben dem Fernsehen gibt es auch noch das Radio als weiteres relevantes Massenmedium. Immerhin hören laut eigenen Angaben täglich 2,5 Millionen Menschen dem Flaggschiff der ORF-Radioflotte – Ö3 – zu.
Von wegen »Video killed the Radio Star«. Im Gegenteil, da das Radio meist läuft, während eine andere Tätigkeit automatisiert abläuft (z. B. Autofahren), wird hier weniger hin- und hergeschaltet. Auch hier sind professionelle Journalisten unterwegs auf der Suche nach Interviewpartnern zu ihren jeweiligen aktuellen Themen. Was ist nun aus Sicht des Interviewgebers der Unterschied zum TV-Interview?

Stefan Wagner: »Zu fast jeder Causa werden im aktuellen Dienst (z. B.: Ö1-Journale) Juristen, Mediziner, Forscher, Unternehmensberater, also Wissenschafter und Experten aus allen Bereichen live interviewt. Entweder zu Gast im Studio oder live am Telefon (manchmal live on Tape – heißt leicht nachbearbeitet und kurz vor der Sendung aufgezeichnet). Ob es nun ums Impfen, um Menschenrechte, um das Klima oder um Rechtsfragen geht. Auch da gilt: ›Realitycheck im Training!‹ Radiostudio. Kopfhörer, jede Menge Mikros, Mischpult … und ein Profimoderator als Fragesteller. Übrigens, ganz wichtig: Es sollte nie der Trainer selbst interviewen! Man neigt als Trainer in der Regel dazu, sich selbst zu bestätigen. Und darüber hinaus ist es seltsam, wenn Sie der Mensch interviewt, der mit Ihnen vorher die Wordings erarbeitet hat und Ihnen Techniken gezeigt hat, wie Sie einem Live-Gespräch die richtige Richtung geben. Nur damit der Trainierte merkt, dass sich das Training gelohnt hat. Nochmals: Training muss die Realität abbilden.«

Zielgruppe von Medientrainings

Wer sollte an einem Seminar zum Thema »Umgang mit Medien und Journalisten« teilnehmen? Die erste logische Antwort lautet natürlich: die Pressesprecher. Nun, das ist allerdings etwas zu kurz gedacht.

Gregor Fauma über das Dilemma mit den Pressesprechern: »Ich habe Pressesprecher, mit ein paar Ausnahmen, meist als völlig ungeeignete Interviewpartner erlebt. Und noch schlimmer, aus dieser Rolle heraus auch als wirklich schlechte ›Trainer‹ ihrer Vorgesetzten. Pressesprecher sind in der Regel die Feinde von Medientrainern. Denn Medientrainer decken mitunter Kompetenzlücken von Pressesprechern vor deren Vorgesetzten auf, und das wollen die Pressesprecher natürlich nicht. Und als erfahrener Trainer kann ich behaupten, dass in der Regel Pressesprecher die wenigsten Talente für gute Interviews mitbringen. Dazu kommt, dass sich Journalisten nur ungern mit Pressesprechern abspeisen lassen. Deshalb sollten Geschäftsführer, Vorstände und Eigentümer – also echte Entscheider und Verantwortungsträger, regelmäßig Medientrainings absolvieren. Ohne Regelmäßigkeit wird es zu keiner Kompetenz kommen. Nach einer soliden Grundausbildung sollten Entscheider quartalsweise ein bis zwei Stunden Mediencoaching in Anspruch nehmen, um Gelerntes nicht wieder zu verlieren. Denn wenn Medienvertreter anklopfen, ist häufig keine Zeit mehr für ein Training.«

Stefan Wagner ergänzt noch eine weitere Zielgruppe: »Jeder, der Verantwortung trägt, also die Interessen des Unternehmens nach außen vertritt, sollte an einem Medientraining teilnehmen. Wobei es nicht immer die CEOs, die Geschäftsführung oder Eigentümer sind, die für ein Interview angefragt werden, sondern sehr oft die Experten einer Company, z. B. HR-Experten. Beispielsweise ist ein Vorstandsvorsitzender einer Bank nur bedingt Experte für Risikomanagement, Private Banking oder Finanzierungen. Hier sind Spezialisten gefragte Gesprächspartner für Medienvertreter. Auf den Punkt gebracht: Es sollte jeder trainieren, der die Möglichkeit hat, via Medien Vertrauen zum Unternehmen aufzubauen.«

Fazit
Im Fernsehen sehen Sie oftmals nur eine Minute von einer Person im Interview und Sie bilden sich eine Meinung. Damit Sie diese Minute optimal nutzen können und die Botschaften rüberbringen, die SIE möchten, zahlen sich Medientrainings auf jeden Fall aus.

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press and media camera ,video photographer on duty in public news coverage event for reporter and mass media communication

 

Die richtige Kleidung zum TV-Interview
Können sich die Zuseher nach dem Interview an Ihre Kleidung oder gar an modische Accessoires erinnern, waren sie schlecht gewählt. Seien Sie so attraktiv wie möglich, ohne dies jedoch vordergründig zum Thema zu machen. Männer sollten zuvor zum Friseur gehen, sich dabei aber auch die Augenbrauen, Nasen- und Ohrenhaare stutzen lassen. Die Rasur muss top sein. Bei Frauen gilt »weniger ist mehr«: Weniger Schmuck, weniger auffällige Kleidung, ein gepflegter Alltagslook ist ideal. Für beide: Kein Schwarz, kein Weiß, keine engen, sich wiederholenden Muster (Pepita, Fischgrät o. Ä.), keine lauten, reinen Farben. Gepflegte Hände, sauberer Kragen, keine baumelnden Ohrringe. Zähne vor dem Live-Interview checken! Nicht alleine zum Interview gehen: Man muss auf so vieles achten, dass da Hilfe wirklich angebracht ist.
Quelle: Gregor Fauma