Das innere Bild sichtbar machen

Organisationsaufstellungen machen innerhalb kurzer Zeit versteckte Probleme in Unternehmen sichtbar, um leichter Lösungen zu finden und um dadurch ein effektiveres Miteinander zu schaffen. Wir zeigen, warum die Methode funktioniert und berichten von bewegenden Beispielen aus der Praxis.

Firmen-Mitarbeiter scharen sich um eine Feuerschale und murmeln irgendwelche Mantras. Jeder richtet einen Wunsch in Richtung Feuer, dazu wird getrommelt. Der Chef beginnt wie in Trance um das Feuer zu tanzen. Sein Team trommelt und applaudiert dazu rhythmisch.

»Was geht jetzt g’rad ab?«, denken Sie bei dieser Beschreibung? Tatsächlich sind Unternehmen, vor allem KMU, in jüngster Zeit durchaus offener geworden, was alternative Methoden betrifft. Astrologie im Recruiting wird häufiger verwendet, als manch einer annimmt. Gesprochen wird darüber natürlich öffentlich nicht. Feng-Shui-Berater erfreuen sich in vielen Büros steigender Beliebtheit. Schamanische Rituale wie oben kurz beschrieben kommen immer öfter in Seminaren vor. Natürlich nicht unter diesem Namen, sondern mit Bezeichnungen wie »Naturrituale« oder »Feuerrituale zur Steigerung des inneren Feuers.«

Manch ein Berater behauptet, auch die Aura eines Unternehmens reinigen zu können, damit der Geldfluss wieder ungehemmt fließt.

Nun gut, dazu kann jeder denken, was er gerne will. Eine Methode, die manche auch (noch) in die »Eso-Ecke« stellen, sind Aufstellungen. Wir haben nachgefragt, was diese Methode bietet und ob sie seriös ist.

Network / People / 3d Concept

Die Entstehung von Aufstellungen

Als Oberbegriff aller Aufstellungen kann das Wort »Systemaufstellungen« verwendet werden. Man kann nämlich unterschiedliche Systeme aufstellen. Das Familiensystem, das Unternehmenssystem oder auch beispielsweise das Körpersystem. »Systemaufstellung bezeichnet ein Verfahren, in dem Personen stellvertretend für Mitglieder oder Entitäten (Teile, Aspekte) eines Systems aus einer vorhandenen Gruppe gewählt und in einem realen Raum sodann repräsentativ zueinander in Beziehung (auf-)gestellt werden«, so steht es auf Wikipedia zu lesen.

Luzia Fuchs-Jorg (Geschäftsführerin Kick Off Management Consulting GmbH) arbeitet seit Jahren mit dieser Methode und kennt natürlich auch die Hintergründe: »Die Methode der Aufstellungsarbeit geht zurück auf die familientherapeutischen Arbeiten von Moreno, Satir, Hellinger und anderen. In der Familientherapie erkannte man schon lange, dass »verhaltensauffällige« Mitglieder oft gar nicht die Ursache eines Problems sind, sondern es lediglich stellvertretend für das ganze System ausdrücken. Daher suchte man nach Möglichkeiten, das System als Ganzes – mit allen Beziehungsmustern – darzustellen, um die Ursache der Störung zu erkennen. Die Vorgangsweise klingt reichlich ›verrückt‹. Da kommt jemand mit einem Problem, stellt scheinbar willkürlich wildfremde Menschen als Stellvertreter für die Beteiligten in den Raum, die unerklärliche Gefühle und Zustände zur Situation entwickeln. Es gibt ein paar symbolische Handlungen, einige Sätze werden gesprochen … und plötzlich entspannt sich das System. Der Fragesteller geht nach Hause und – wie durch ein Wunder – gelangt er zu völlig neuen Erkenntnissen und Einsichten.«

Was passiert nun bei einer Aufstellung, wie funktioniert sie?

Elisabeth Jelinek (Geschäftsführerin Jelinek Akademie): »Ganz generell lebt die Aufstellungsarbeit von der sogenannten ›repräsentierenden Wahrnehmung‹, verwoben mit etlichen anderen Vorgehensweisen. Ein Phänomen, welches bewirkt, dass Stellvertreter Informationen und Haltungen von fremden Personen wahrnehmen und wiedergeben können. Wichtig dabei ist, dass die Stellvertreter nicht in Interpretationen abgleiten, sondern nur äußern, was sie spüren oder was spontan in den Sinn kommt. Das Faszinierende ist, man braucht weder zu wissen, wen man darstellt, noch die Inhalte zu kennen, um die es geht. Dennoch kann man Körpergefühle und Gedanken äußern, die durch die Interaktion der aufgestellten Personen entstehen. Insgesamt entwickelt sich ein Bild, welches zu Lösungen führen kann. Es handelt sich dabei nicht um Wahrheiten, sondern um Möglichkeiten, die allerdings oft den wahren Gegebenheiten erstaunlich nahe kommen. Diese faszinierende Erfahrung kann man verbal kaum vermitteln, man muss sie selbst erlebt haben. Eine Aufstellungsarbeit ist für mich immer eine Gemeinschaftsproduktion; die Qualität einer Aufstellung richtet sich nach dem Bewusstsein des Kunden, dem Bewusstsein des Aufstellungsleiters und auch der Repräsentanten.«

Ablauf von Aufstellungen

Es ist schwierig, Aufstellungsarbeit zu verstehen, wenn man noch nie davon gehört hat und noch nie dabei gewesen ist. Der Ablauf zeigt sich meist wie folgt:

Aufstellungen findet in Gruppen von meist 10 bis 20 Personen statt. Jemand, der eine persönliche oder berufliche Thematik lösen möchte, meldet sich, um eine Aufstellung durchführen zu lassen. Der Aufstellungsleiter befragt diesen Klienten zu seiner Situation, zu seinem System und zu seinem Anliegen. Dann wählt der Klient aus der Gruppe der Anwesenden (meist fremden Teilnehmern) je einen Stellvertreter für jedes aufzustellende Familien- oder Organisationsmitglied oder jenen Aspekt seines Anliegens oder Symptoms (manchmal auch einen für sich selbst). Er stellt die Stellvertreter ganz nach Gefühl im vorhandenen Raum auf: nah oder weit, einander zugewandt oder weggedreht. Ganz intuitiv, ohne all zu lange zu überlegen. Danach ist das sogenannte Erstbild fertig und er betrachtet es vom Rand des Geschehens. Die Repräsentanten werden nach ihrem Befinden befragt. Aus ihrer jeweiligen Position heraus können die Stellvertreter Gefühle und Gedanken entwickeln, die denjenigen der repräsentierten Personen (bzw. Abteilungen etc.) aus dem System des Klienten entsprechen. So kann beispielsweise die Aussage kommen, dass man sich hier gar nicht wohlfühlt und viel lieber dort drüben stehen würde. Der Aufstellungsleiter stellt das System entsprechend um und erfragt erneut nach den aufkommenden Gefühlen. Relativ schnell nimmt man Verstrickungen innerhalb des Systems oder der Subsysteme des Klienten wahr. Der Aufstellungsleiter beginnt ein Lösungsbild  zu stellen. Manchmal wird am Ende der Repräsentant für den Klienten durch den »echten« Klienten ersetzt, um zu erfahren, wie dieser sich fühlt. Am Ende erfolgt eine Nachbesprechung des Erlebten.

Veronika Aumaier (Geschäftsführerin Aumaier Coaching Consulting GmbH) erklärt, warum Aufstellungen funktionieren: »In Aufstellungen werden Hinweise über die Beziehungen einzelner Teile zueinander über deren Abstand und Winkel sichtbar. Sie werden von einem Kunden im Raum aufgestellt und stellen ein inneres Bild dar, dass der Kunde von einer für ihn bedeutungsvollen Situation hat. Die Repräsentanten sind über wahrnehmbare körperliche Unterschiede, im Sinne ›schlechter/besser/anders‹ auskunftsfähig und bestimmen derart die einzelnen Entwicklungsschritte bis zu einem – für alle – ressourcenreichen Bild mit.«

Tatsächlich konnten die individuellen Gefühle der Repräsentanten schon vor einigen Jahren im Rahmen einer Dissertation wissenschaftlich belegt werden. Peter Schlötter wies in seiner Doktorarbeit (Universität Witten/Herdecke, 2005) mit einer groß angelegten Untersuchung  mit 2800 Einzelversuchen empirisch nach, dass bestimmte repräsentierende Wahrnehmungen überindividuell reproduzierbar sind, dass also unterschiedlichste Personen (Stellvertreter/Repräsentanten) tendenziell gleiche Wahrnehmungen in Systemaufstellungen äußern.

Veronika Aumaier gibt ein Beispiel aus ihrer Praxis: »Die Wirkung einer ›neuen Mittelfriststrategie‹ kann mit einer Aufstellung, in der einzelne Repräsentanten für einzelne Elemente der Strategie, der Mitarbeiter, der Führungskräfte, den Kunden etc. stehen, auf ihren Erfolg hin ausgerichtet werden. Die einzelnen Rückmeldungen der Repräsentanten geben Hinweise, was hilfreich ist, um in Summe eine breite, bei allen Beteiligten akzeptierte Vorgangsweise zum Erfolg zu finden. Dadurch ergeben sich mannigfaltige Hinweise für den Antragsteller, was für den Erfolg dieser Strategie zu tun und was besser zu unterlassen wäre.«

Warum?

Was steckt nun dahinter, dass Menschen, die in einer Repräsentationsrolle »stecken«, tatsächlich so fühlen, wie es die zugehörige Person fühlt? In einer Aufstellung wird ein inneres Bild eines Systems nach außen gebracht. Dort wird es analysiert und verändert und schließlich wieder verinnerlicht. Warum Aufstellungen wirklich funktionieren, ist nach wie vor unbekannt. Wie oben kurz erwähnt, gibt es aber einige Studien, die tatsächlich Zusammenhänge erfasst haben.

Luzia Fuchs-Jorg hat sich über die Frage der Wissenschaftlichkeit Gedanken gemacht: »Die Frage ist, ob Aufstellungsarbeit überhaupt wissenschaftliche Belege braucht. Da scheiden sich die Geister. Betrachtet man diese Arbeit mit der Sichtweise eines deterministischen Weltbildes, dann wäre die Antwort ein klares Ja. Betrachtet man die Sache mit einem holistischen Weltbild, dann fällt die Antwort anders aus. Es gibt seit den 90iger-Jahren viele empirische Forschungen, die sich aber nur mit den Ergebnissen der Arbeit auseinandersetzen. Einige wenige Arbeiten – aus dem Bereich der Physik – befassten sich mit dem Hintergrund und den ›logischen‹ Zusammenhängen. Trotzdem kann man sagen, dass es bisher keine bedeutende wissenschaftliche Forschung zu dem Thema gibt.«

Ende letzten Jahres erschien ein neues Buch zu diesem Thema mit dem Titel »Dreierlei Wirksamkeit« von Jan Weinhold et al. Das Buch stellt den Aufbau und die Ergebnisse einer Studie vor, bei der über 200 Teilnehmer von Aufstellungsseminaren befragt wurden. Dabei wurde an der Universität Heidelberg die Wirksamkeit nun erstmals in einer randomisiert-kontrollierten Studie überprüft.

Veronika Aumaier: »Wissenschaftlich belegt durch Schlötter ist, dass Systemaufstellungen eine Art Metakommunikation und reine Form der Selbstreflexion sozialer Systeme sind. Damit ist die von Matthias Varga von Kibed bezeichnete ›repräsentative‹ Wahrnehmung wissenschaftlich beobachtbar, reproduzierbar und nachweisbar. Darüber hinaus beschäftigen sich zahlreiche Studien und Forschungsarbeiten mit der Wirksamkeit/Effizienz von Organisationsaufstellungsmethoden, die u. a. das Erkennen von Arbeitsprozessen, das Einbeziehen ausgeblendeter Zusammenhänge, das klare Wahrnehmen von Aufgaben- bzw. Zielorientierung, das Lösen komplexer Fragestellungen bei Abteilungs- oder Firmenzusammenschlüssen zum Thema haben.«

Nutzen und Grenzen

Anfänglich ist die Methode vor allem durch Familienaufstellungen bekannt geworden. Später bemerkte man, dass man das in allen Systemen verwenden kann. Natürlich fand es daher auch Einzug in Unternehmen.

Elisabeth Jelinek kennt die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten gut: »Sehr oft arbeiten wir im Bereich der Transformation, wenn es in den Konzernen oder Organisationen Veränderungsprozesse gibt. Da braucht es Neuausrichtungen, Strategie – und Organisationsentwicklung in Richtung Vision, Ziele usw. Ebenso greift die Methode bei Personalfragen oder Marketingstrategien. Gut einsetzbar ist Organisationsaufstellung vor allem in Kombination mit Coaching bei Führungskonflikten. Hinter manchen Problemen wie z. B. psychologischen Projektionen (z. B. Chef als Vater) öffnet sich die Grenze hin zur Familienaufstellung. Hier ist besondere Sorgfalt in Bezug auf den Kontext und das Setting nötig. Intime vertrauliche Arbeit vor versammelter Mannschaft ist nicht angebracht. Hier muss ein anderes Setting  vorgeschlagen werden. Schwierig wird es auch bei Konflikten von Familienunternehmen, wenn es z. B. um Nachfolge geht. Hier verschwimmen die Grenzen zur reinen Organisationsaufstellung ebenfalls hin zur Familienaufstellung. Verstrickungen sind hier vorprogrammiert. Aus seriösen Gründen stellt in der Beratungspraxis die Organisationsaufstellung nur ein Element eines Beratungsprozesses dar. Im Anschluss folgen meist andere Gesprächs- und Beratungstechniken, mit denen Interventionen und Wirkungsweisen überprüft und ergänzt oder aufgearbeitet werden können.«

Das Anwendungsgebiet ist riesig, da diese Methode in kurzer Zeit (teilweise in nur wenigen Stunden) Klarheit über ein ungelöstes Problem bringen kann. Doch es hat auch seine Grenzen, wie es Veronika Aumaier warnend ausdrückt: »Es gibt aus meiner Sicht ethisch moralische Grenzen, die der Aufstellungsleiter bestimmt, z. B. das Anliegen des Klienten, das bewusst einem anderen System schaden will (z. B. Mitbewerbern).«

Auch Luzia Fuchs-Jorg hat Grenzen erkannt: »Oft werden Probleme aufgestellt, die durch ein paar Gespräche oder durch angemessenes Verhalten rasch gelöst werden könnten. Die Führungsschwäche eines Abteilungsleiters kann auch durch Beobachtung vom Vorgesetzten erkannt werden und muss nicht durch eine Aufstellung sichtbar gemacht werden. Vor allem rate ich ab, eine Aufstellung mit systemeigenen Mitarbeitern durchzuführen. Sie zeigen nur das, was man sowieso schon kennt – nämlich die problematischen Kommunikations- und Verhaltensmuster.«

Seriosität

Es gibt leider viele unseriöse Aufsteller, die eine mangelhafte oder gar keine Ausbildung haben. Einige behaupten sogar, göttliche Eingebung gehabt zu haben, andere behaupten, ihr Wissen autodidaktisch erlangt zu haben. Wir wollten unbedingt wissen, woran seriöse Aufstellungsleiter erkennbar sind.

Elisabeth Jelinek nennt dazu vier wichtige Punkte:

»Sehen Sie sich das Profil des Aufstellungsleiters in Ruhe an!

Wirkt diese Person vertrauenswürdig auf mich? Wie agiert sie?

Wie ist die Person ausgebildet? Welche Erfahrung hat sie?

Nach welcher Schule geht der Aufstellungsleiter vor?

Wenn Sie unsicher sind, schauen Sie sich probehalber einmal nur als Repräsentant eine Aufstellung an.« Bei vielen Aufstellungen werden regelmäßig Repräsentanten gesucht, daher gibt es diese Plätze meist sehr günstig bis kostenlos.

Auch Luzia Fuchs-Jorg betont, wie wichtig die Ausbildung der Aufstellungsleiter ist: »Aufstellungsarbeit – insbesondere Organisationsaufstellungsarbeit – erfordern eine fundierte Ausbildung und vor allem psychotherapeutische Grundkenntnisse. Oft treten unterschwellig persönliche Themen zutage, die im Kontext nicht gelöst werden können und ohne eine fachlich qualifizierte Leitung zu schweren emotionalen Belastungsreaktionen führen können.«

Beispiele aus der Praxis

Damit man sich ein besseres Bild der unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten machen kann, haben wir unsere drei Interviewpartnerinnen auch um Beispiele aus ihrer Praxis gebeten:

Veronika Aumaier: »Unser Kunde, ein Unternehmer der Dienstleistungsbranche, verfügte bereits über ein breites Produktportfolio und wollte Klarheit bezüglich zukünftigem Angebot.  Er hatte sich dazu einige Fragen gestellt: Sollten alle Dienstleistungen beibehalten werden oder sollten manche aufgelassen werden? Welche neue Dienstleistungen sind für die bestehenden Kunden interessant? In einem ca. 30-minütigen Interview wurden die konkrete Frage und alle in diesem Zusammenhang relevanten Einzelteile vorab geklärt. Die aufzustellenden Systemteile wurden mit Abkürzungen versehen, deren Bedeutung nur dem Kunden und mir als Aufstellungsleiterin bekannt waren. So wurde das Anliegen anonym gehalten. Danach wählte der Kunde Repräsentanten, die beim Vorgespräch nicht anwesend waren. Ich befragte jeden einzelnen Repräsentanten, führte Interventionen durch und stellte Repräsentanten um. Die Aufstellung selbst dauerte ca. 2 Stunden. Ständig war ich während dieser Zeit mit dem Kunden in Kontakt und bestrebt, dass er sich in »seinem Film« befand, dass jede Äußerung der Repräsentanten Anschluss fand und in seiner Bedeutung von ihm verstanden wurde. Das Lösungsbild zeigt eine neuartige Produktbündelung, die alle bisherigen Dienstleistungsangebote neu kategorisierte und zusammenfasste. Diese fanden bei den Repräsentanten für bestehende und neue Kunden Interesse und Zustimmung. Der Kunde war begeistert über die Klarheit des Lösungsbildes und startete umgehend die Umsetzung, die in einem Homepage-Relaunch und einem neuen Folder ihren Niederschlag fand.«

Elisabeth Jelinek: »Der Kunde war der Sohn eines Firmeninhabers, ca. 30 Jahre alt, Techniker und Produktentwickler im Familienbetrieb. Er sollte die Firma übernehmen. Dieser Aufgabe fühlte er sich nicht gewachsen. Die Firmenübergabe sollte in absehbarer Zeit stattfinden. Jedoch gab es keine klare Auseinandersetzung. In der Aufstellung wurde klar, dass der Sohn der Firma nahe stand, durch die viele Arbeit aber fast keinen privaten Kontakt zum Vater pflegte, jedoch Sehnsucht danach hatte. Er hatte auch Angst davor, die Firma zu übernehmen und dann gar keinen Vater mehr zu haben. Der Vater wollte nicht immer auf die Firma schauen, er wollte auch seinen Sohn sehen, hatte aber auch Probleme, sich von der Firma zu lösen. Auch für den zweiten Sohn war der Vater emotional weit weg, die Firma war dazwischen. Der Repräsentant für die Firma fühlte sich alleine gelassen und hielt Ausschau, wie er Führung bekommen könnte. Der Vater wollte die Firma nicht verlieren. Sein Sohn rückte in seine Blickrichtung, was sich sofort besser anfühlte. Die Firma war mittlerweile angespannt, wollte Taten sehen, eine Regelung sollte kommen, damit sie ihr Potenzial leben kann. Der Klient (Sohn) erkannte, dass er die Firma verlieren könnte, wenn nicht bald eine Entscheidung fällt. Nun holte der Aufstellungsleiter die ›Nachfolge‹ dazu: Die Firma wollte die Nachfolge sehen. Als die Nachfolge kam, wollte der Sohn nur zum Vater oder zum Bruder. Er empfand körperlich die Nachfolge als Katastrophe. Hier zeigte sich ein Wendepunkt: Der Sohn hatte starke Angst, bei Antritt der Nachfolge den Vater ganz zu verlieren. Der Aufstellungsleiter begann mit der Prozessarbeit: Im Sinne von Firma und Privates zu trennen und Impulse zu finden, wie der Sohn mit dem Vater im Privatleben eine bessere Beziehung aufbauen kann. Es wurde transparent, wie sehr die Beziehung zwischen Vater und Sohn noch Zeit und Beziehungsaufbau braucht. Je mehr sich die beiden annäherten, umso entspannter wurde die Firma.«

Luzia Fuchs-Jorg: »Der Geschäftsführer und Inhaber eines kleinen Familienbetriebes in der zweiten Generation kam zum Coaching, weil es im Unternehmen seit Jahren immer wieder zu unerklärlichen Abgängen von besonders gut qualifizierten Mitarbeitern kam. Umsatz und Ertrag gingen merklich zurück. Dies führte zu Streitigkeiten unter den Familienmitgliedern, die alle im Betrieb arbeiteten. Kurz bevor uns der Inhaber kontaktierte, hatte sein Sohn, der den Betrieb übernehmen sollte, gedroht, das Unternehmen zu verlassen und etwas Neues aufzubauen. Nach dem Erstgespräch schlugen wir eine Organisationsaufstellung vor: Zu Beginn zeigte sich klar das Bild, wie es der Inhaber geschildert hatte. Der Sohn, die Tochter und einige Schlüsselmitglieder wollten aus dem System. Als der Aufstellungsleiter die Gründungsmitglieder des Unternehmens in das Feld stellte, wichen alle Mitglieder zurück, und so entstand ein großes leeres Feld, auf das alle hinstarrten. Gefragt nach der Gründungsgeschichte fiel dem Inhaber ein, dass es einen Bruder des Gründers gab, der die eigentliche Idee für das Kernprodukt hatte und der es meisterhaft entwickelt hatte. Die Brüder hatten jedoch gegensätzliche geschäftliche Vorstellungen, die zusehends zu schweren Streitereien und letztlich auch zu einer körperlichen Auseinandersetzung führten, bei welcher der Bruder schwer verletzt wurde und an deren Folgen er später starb. Im Betrieb wurde nie mehr von ihm gesprochen – auch in der Familie war das Thema tabu. Als der Aufstellungsleiter den Bruder des Gründers in das System stellte, war das Problem-Bild komplett und alle Mitarbeiter, aber auch die Kunden wichen entsetzt zurück. Nach einigen symbolischen und ritualisierenden Handlungen beruhigte sich der »Bruder« und auch zusehends das ganze System. Der Auftraggeber war deutlich berührt und konnte sich gegen seine Tränen nicht wehren. Er sagte, dass plötzlich ein Panzer, den er immer schon um seine Brust verspürt hatte, aufbrach und dass er plötzlich frei und entspannt atmen konnte. Es ging im sehr gut und er strahlte über das ganze Gesicht. In der Nachbesprechung, die ein paar Tage später stattfand, berichtete der Coachee, dass sich sofort etwas verändert hatte. Wie durch ein Wunder kam ein abgewanderter Kunde zurück und wollte weiter mit dem Unternehmen als Partner arbeiten. Der Sohn berichtete von einer neuen Leichtigkeit und dem Wegfall des Gefühls von Schuld. Der Manager, der schon seine Kündigung eingereicht hatte, zog diese zurück. Eine wunderschöne Erfolgsgeschichte.«

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