Die Kaffeetassen der Teilnehmer waren längst kalt geworden. Niemand dachte ans Trinken, als Gernot Winter (Mitbegründer von superintelligenz.eu) seine letzten Folien präsentierte. Der Experte für Künstliche Intelligenz hatte die versammelten HR-Manager beim HR-Circle in Wien in seinen Bann gezogen – und dabei einige unbequeme Wahrheiten ausgesprochen.
Er zitierte unter anderem aktuelle dänische Studie die zeigt, dass bereits 45% der HR-Fachkräfte KI-Systeme wie ChatGPT nutzen – allerdings meist im Verborgenen. Und auch Mitarbeiter anderer Abteilungen nutzen es. „Ihre Mitarbeiter sind längst dabei, Sie wissen es nur nicht“, konfrontierte Winter sein Publikum. Und wenn es hier keine Mitarbeiter-Guidelines gibt, kann es zu rechtlichen Problemen kommen.
Besonders aufhorchen ließ die Teilnehmer eine Erkenntnis aus der präsentierten Forschung: Mitarbeiter verschweigen ihre KI-Nutzung oft aus Angst vor negativen Konsequenzen. Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, sorgen sich um ihre Reputation oder befürchten, mit noch mehr Arbeit überhäuft zu werden. „Wir stehen vor einer stillen Revolution“, kommentierte Gernot Winter in der anschließenden Diskussion, „und die meisten Unternehmen haben sie noch nicht einmal bemerkt.“
Der Klarna-Schock
Die Atmosphäre im Saal wurde spürbar angespannter, als der KI-Experte das Beispiel „Klarna“ präsentierte. Der Chatbot des Finanzdienstleisters ersetzt seit Februar 2024 sage und schreibe 700 Mitarbeiter – bei gleicher Kundenzufriedenheit, schnelleren Antwortzeiten und 40 Millionen Dollar Gewinn. „Das ist keine Zukunftsmusik mehr“, zitierte Gernot Winter Klarna-CEO Sebastian Siemiatkowski, „das passiert jetzt.“
„Wir als Gesellschaft und Sie als HR-Manager müssen uns Gedanken machen, ob wir das wollen und wie wir im Unternehmen mit Effizienzsteigerungen von bis zu 30 % umgehen“, appelliert Gernot Winter.
Der Zeitfaktor wird unterschätzt
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut zitierten Studien können KI-Systeme bereits heute ein Drittel der Tätigkeiten um durchschnittlich 50% beschleunigen. “Wer jetzt nicht handelt, wird überholt“, warnte Gernot Winter. Gleichzeitig mahnte er zur Besonnenheit: „Schnell beginnen, aber behutsam verändern“ lautete sein Rat an die HR-Verantwortlichen.
Vom HRM zum HMRM
Der vielleicht wichtigste Appell des Vormittags: HR muss sich neu erfinden. Aus klassischem Human Resource Management wird „Human Machine Resource Management“ – eine Schlüsselrolle bei der Integration von Mensch und Maschine. Die Aufgabenliste ist lang: von der Revolution des Lernens über die Anpassung von Recruiting bis hin zur Entwicklung ethischer Richtlinien.
Die Diskussion geht weiter
Beim anschließenden Frühstück wurde hitzig weiterdiskutiert. „Ich dachte, wir hätten noch Jahre Zeit“, gestand ein Teilnehmer. „Jetzt wird mir klar: Wir müssen heute anfangen.“ Eine andere Managerin ergänzte: „Das Beeindruckendste war für mich die Erkenntnis, dass die Transformation längst läuft – nur eben unter dem Radar.“
Winters Abschlussworte hallten noch lange nach: HR steht vor der größten Transformation ihrer Geschichte. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell Unternehmen sich anpassen. Der HR-Circle hat eines deutlich gemacht: Die Zukunft hat bereits begonnen.
Die nächste Veranstaltung des HR-Circles findet am 30. Jänner 2025 statt: „Tabus im Betrieblichen Gesundheitsmanagement“