Im Oktober startete eine neue Coaching-Ausbildung bei ITO. TRAiNiNG hat sich das erste Modul im Detail vor Ort angesehen.
»Bereits am Nachmittag des zweiten Tages werden Sie alle hier eine vollwertige Coaching-Session abgehalten haben«, behauptet unsere Trainerin am Morgen des ersten Tages der Ausbildung. Der gesamte Lehrgang umfasst 4 Module, die jeweils 4 Tage dauern. Die Coaching-Ausbildung ist von Marilyn Atkinson, Gründerin von Erickson International, entwickelt und entspricht auch den Standards von der International Coach Federation. Da Erickson International in 40 Ländern vertreten ist, ist es auch möglich, einzelne Module in unterschiedlichen Ländern zu absolvieren, was tatsächlich auch Teilnehmer an dieser Ausbildung vorhaben.
Miglena Doneva-Doncheff ist die Programm-Managerin bei ITO und organisiert die Ausbildung in Österreich. Bei diesem Modul 1 fungiert sie als Co-Trainerin und unterstützt die Teilnehmer bei den Übungssessions: »Einer der großen Vorteile an dem Programm liegt an dem internationalen Know-how und der 37-järigen Erfahrung damit. Teilnehmer kommen aus ganz Europa zu uns, um hier die ganze Ausbildung oder nur einzelne Module zu absolvieren.«
Die Ausbildung trägt den Namen von Milton Erickson, amerikanischer Psychiater und Psychotherapeut, der als der Großvater des lösungsfokussierten Coaching-Ansatzes gilt.
Unsere Trainerin für das Modul 1 in Wien heißt Carla Benedetti und ist gebürtige Italienerin. Sie arbeitete in den letzten Jahren rund um den Globus für Erickson International als Coach und Coaching-Ausbilderin. Man hört nach wenigen Sätzen heraus, dass sie wirklich weiß, wovon sie spricht. Dass das Seminar in englischer Sprache stattfindet, ist ein weiterer Mehrwert und stellt für keinen der Teilnehmer ein Hindernis dar.
Die Gruppe ist angenehm klein und überschaubar. Die Teilnehmer teilen sich den Wunsch, in irgendeiner Weise in Zukunft als Coach zu arbeiten. Es sind Personen dabei, die sich als Coach selbstständig machen möchten, andere, die in ihrem Unternehmen zusätzlich als Coach auftreten werden, und wieder andere, die als Intercultural-Coach arbeiten möchten. Die Teilnehmer kommen aus Ungarn, Deutschland, der Schweiz, Bulgarien, Serbien und natürlich Österreich.
Die vier Module beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im ersten Modul wird die Basis gelegt, der Zugang zum Coaching besprochen sowie die Haltung und Rolle eines Coachs geübt. Außerdem lernen die Teilnehmer den kompletten Ablauf einer Coaching-Session kennen. Im Besonderen wird geübt, herauszufinden, was das konkrete Anliegen des Klienten ist – sein Coaching-Ziel. Im zweiten Modul wird trainiert, wie ein Coach den Coachee unterstützen kann, sein Coaching-Ziel zu erreichen. Im dritten Modul geht es um die Werte-Integration des Klienten. Und im letzten Modul arbeiten die Teilnehmer daran, herauszufinden, woran der Klient erkennt, dass er seine Coaching-Ziele erreicht hat.
Nach einer kurzen Kennenlernrunde und ersten Infos zum Hintergrund der Erickson-Schule wird zunächst der Begriff »Coaching« definiert und zu anderen Disziplinen wie Training oder Consulting abgegrenzt. In der »Erickson-Philosophie« hat die Vergangenheit des Klienten auf ein Coaching-Thema wenig Relevanz, das Problem steht nicht im Fokus, sondern die Lösung. Um diese zu finden, wird systemisch gearbeitet, also alle möglichen Einflussfaktoren auf eine Lösung berücksichtigt.
»Wir greifen nur dann auf Erfahrungen der Vergangenheit zurück, wenn es eine positive und unterstützende Ressource sein kann«, erzählt Carla Benedetti.
Am Vormittag geht es vor allem um die Einstellung, die es braucht, um als guter Coach zu arbeiten, und wie man in schneller Zeit Rapport zum Klienten aufbauen kann, also eine vertrauensvolle Stimmung schafft. Die Trainerin geht dabei ausführlich auf die 5 Erickson-Prinzipien ein, die jeder Coach verinnerlicht haben sollte:
- Der Klient ist OK, so wie er ist.
- Der Klient hat alle Ressourcen in sich.
- Der Klient hat positive Absichten.
- Der Klient trifft immer die beste Entscheidung.
- Die Veränderung ist unvermeidlich.
Nach einer längeren Diskussion über all diese Punkte lernen wir, was es bedeutet, richtig zuzuhören. Die Trainerin erklärt uns, dass es drei Ebenen von Zuhören gibt: 1. Ebene – Wir hören auf den Inhalt und reagieren entsprechend wie wir denken, fühlen und verstehen, was gesagt wird. 2. Ebene – Der Fokus liegt auf der Struktur der Sprache und was für den Klienten am wichtigsten ist. 3. Ebene – das ist die Ebene, auf der Coaches zuhören. Hier wird der gesamten Person zugehört, mitsamt der Körpersprache, Tonalität, Emotionen usw. Der Fokus zielt auf den Klienten, was für ihn wichtig ist. In einer Übung stellen die Teilnehmer sehr schnell fest, dass das einfacher klingt, als es tatsächlich ist.
Die Trainerin erzählt zwischendurch immer wieder Geschichten aus ihrer persönlichen, langjährigen Praxis. Sie arbeitet viel mit Storytelling und Metaphern, um einige Punkte klar zu transportieren. Das macht die Ausbildung kurzweilig und abwechslungsreich. Der Methodenmix zwischen Inputs, Diskussion, Erfahrungsaustausch und Übungen sorgen dabei für den nachhaltigen Lerntransfer. Inhaltlich werden auch Themenbereiche angesprochen, die dazu dienen, den Prozess nicht nur zu kennen und zu können, sondern auch zu verstehen, wie z. B. Erkenntnisse der Neurowissenschaft.
Die Teilnehmer lernen an den ersten zwei Tagen eine klare Struktur eines Coaching-Gesprächs kennen und werden mit konkreten Schritten vertraut gemacht, um eine Session durchzuführen. Sie üben, wie man in jedem Gespräch einen Coaching-Vertrag mit dem Klienten schließt. Dabei geht es vor allem darum, den Coachee zu unterstützen, klare Ziele zu formulieren, die spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und terminisierbar sind. Nur so kann der Klient nach dem gesamten Coaching-Prozess herausfinden, ob er seine Ziele erreicht hat. Mehrfach während des ersten Moduls betont die Trainerin, dass es wichtig ist, sein eigenes Ego aus dem Prozess zu nehmen, nicht zu interpretieren und den vollen Fokus auf den Kunden zu legen. Und natürlich, dass ein Coach niemals Ratschläge erteilt, sondern ausschließlich dabei hilft, dass sich der Klient selbst helfen kann. Carla Benedetti nimmt dazu eine sehr demütige Haltung ein: »Wer sind wir schon, dass wir uns anmaßen, die Lösung auf die Probleme anderer Menschen zu haben? Wir können sie nur dabei unterstützen, ihre eigene Lösung zu finden.«
Während der Ausbildung üben die Teilnehmer die einzelnen Schritte im Coaching in Form kurzer Coaching-Gesprächs-Einheiten. Einmal in der Rolle als Coach – und einmal in der Rolle als Coachee. Nach jeder Session werden die auftretenden Probleme und Erfahrungen im Plenum reflektiert und besprochen. Die häufigsten Schwierigkeiten treten dabei auf, kraftvolle offene Fragen zu formulieren, und dabei den Prozess und den Ablauf stets im Auge zu behalten – gar nicht so einfach und für manche eine frustrierende erste Erfahrung.
Dazu die Trainerin mit lachenden Augen: »Leute, es ist heute erst der zweite Tag in eurem Leben, in dem ihr euch mit einem neuen Beruf beschäftigt. Wenn es so einfach wäre, wäre jeder ein Coach.«
Um uns zu zeigen, wie gutes Coaching funktioniert, demonstriert die Trainerin anhand eines freiwilligen Teilnehmers eine 20-minütige Coaching-Session. Die Teilnehmer sind begeistert, was alleine in 20 Minuten an die Oberfläche kommen kann, wenn die Fragen kraftvoll und hilfreich sind.
Die Erickson-Schule legt besonders viel Wert darauf, am Ende jeder Coaching-Session Handlungsschritte zu vereinbaren. Diese Ausrichtung auf das konkrete Handeln verfolgt einen transformativen Wandel in spezifischen, inspirierenden Schritten, die im Einklang mit den Werten und Visionen des Klienten stehen und die zu grundlegenden Veränderungen in Haltung, Verhalten und Gewohnheiten führen sollen.
Am Ende des zweiten Tages hält, wie versprochen, jeder Teilnehmer eine vollwertige Coaching-Session ab. Es ist noch holprig, aber funktioniert. Selbst in dieser Übungseinheit nehmen alle Coachees tatsächlich etwas für ihr Leben mit. Die Teilnehmer sind begeistert und können die weiteren Ausbildungstage und -module kaum erwarten.