Inside Silicon Valley, Design Thinking als Teil der Unternehmenskultur.
Nirgendwo ist die Digtalisierung so weit fortgeschritten wie in der Gegend rund um den US-Technik-Hotspot Palo Alto: Mitten in der Wüste ist nicht nur die Arbeit, sondern das gesamte Leben digital. Start-ups, die diese Entwicklung vorantreiben, schießen nur so aus dem Boden – und Unternehmen hierzulande können einiges von ihnen lernen, sagt Sabine Remdisch, Psychologin und Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität in Lüneburg, im Gespräch.
Frau Remdisch, Sie haben lange Zeit selbst im Silicon Valley an der Universität Stanford geforscht. was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders im Gedächtnis geblieben?
Besonders beeindruckt hat mich die Kultur des permanenten Veränderns. Innovation ist absolut positiv besetzt, man geht mit Eifer, Schnelligkeit und Neugierde an die Dinge heran. Das ist mir hierzulande noch nicht so intensiv begegnet, bei uns ist Innovation meist auch immer etwas angstbesetzt.
Was glauben sie: Welches Mindset steckt hinter dieser Begeisterung für das neue?
Das hängt mit der ausgeprägten Gründer-Mentalität zusammen, die dort alle zeigen: Jeder hat Ideen für eine Firmengründung, für neue Produkte und wie er die Ideen zur Marktreife führen kann. Eine wirksame Methode zum Innovationsmanagement ist Design Thinking: Dem begegnet man im Silicon Valley permanent, das ist Teil der täglichen Arbeitskultur.
Was steckt hinter dem oft benutzten Schlagwort des Design Thinking?
Design Thinking bedeutet zum einen, dass man Ideen sofort in einen konkreten Prototypen umsetzt, der Fokus liegt also auf dem „Machen“. Im zweiten Schritt zeigt man diesen Prototypen dann dem Nutzer, dem Kunden, und fragt nach Feedback. Die Perspektive des Kunden wird direkt in den Entwurf integriert. Das schafft von Anfang an eine Qualitätssicherung und macht auch die Entwicklungsprozesse sehr schnell.
Wie sehen Arbeitsplätze im Silicon Valley aus?
Man findet hier „smart workplaces“: Knowledge Worker im Silicon Valley brauchen nur ihren Rechner, WLAN und ein Smartphone zum Arbeiten. Das Zusammenarbeiten ist geprägt von collaboration: Das „Wir“ steht immer im Fokus, man nutzt gemeinsame Ablagesysteme, um eine Datei gemeinsam weiterzuentwickeln. Über dieses Data Sharing passieren die Schnelligkeit und der Ideenaustausch
Verändert das auch die Arbeitsweise von Führungskräften?
Natürlich ändert sich damit auch die Führungskultur. Drei Aspekte sind dabei laut unserer Studie ausschlaggebend: Zum einen geht es bei der Führung in der digitalen Welt um „moderating human networks“, also das Moderieren von vernetzt arbeitenden Mitarbeitern. Die Führungskraft achtet darauf, dass alle Schnittstellen hergestellt und die Ressourcen gut verteilt sind. Das zweite Thema ist Führen mit Visionen, konkret mit Storytelling. Ich muss in einer vernetzten, digitalen Arbeitswelt, in der meine Mitarbeiter oft über den gesamten Globus verteilt sind, eine Geschichte erzählen, in den Köpfen meiner Mitarbeiter über Geschichten präsent sein. Und als dritte Komponente brauche ich ein gutes Beziehungsmanagement: Die Führungskraft hilft ihren Mitarbeitern über gezieltes Coaching, noch innovativer, noch besser zu werden, und fungiert dabei als Ratgeber und Sparringspartner, auch bei Fragen der persönlichen Weiterentwicklung und Karriere
Stichwort Mitarbeiter: wie läuft das Recruiting im Silicon Valley ab?
Im Silicon Valley wird viel über Netzwerke und Empfehlungen rekrutiert. Die ideale Bewerbung ist – siehe Storytelling – auch eine Geschichte: Man muss emotional und sehr persönlich erzählen können, warum man in genau dieses Unternehmen möchte und was man dazu beitragen kann, das Unternehmen nach vorne zu bringen. Für die Firmen zählen das, was man schon bewirkt hat, und die eigene Persönlichkeit mehr als Zertifikate oder Ausbildungszeugnisse
Ist der klassische Lebenslauf – Ausbildung, 40 Jahre im selben Unternehmen, Pension – in seiner Starrheit damit Vergangenheit?
Die Arbeitsverhältnisse sind viel kurzfristiger. Man arbeitet beispielsweise ein, zwei Jahre in einem großen Unternehmen wie Google, wechselt dann in ein Start-up oder baut eines mit auf und kommt später vielleicht wieder zurück. Die großen Unternehmen fördern das: Die nehmen Leute, die beispielsweise ihr eigenes Start-up gegründet haben, gerne wieder zurück. Schließlich ist so eine Gründung mit enormer Erfahrung verbunden – die im Unternehmen dann wiederum sinnvoll eingesetzt werden kann.
Ihr Fazit? Was können Unternehmen vom Silicon Valley lernen?
Das Silicon Valley ist ein eigenes Ökosystem, das man nicht eins zu eins übertragen kann. Aber man kann von den Wirkprinzipien lernen und versuchen, sie auf die eigene Situation anzupassen: Daten als neue Währung, Schnelligkeit und Innovation. Traditionelle große Unternehmen können sich viel von Start-ups abschauen:Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort, das Zulassen von innovativen Prozessen und Strukturen, Kollaboration und das Teilen von Daten sowie Design Thinking als neue Arbeitsmethode. Die junge Mitarbeiter-Generation braucht die digitale Arbeitskultur – und Unternehmen, die mit guten Ideen die Welt bewegen.