Die Chancen Älterer am Arbeitsmarkt

Eine spannende aktuelle Studie ging unter anderem der Frage nach, welchen Beitrag Personalentscheider zur schlechten Arbeitsmarktsituation Älterer leisten.

Der demografische Wandel und die damit einhergehende Alterung der europäischen Gesellschaften hat weitreichende Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Sicherung von Pensionssystemen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung alternder Belegschaften und einer Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation. Das Potenzial Älterer für Unternehmen wird in Zukunft noch wichtiger, gleichzeitig gelten ältere Menschen neben Personen mit Migrationshintergrund als Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Arbeitsmarktchancen sind gegenüber Jüngeren vergleichsweise gering. Daten der Statistik Austria deuten auf höhere Arbeitslosigkeitsraten Älterer hin sowie eine längere Verweildauer in Arbeitslosigkeit. Darüber hinaus weist Österreich im europäischen Vergleich weitaus geringere Beschäftigungsquoten der Personengruppe 55 – 64 Jahre auf.

Jüngere Bewerber bevorzugt

Die vergleichbar schlechteren Chancen Älterer könnten zum einen ökonomische Ursachen haben (z. B. Produktivitätsunterschiede), zum anderen könnte dieser Umstand auch auf Arbeitgeber-Diskriminierung hindeuten bzw. den Umstand, dass Personen mit Personalverantwortung im Auswahlprozess jüngere Bewerber bevorzugen. Einen Hinweis darauf liefern Ergebnisse der Eurobarometer-Studie der Europäischen Kommission, die ein hohes Maß an subjektiver Altersdiskriminierung unter österreichischen Beschäftigten identifizierten. Gefragt nach ihren individuellen Erfahrungen im Arbeitsalltag gaben dabei 42 % der Befragten an, bereits selbst Opfer von Altersdiskriminierung gewesen zu sein. Diesen wertvollen, aber dennoch subjektiven Erlebnissen steht das Verhalten von Unternehmen während des Prozesses der Personalauswahl gegenüber. Welchen Beitrag leisten Personalentscheider zur schlechten Arbeitsmarktsituation Älterer? Und welche Chancen haben ältere Arbeitsuchende in österreichischen Unternehmen? Dieser Frage ging eine Studie der FH bfi Wien und der Universität Wien nach. Obwohl das österreichische Gleichbehandlungsgesetz jede Art der Diskriminierung aufgrund des Alters am Arbeitsmarkt verbietet, stellen Personalentscheidungen einen wichtigen Ausgangspunkt für die soziologische Ungleichheitsforschung am Arbeitsmarkt dar.

Personalverantwortliche in österreichischen Großunternehmen wurden zur Praxis ihrer Personalauswahl befragt. Gerade bei der Frage nach möglicher Diskriminierung handelt es sich um ein sensitives Thema, bei welchem Befragte eventuell »sozial korrekt« antworten. Aus diesem Grunde wurde ein experimentelles Design gewählt, die sogenannte Vignettenmethode oder auch faktorieller Survey genannt, welche im deutschsprachigen Raum noch wenig Beachtung findet. Vignetten sind kurze Situations- oder Personenbeschreibungen, deren Zusammenstellung in systematischer Art variiert wird. Im konkreten Fall der vorliegenden Studie beinhaltet eine Vignette eine Personenbeschreibung eines fiktiven Bewerbers, welcher sich um eine vakante Stelle bewirbt. Jeder Personalist erhielt acht verschiedene Bewerberprofile, welche in bestimmten Merkmalen variierten, wie z. B. Alter, Geschlecht, Empfehlung für eine Position, Auslanderfahrung. Attribute, welche auf das Humankapital schließen ließen, blieben jedoch konstant. Die Aufgabe bestand darin, diese Bewerberprofile im Rahmen eines Online-Fragebogens zu bewerten und zu entscheiden, ob man die jeweilige Person einstellen würde. Als wesentliche Stärke der Vignettenmethode wird der Umstand erwähnt, dass Befragten konkrete Szenarien vorgelegt werden und dadurch sozial erwünschtes Antwortverhalten minimiert wird. Gleichzeitig stellen fiktive Entscheidungen eine gewisse Einschränkung hinsichtlich der Frage dar, inwiefern sie »echte« Entscheidungsprozesse abbilden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass ein signifikanter Alterseffekt bei der Einstellung von Bewerbern in österreichischen Großunternehmen besteht oder – anders formuliert – dass die Chancen auf Zusage eines Unternehmens mit zunehmendem Alter abnehmen. Und dies, obwohl sich die fiktiven Bewerberprofile nicht in ihrem Humankapital unterscheiden und somit keine Produktivitätsunterschiede zwischen den Kandidaten gegeben sind. Dieser Effekt wurde daher als vorurteilsbasierte Diskriminierung interpretiert.
Die Untersuchung ist nicht nur der Frage nachgegangen, ob biologisches Alter per se für Unternehmen eine Rolle spielt, sondern auch, warum dies der Fall ist. Dabei wurden neben den hohen Kosten Älterer aufgrund von Senioritätsentlohnungen auch Aspekte wie die kurze Verweildauer Älterer bis hin zur Pensionierung sowie Überzeugungen, Ältere seien nicht flexibel und anpassungsfähig, genannt. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass neben dem Alter auch noch andere Faktoren wie das Sozialkapital, der Berufsstatus oder der berufliche Werdegang einen wesentlichen Einfluss auf die Rekrutierungschancen haben. Vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass Bewerber, welche über ein berufliches Netzwerk verfügen und für eine Position empfohlen werden, bessere Chance haben, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen als Personen, denen solche Netzwerke fehlen. Weiters untermauern die Ergebnisse, dass es wesentlich schwieriger ist, sich aus (wenn auch nur kurzer!) Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt zu re-integrieren als sich während eines aufrechten Dienstverhältnisses bereits um einen neuen Job zu bewerben. Auffallend war zudem, dass weder die persönlichen Eigenschaften der befragten Personalentscheider, noch der Organisationskontext einen Effekt auf die Rekrutierungschancen Älterer haben. Dies könnte auf eine generell negative Alterskultur in österreichischen Unternehmen hindeuten. Lediglich der Anteil an Älteren in einer Organisation wirkt sich positiv auf weitere Einstellungschancen Älterer aus.

Schlussfolgerungen

Die derzeitige Bundesregierung hat bereits Initiativen für Ältere, wie die »Aktion 20 000« für die Zielgruppe Langzeitarbeitslose, per Jahresende 2017 abgeschafft. Dies ist insofern dramatisch, als sowohl Alter als auch Arbeitslosigkeit per se den Eintritt in den Arbeitsmarkt erschweren und es hier zu einer noch ungünstigeren Wechselwirkung kommt. Kontinuierliche Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen stellen Möglichkeiten dar, die Chancen von Älteren am Arbeitsmarkt zu verbessern. Das Verbot von Diskriminierung aufgrund des Alters, welches im österreichischen Gleichbehandlungsgesetz geregelt ist, sollte speziell für die Phase der Personalauswahl beobachtet werden, beispielsweise in Form von Gleichstellungs-Körperschaften. Ältere, die bisher bereits während der Sichtung von Bewerbungsunterlagen ausselektiert wurden, hätten dann die Möglichkeit, am Auswahlprozess teilzunehmen und ihre Qualifikationen darzulegen. Nachdem die Kosten Älterer eine wesentliche Rolle spielen, müsste das Senioritätsprinzips adaptiert bzw. abgeflacht werden, wie von der OECD bereits seit einigen Jahren empfohlen wird. Nicht zuletzt stellen Arbeitszeitregelungen einen wichtigen Beitrag zum längeren Verbleib Älterer im Arbeitsleben dar. Dabei können Altersteilzeiten, die nicht in Form eines Blockmodells konsumiert werden, einen sanften Übergang von der Erwerbsarbeit in die Pensionierung darstellen.

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Doerfler_Laura

Gastautorin
Laura Dörfler
ist die Fachbereichsleiterin für Arbeitsgestaltung und wissenschaftliche Methoden im Bachelorstudium »Arbeitsgestaltung und HR Management« an der FH bfi Wien.
www.fh-vie.ac.at