In diesem Artikel geht es darum, welche Teile der Persönlichkeit man im Zuge eines Seminars verändern kann, ob man das überhaupt versuchen sollte und wie das Trainer konkret gestalten können.
Wer als Teilnehmer bei einem Hard-Facts-Seminar an einen schlechten Trainer gerät, hat im schlimmsten Fall Zeit und Geld verschwendet. Bei Soft-Skills-Trainings und insbesondere bei Persönlichkeitstrainings sieht die Sache etwas anders aus. Die Veränderung der eigenen Persönlichkeit will wohl niemand in schlechten Händen wissen. Bei manchen angebotenen Seminaren – oder auch Massen-Events – zu diesem Thema kommen bei erfahrenen Beobachtern große Zweifel auf. Ob solche Veranstaltungen wirklich für alle Beteiligten gut ausgehen?
Wir haben uns auf der Suche nach Antworten zu den Hintergründen von Persönlichkeitstrainings an 4 Experten gewandt: Gundl Kutschera, Gründerin und Inhaberin des Institut Kutschera;
Ronny Hollenstein, geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe Hollenstein; Elisabeth Jelinek, Eigentümerin und Geschäftsführerin der Jelinek Akademie und Monika Herbstrith-Lappe, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Impuls & Wirkung.
Zunächst geht es um Grundsätzliches: Können Trainer in einem Seminar die Persönlichkeit der Teilnehmer ändern? Sollen Sie das auch?
Gundl Kutschera: »Der Trainer macht Angebote zur Veränderung. Wenn er mit den Teilnehmern keinen ›psychologischen Vertrag‹ hat, kann er gar nichts ändern. Einen Vertrag zu haben, bedeutet in diesem Fall zu wissen, ob die Teilnehmer sich nur etwas ansehen wollen oder ob sie bereit sind, etwas zusätzlich zu lernen bzw. zu verändern. Manchmal ist es als Trainer wichtig, zuerst nur Informationen zu geben. Oft wollen die Teilnehmer später mehr wissen und sind dann bereit, sich auf persönliche Prozesse einzulassen.«
Ronny Hollenstein: »Sie können und sollen sie nicht verändern! Es geht vielmehr darum, die Persönlichkeit zu ent-wickeln und das im wortwörtlichen Sinn: Jeder von uns kann nahezu alles. Ein Mensch, der sich grundsätzlich beispielsweise als schüchtern wahrnimmt, kann unter günstigen Umständen sehr wohl aus sich heraus gehen. Unsere Aufgabe als Trainer besteht also darin, das, was die Person hemmt, weg zu wickeln, damit sie sich entfalten kann.«
Monika Herbstrith-Lappe: »›Öffne der Veränderung deine Arme und behalte dabei deine Werte im Auge‹, hat Dalai Lama treffend gesagt. Mir geht es nicht darum – und in meinem Verständnis hätte ich auch kein Recht dazu – die Persönlichkeit der Teilnehmer zu ändern. Vielmehr ermutige, bestärke und befähige ich die Teilnehmer, ihre einzigartige Persönlichkeit mit ihren individuellen Stärken und Potenzialen zu entfalten. Fort-Bildung im wahrsten Sinn des Wortes wäre schrecklich. Vielmehr soll es eine Hin-Bildung sein – hin zum persönlichen Wesenskern, der häufig in unserer Gesellschaft verschüttet wurde. ›Weißt du noch, wer du warst, bevor dir die Welt erzählt hat, wer du sein sollst?‹ ist eine von mir häufig gestellte Nachdenkfrage. Um als angepasstes Kind in unserer Gesellschaft zu überleben, haben viele von uns einschränkende Entscheidungen getroffen. Erlernte Hilflosigkeit nennt man dieses Phänomen des verletzten Selbstwerts in der Psychologie. Diese Knoten und Fesseln im Kopf zu lösen und beschränkende Glaubenssätze in bestärkende Erfahrungsschätze umzupolen, ist das Ziel meiner Trainings und Coachings.«
Elisabeth Jelinek: »Grundsätzlich kann nur jeder Mensch selbst seine Persönlichkeit ändern und dazu braucht es die Bereitschaft. Es liegt auch im Ermessen der Teilnehmer, wie weit sie sich auf Prozesse einlassen. Als Trainerin kann ich sehr wohl durch meine soziale Kompetenz auf die Teilnehmer einwirken und eine Persönlichkeitsentwicklung initiieren. Wenn wir von einem Seminar sprechen und nicht von einer Selbsterfahrungsgruppe, ist es immer ein eher schwieriges Unterfangen, eine gute Balance zu halten. Die Arbeitsweise in einem Seminar, wo genaue Ziele verfolgt werden, was die Teilnehmer erlernen, wissen, können und wollen sollen, erfordert ein bestimmtes Design, welches es auch einzuhalten gilt. Ein gutes Training kann eine schrittweise Bewusstseinsänderung durch Erkenntnis in Gang setzen.
Setzt man zusätzlich noch Reize im Sinne, dass die Teilnehmer handfest Experimente und Erlebnisse zu gewissen Themen durchführen, begibt man sich schon in eine Grauzone in Richtung Selbsterfahrungsgruppe, wo es unter Umständen schon sehr schwierig werden kann. Passiert es, dass sich dann ein Teilnehmer in eine derartige Übung voll einlässt und eventuell eine ›psychische Blockade‹ aufgeht, dann ist man als Trainer in der Verantwortung, die Situation handeln zu können. In einem Seminar taucht dann das Problem auf, dass man nicht die Zeit hat, tiefer in den Prozess einzutauchen, weil man ja ein Ziel zu verfolgen hat. Als Lösungsansatz bleibt dann die Verpflichtung, dass man in der Pause oder nach dem Seminar sehen muss, dass diese Person nachbetreut wird. Was gar nicht passieren darf, ist, dass jemand sozusagen ›innerlich aufgerissen‹ und dann stehen gelassen wird und mit sich selbst nicht zurechtkommt. Aus diesem Grunde ist es immer ein Wagnis, gewisse Übungen anzuleiten. Die Auswahl von Übungen ist daher immer sehr sorgfältig zu treffen. Da braucht es schon ein gutes Fingerspitzengefühl und viel Kompetenz, um nicht zu scheitern.«
Welche Kompetenzen/Ausbildungen sollte man als Trainer unbedingt haben, wenn man solche Seminare leitet?
Gundl Kutschera: »Trainer sollten selbst Ausbildungen absolviert haben, die eine Persönlichkeitsentwicklung verlangen, d. h. der Trainer muss sich selbst einmal auf eine Persönlichkeitsentwicklung eingelassen haben. Er sollte selbst einen Prozess erlebt und gelernt haben, mit seinen eigenen Ängsten, Stress, Körper-symptomen und Ähnlichem umzugehen, nur dann kann er andere in diesen Prozessen führen.«
Ronny Hollenstein: »Persönlichkeitsseminare brauchen reife Charaktere als Trainer, fachlich und methodisch firme Experten. Der Trainer muss besonders hier wissen, wo seine Kompetenzgrenzen enden. Die Schnittstelle zur Therapie ist hier nicht weit und darf nicht überschritten werden. Eine therapeutische oder andere psychologische Ausbildungen sind deswegen sehr hilfreich. Dennoch muss immer klar sein, dass es sich hier um ein Training und keine Therapie handelt.«
Monika Herbstrith-Lappe: »Je fundierter und umfassender die Ausbildung der Trainer ist, umso wirkungsvoller kann man agieren. Neben den Kompetenzen ist die aufrichtige, moralische Haltung von entscheidender Bedeutung. Persönlichkeitstrainings können nur wirken, wenn sich die Teilnehmer vertrauensvoll darauf einlassen. Dieses Vertrauen verpflichtet. Je mächtiger und wirkungsvoller eine Methode ist, desto größer ist die Verantwortung, die ein Trainer übernimmt. Mit einem Plastikmesser kann man im Guten und Schlechten nur wenig ausrichten. Ein scharfes Skalpell kann höchst heilsam oder mörderisch sein.«
Elisabeth Jelinek: »Vor allem als ersten Schritt eine fundierte Trainerausbildung. Wenn man jedoch den Anspruch hat, bei den Teilnehmern auch eine Persönlichkeitsentwicklung in Gang zu setzen, ist es wichtig, selbst eine geklärte Persönlichkeit zu sein. Eine gute Coachingausbildung bietet sich als Zusatzqualität an, aber auch andere Fortbildungen in Richtung Persönlichkeitsentwicklung sollte man absolviert haben. Eines ist sicher, hat man nicht selbst viel Selbsterfahrung gemacht, sollte man auf alle Fälle die Finger davon lassen. Ich halte es dann für unverantwortlich.«
Bei der Auswahl eines Anbieters von Persönlichkeitstrainings sollte man also mehr noch als bei anderen Trainings unbedingt auf die Person des Trainers achten. Es sind die Persönlichkeit und Kompetenz des Trainers, die den Unterschied machen!
Während eines Seminars ist – unabhängig von dessen Dauer – vieles möglich, vieles aber auch nicht.
Welche Teile der Persönlichkeit lassen sich verändern, welche nicht oder nur ganz schwer?
Monika Herbstrith-Lappe: »Mir geht es einerseits um die Veränderung innerer Einstellungen und Glaubenssätze sowie andererseits äußerer Verhaltensweisen und Gesprächsgewohnheiten. Am wirkungsvollsten und nachhaltigsten gelingen Veränderungen, wenn beides im Einklang erfolgt.«
Elisabeth Jelinek: »Man kann dazu beitragen, dass sich das Welt- und Menschenbild ändert durch Erkenntnisse. Das ganze Feld der Kommunikation steht als Ansatzpunkt zur Verfügung. Im Vordergrund steht natürlich eine empathische Haltung. Es gibt unzählige Themen, die ich durch Seminare positiv beeinflussen kann.«
Ronny Hollenstein: »Wir können Haltungen und Verhalten verändern. Wenn innere Haltungen wie z. B. ›Ich bin/kann/will das nicht!‹ hinterfragt und gegebenenfalls aufgegeben werden, dann verändert das natürlich ein wenig die Persönlichkeit und ihr Verhalten. Genauso können wir konkrete Verhaltensziele für bestimmte Situationen oder situationsübergreifend formulieren und trainieren, die Verhaltensmuster verändern können. Das muss aber alles im Einklang mit der Persönlichkeit und nicht gegen sie passieren.«
Sind Seminare überhaupt ein geeignetes Mittel, eine Persönlichkeitsänderung zu versuchen? Oder sind andere Methoden besser geeignet? Wenn ja, welche?
Elisabeth Jelinek: »Natürlich kann man mit einem Seminar eine Entwicklung entrieren. Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Was soll das Ziel sein? Es ist auch genau zu überlegen, dass ich in einem Seminar nur begrenzte Möglichkeiten habe, auf einzelne Personen näher einzugehen. Zwangsläufig können auch Teilnehmer durchrutschen, die z. B. sich nicht äußern, dass sie Schwierigkeiten haben mit dem soeben Erlebten oder dem Gehörten.
Es gibt sicherlich in der Therapielandschaft viele bessere Methoden, um Selbsterfahrung zu machen. Jedoch – will jeder Mensch in eine Therapie gehen?
Ich habe viele Leute getroffen, die viel lieber alle möglichen bis ganz abstruse Techniken ausprobiert haben, bevor sie sich für eine Therapie entschlossen hätten.
Tiefer liegende Probleme wie frühkindliche Prägungen, Charaktereigenschaften, alt eingefahrene schlechte Gewohnheiten, sehr intime Probleme etc. sollten besser in einem anderen Kontext angegangen werden. Dazu kommt auch noch die Problematik der Vertraulichkeit. Im therapeutischen oder lebensberaterischen Kontext sowie im Coaching arbeitet man vertraulich. Da gibt es auch rechtliche Vorschriften und Standesregeln dazu. Im Trainingskontext könnte es passieren, dass sich die Trainer nicht immer bewusst sind, was sie anzetteln und wie man damit umzugehen hat. Dieses Feld sollte man besser berufeneren Experten überlassen.«
Ronny Hollenstein: »Seminare können Anstoß sein, sich weiter zu entwickeln und Hilfe bieten, bestimmte Ziele zu erreichen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Tiefergreifende Veränderungen sollten in Coachings und/oder Therapien angegangen werden.«
Was konkret wird in Seminaren gemacht, um die Persönlichkeit zu verändern? Inwieweit muss man da auf die einzelnen Teilnehmer individuell eingehen?
Gundl Kutschera: »Persönlichkeitsveränderung will man meist, um mit Problemen besser umgehen zu können. Was konkret gemacht wird, hängt davon ab, wie Trainer ein ›Problem‹ definieren. Ich definiere mit meinem Team Probleme folgendermaßen: Ein Problem ist, wenn man sich in einen Teufelskreis/eine Spirale so tief hineindreht, dass man nur mehr eine Möglichkeit sieht und diese immer wieder wiederholt, sodass man das Gefühl hat, festgefahren zu sein. Hier kann in Seminaren sehr viel passieren, indem die Teilnehmer Türen finden, die aus dem festgefahrenen Rahmen hinausführen. Die Teilnehmer haben dann in jeder gegebenen Situation mehr als drei Möglichkeiten zur Verfügung und können somit wieder wählen. Dies kann zu einer großen Persönlichkeitsentwicklung/-entfaltung führen. Beispiel hierzu: Wenn sich Menschen sehr über das Anderssein von anderen beschweren und sich dadurch in Konflikte hineinmanövrieren, kann es eine große Veränderung bringen, wenn sie lernen, ihren Ärger zu lösen und andere so sein zu lassen, wie sie sind. Dieser Prozess findet bei den Teilnehmern sehr unterschiedlich statt. Manche wollen gerne über ihre persönlichen Belange reden und manche gar nicht. Ein Persönlichkeitstrainer sollte flexibel sein und mit beiden Richtungen umgehen können.«
Monika Herbstrith-Lappe: »Ich nenne meine Methode Multi-Einzel-Coaching. In Kleingruppen-Trainings mit max. 12 Teilnehmern gehe ich auf jeden Einzelnen ein – im Wissen, dass die anderen von der Seite miterleben und so auch wieder ihre eigenen Handlungsfelder reflektieren. Geschichten sind eine wunderbare Möglichkeit, den Teilnehmern einen Spiegel zu bieten, in dem sich jeder für sich in seinen Themen erkennt.«
Ronny Hollenstein: »Wir hinterfragen in Persönlichkeitsseminaren Verhaltensmuster. Diese sind oft nicht einmal in der Persönlichkeit, sondern in Automatismen begründet. Durch diese Reflexion werden Haltungen und Verhalten kritisch analysiert und gegebenenfalls auch verändert. Hier ist ein individueller Zugang sehr wichtig. Somit sollten die Gruppen möglichst klein sein, auf Freiwilligkeit basieren und genügend Zeit bieten.«
Fazit
Die eingangs gestellten Fragen könnte man zusammenfassend so beantworten: Bestimmte Persönlichkeitsveränderungen lassen sich im Rahmen von Seminaren trainieren oder zumindest in Gang setzen. Für andere Veränderungen gibt es weitaus besser geeignete Methoden. Entscheidend für den Erfolg sind jedenfalls die eigene Bereitschaft zur Veränderung sowie die Kompetenzen und die Persönlichkeit des Trainers, der das Seminar leitet.