Die Strömungen der VUCA-Welt

In diesem Artikel beschreibt die Autorin Parallelen zwischen der Unter- und der Oberwasserwelt. Sie lesen, wie wir in einer VUCA-Welt besser zurechtkommen.

Erfolg braucht tatkräftige Entschlossenheit und vertrauensvolles Einlassen. Eine gesunde Balance zwischen diesen beiden Polen kann man beim Tauchen bestens trainieren. Nach fundierter Planung und solider Vorbereitung kann man wohltariert, schwerelos-schwebend, ruhig atmend die Freiheit der Dimensionen auskosten. Beim Erkunden der Unterwasserwelt sieht man die Oberfläche von unten. Ein tiefgründiger Perspektivenwechsel, der neue Sichtweisen erschließt.

Orientierung verschaffen

Vor jedem Tauchgang findet ein Briefing statt. So haben alle Teilnehmenden einen Überblick über die Ortsverhältnisse und den Plan. Meist werden auch Eventualitäten und potenzielle Gefahren besprochen. Wie häufig hört man allerdings im beruflichen Alltag: »Natürlich sollten wir uns zu einem Abstimmungsgespräch zusammensetzen und gemeinsam planen. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit.« Dem ist der Erfahrungswert entgegenzuhalten: Am meisten Zeit kosten die Gespräche, die man versäumt hat zu führen. Ja, es ist eine zeitliche Investition, das gemeinsame und gegenseitige Verständnis zu stärken. Diese beugt vor, dass man hinterher mit wesentlich mehr Aufwand Missverständnissen, Konflikten, Eskalationen etc. entgegensteuern muss.

Auf Gegebenheiten einstellen

Die Dynamik unseres gesellschaftlichen und beruflichen Umfelds würde in einem Briefing warnend als »Waschmaschine« angekündigt werden: immer wieder sich ändernde, schwer kalkulierbare Strömungen mit Verwirbelungen, die die Gefahr des Abwärtssogs erzeugen. Ober Wasser sprechen wir von der VUCA-Welt.

Heraklit hat schon gemeint: »Heute schon tun, woran andere morgen erst denken, denn beständig ist nur der Wandel.« Offensichtlich ist Veränderungsresistenz seit der Antike ein Thema. Doch jetzt unterliegt selbst der Wandel einem Wandel: vom continuous zum disruptive Change. Das braucht eine Haltung der »Erfahrenen Anfänger« wie es Wolfgang Looss nennt: Ausgestattet mit den Erfahrungsschätzen die Bereitschaft aufbringen, sich immer wieder neu auf Situationen einzustellen.

Kluger Umgang mit Strömungen

Beim Tauchen mit Strömung kann man Eigenwirksamkeit intensiv trainieren: Einerseits wird man durch die Strömung massiv fremdgesteuert und andererseits kann man durch die Veränderung der Körperhaltung und Flossenstellung die eigene Bewegung steuern. Gegen starke Strömung anzukämpfen wäre sinnlos und führt zu einer drastischen Erhöhung des Luftverbrauchs.

Liebend gerne hätte ich mehr Einfluss auf die gesellschafts-, wirschafts- und sozialpolitischen Strukturen. Meine Gestaltungsmöglichkeiten sind jedoch beschränkt. Also versuche ich, innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen Bestmögliches zu bewirken. Ganz im Sinn des buddhistischen Grundsatzes: »Wenn du ein Problem hast, löse es. Wenn du es nicht lösen kannst, mache kein Problem daraus.« Sich mit Unveränderlichem auszusöhnen und zu arrangieren, ist gesund. Zu resignieren wäre der toxisch-ungesunde Doppelgänger.

Don’t panic

Jeder erfahrene Taucher kann vermutlich auf eine stattliche Anzahl von Situationen mit Panik-Potenzial zurückschauen. Völlig verkehrt wäre es in den meisten Situationen, schnell dem eigenen Instinkt zu folgen: ein unkontrollierter Notaufstieg kann tödlich sein.

Was also tun? Zuerst einmal: langsam und tief durchatmen! Dies führt über die bewusste Atmung direkt zu einer Beruhigung und Verlangsamung des Körpers. Das Gehirn hat wieder eine Chance, sich kreativ an der Lösung zu beteiligen. Dann schnell die möglichen Parameter der Handlungsoptionen durchspielen und die bestmögliche aussuchen.

Entscheidend ist einerseits, wieder in die Eigenwirksamkeit des Handelns zu kommen und andererseits, Unterstützung von anderen anzunehmen. Die schwedische Weisheit »Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste gefasst sein und es nehmen, wie es kommt« stärkt die Stressresistenz.

Um die Stromschnellen heil zu meistern, braucht es erhöhte Wachsamkeit für das Umfeld und Achtsamkeit mit sich selbst. Ich nenne diesen Zugang zur Selbstfürsorglichkeit »Stewardessen-Prinzip«: Zuerst sich selbst mit Sauerstoff versorgen, um dann die anderen gut unterstützen zu können.

Für guten Auftrieb sorgen

Mit guter Tarierung kann man die Wellenbewegung des Atmens spüren: das Ein- und Ausatmen verändert das Luftvolumen der Lunge und führt dadurch zu einem leichten Steigen oder Sinken – etwas zeitverzögert durch die Trägheit des Wassers. Mit der eigenen Lunge kann ich so meine Tauchtiefe steuern, mich ohne körperliche Anstrengung hinauf oder hinunter bewegen. Über Hindernisse wie z. B. große Korallenblöcke kann man sich dann mühelos hinwegatmen.

Ober Wasser sorgt gesundes Selbstvertrauen für souveräne Leichtigkeit und Auftrieb. Für den einen lohnende Herausforderung, für den anderen krankmachender Stress: In der subjektiven Einschätzung liegt der Unterschied. Das wirkliche – nämlich wirksame – Problem ist die Größe des Problems minus meinem Zutrauen in meine Fähigkeiten und meinem Vertrauen in die zugänglichen Möglichkeiten. »Was stimmt mich zuversichtlich, dass ich es schaffen werde?«, »Was habe ich schon geschafft und was traue ich mir daher zu?«, »Welche Stärken und Erfolgsstrategien haben sich dabei bewährt: Wie kann ich diese in der jetzigen Situation einsetzen?« sind Leitfragen für das Meistern kritischer Passagen in der VUCA-Welt.

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Herbstrith

Gastautorin Monika 

Herbstrith-Lappe

ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von  Impuls & Wirkung –  Herbstrith Management Consulting.

www.impuls.at