Die Welt von morgen: HR der Zukunft

Ob HR-Instrumente noch modern und am aktuellen Stand sind, das war Thema des diesjährigen Forum Personal. TRAiNiNG war dabei und hat nur Gutes zu berichten.

Mitte Oktober trafen einander rund 90 Personalisten, um beim Forum Personal des ÖPWZ dabei zu sein. Das Treffen fand, wie auch schon in den Jahren zuvor, in Salzburg statt. Der Kongress begann am ersten Tag erst um 10 Uhr, sodass auch eine Anreise aus der Hauptstadt kein Problem darstellte.

Die Themenvielfalt ist riesig, für jeden ist hier etwas dabei. Georg Horacek (Senior Vice President HR OMV AG und Präsident des Forum Personal) eröffnet die zweitägige Tagung und fragt in die Runde, ob die derzeit verwendeten HR-Tools noch die Realität abbilden. Dabei spricht er unter anderem Arbeitszeitmodelle und die veränderten Ansprüche an.

Die erste Keynote hält Wilfried Sihn (Professor an der TU Wien und Leiter Frauenhofer Austria) zum Thema Industrie 4.0. Er geht der Frage nach, welche Herausforderungen durch die vierte industrielle Revolution auf das Personalmanagement zukommt. Industrie 4.0 bedeutet eine Veränderung in der Produktion, mitdenkende Maschinen, Produkte, die selbstständig mit den Produktionsmaschinen kommunizieren und noch viel mehr »smarte Produkte«. So spricht Sihn beispielsweise von der smarten Aktentasche, die genau weiß, wann sich der Besitzer davon entfernt und sie möglicherweise vergessen hat. Die Tasche ruft dann den Besitzer einfach an. Er spricht ebenfalls von smarten Supermärkten, die keine Kassierer mehr benötigen. Und er bringt noch zahlreiche weitere Beispiele, wie die Welt von morgen aussehen könnte. Nun liegt es nahe, zu vermuten, dass durch eine noch höhere Automatisierung zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen und die Arbeitslosigkeit stark steigen könnte. »Das Gegenteil ist der Fall«, sagt der Referent. »Laut einer Untersuchung in Deutschland werden in der Bundesrepublik rund 600 000 Stellen verloren gehen – und zwar vor allem gering qualifizierte Stellen. Auf der Gegenseite werden allerdings 1 000 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.« Das Problem wird sein, dass wir mehr hoch ausgebildete Spezialisten benötigen. So ist – um beim Beispiel der smarten Aktentasche zu bleiben – folgende Herausforderung gegeben: Bisher brauchte ein Taschenproduzent Experten, die schneidern konnten, Gerber und Produktdesigner. In Zukunft werden sie auch sehr viele Techniker benötigen. Ein wirklich inspirierender Vortrag, der auch einige kritische Fragen offen lässt, wie z. B. das Thema Datenschutz etc. »Daten sind das Öl der Zukunft«, meint Sihn abschließend.

Im zweiten Vortrag kommt Claudia Felix vom AMS Wien zu Wort und präsentiert aktuelle Arbeitsmarktdaten und Trends. Die höchste Arbeitslosigkeit gibt es derzeit, und vermutlich auch in Zukunft, unter Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss besitzen, in Wien sind davon 37,5 % betroffen. In keinem einzigen österreichischen Bundesland wird im Jahr 2015 die Arbeitslosigkeit abnehmen. Der mit Abstand größte absolute (+ 18 200 Menschen) wie auch relative (+17,4 %) Zuwachs der Arbeitslosigkeit wird in Wien zu verzeichnen sein. Bei den vorgeschlagenen Lösungen hat man als Zuhörer ein wenig das Gefühl, dass das AMS selbst keine wirkliche Lösung hat, es wird auf die üblichen Maßnahmen wie Beschäftigungsprogramm 50+ und Eingliederungsbeihilfen eingegangen.

Nach einer kurzen Pause spricht Christian Moser (Media Consult Story Development GmbH) zum Thema Employer Branding und bezeichnet dieses als Königsdisziplin im HR. »Neue Mitarbeiter bewerben sich bei Marken, nicht bei Unternehmen«, sagt Moser und bringt Red Bull als Beispiel: Wofür steht Red Bull? Dynamik, Risiko, Freiheit, Adrenalin, Emotion, Leben und Tod etc. Daher werden genau solche Mitarbeiter angezogen, die risikobereit sind und im übertragenen Sinne den Tod in Kauf nehmen. Daher ist die Hire&Fire-Politik des Unternehmens für diese Zielgruppe angemessen. »Leiste oder du bist raus!« ist das Motto, und das wird auch durchgezogen.

Noch vor dem Mittagessen referiert Hansjörg Tutner (MAGNA STEYR AG) über neue Arbeitszeitmodelle. Er gibt Beispiele, wie MAGNA mit den neuen flexiblen Arbeitszeiten umgeht und spricht über Telearbeit und Crowdworking. Das Unternehmen bietet eine individuelle Flexibilisierung der Arbeitszeit, ein erweitertes Gleitzeitmodell mit kurzer Kernarbeitszeit, Homeoffice, Sabbatical-Möglichkeiten und seit September auch die Magna Kids World, also einen Betriebskindergarten.

Andreas Fill (GF Fill GmbH) hält danach einen exzellenten Vortag über sein Maschinenbauunternehmen. Die Fill GmbH hat ein großes Standortproblem, sie ist im tiefsten Innviertel angesiedelt, was nicht unbedingt junge Leute anzieht. Daher haben sie ein Lebensarbeitszeitprojekt gestartet und sprechen junge Menschen sofort bei der Geburt an. Kinder von Mitarbeitern bekommen erst einmal eine Willkommenskarte – zugegeben, die ist mehr für die Eltern. Zum 4. Geburtstag bekommt das Kind eine handgeschriebene Geburtstagskarte von »den Kollegen, die mit deinem Papi oder deiner Mami zusammenarbeiten.« Es gibt auch ein Maskottchen, dass als Stofftier an die Kinder verschenkt wird. Bei allen Betriebsausflügen sind Kinder auch eingeladen etc. So schafft das Unternehmen einen enormen Bekanntheitsgrad und sichert sich so seine Mitarbeiter der Zukunft.

Am Nachmittag geht es dann in Workshops, in denen gemeinsam diskutiert wird, in welche Richtung sich HR entwickelt. Als eine der Kernaussagen kommt die Anforderung an HR, in Zukunft »kreativer« zu werden, um die Ziele des Unternehmens mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter unter einen Hut zu bekommen.«

Noch vor dem gemeinsamen Sektempfang und dem Abendessen wird in einer Podiumsdiskussion das Thema Führung, Flexibilität und Menschenbild diskutiert. Unter anderem spricht Pater Christian Marte (Kardinal König Haus) darüber, dass es die Aufgabe einer Führungskraft ist, den Arbeitsalltag zu einer Erfahrung mit Sinn zu gestalten.

Am zweiten Tag referiert Manuela Traunwieser (Microsoft Österreich GmbH) über Arbeitsräume der Zukunft. Bei Microsoft gibt es ein sehr flexibles Arbeitsumfeld ohne fixe Arbeitsplätze. Alle Kalendereinträge der Mitarbeiter sind für jeden einsehbar. Eine Aussage macht allerdings nachdenklich: »Uns ist Work-Life-Balance ein zentrales Thema. Jeder Mitarbeiter kann gerne am Wochenende arbeiten, muss aber nicht.« Wir lassen diese Aussage jetzt einmal unkommentiert.

Andreas Fill, Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka, Dr.in Verena Margreiter, P. Dr. Christian Marte SJ, Mag. Christian Hennefeind und Karin Bauer am 08.10.2015 während der ÖPWZ (Österreichisches Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum) Tagung im Hotel Castellani, Salzburg, Österreich - © ERNST WUKITS -
Andreas Fill, Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka, Dr.in Verena Margreiter, P. Dr. Christian Marte SJ, Mag. Christian Hennefeind und Karin Bauer am 08.10.2015 während der ÖPWZ (Österreichisches Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum) Tagung im Hotel Castellani, Salzburg, Österreich – © ERNST WUKITS –

In der anschließenden Diskussion sprechen Oliver Seda (Spar Österreich) und Andreas Thaller (Generalsekretär BMBF) über Leistung: »Eines der größten Probleme ist die Auswahl an Kennzahlen zur Leistungsbeurteilung«, sagt Thaller. Um erfolgreich Leistung zu messen, muss diese erst ganz klar definiert werden, und das kommt häufig zu kurz. Wie definiert man Leistung von HR? Fluktuation und MA-Zufriedenheit sind die klassischen Instrumente. Doch was ist z. B. mit der Innovationskraft der HR-Abteilung? Natürlich muss auch die Leistung der Mitarbeiter gemessen werden, Oliver Seda hat dazu eine spannende Erfahrung gemacht: »Rund 80 % der Low-Performer waren bereits beim Eintritt ins Unternehmen Low-Performer.«

Fazit: Eine sehr arbeitsintensive Konferenz, von Anfang bis Ende gut organisiert. Es gibt keinen einzigen »Werbevortrag« von Beratern, sondern ausschließlich Best-Practice-Beispiele namhafter Unternehmen. Das Netzwerken, das aufgrund des dichten Programms untertags fast ein wenig zu kurz kommt, wird abends an der Bar nachgeholt. Die Frage, ob HR (noch) modern ist, lässt sich nicht klar beantworten. Viel Potenzial liegt z. B. bei neuen Arbeitszeitmodellen und bei Recruiting-Tools. Manch andere HR-Tools sind aber durchaus am Puls der Zeit. Wir freuen uns auf nächstes Jahr. 

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