Dienstleister Mensch

Wie viel Menschlichkeit verträgt eine Trainer/Kunden-Beziehung? Wie viel Menschlichkeit braucht sie? Darüber sinniert Gastautor Gregor Fauma.

»Sie müssen Dich, den Menschen wollen, nicht deine Dienstleistung!«, schallte es mir unlängst im Web entgegen. Ein charismatischer Berater gab Tipps zur Honorarsteigerung bei Trainern und Speakern. »Dann zahlen sie alles!«, schlussfolgerte er.

Da ist was dran, dachte ich mir. Und dachte gleich weiter, dass auch ich die Menschen mögen muss, damit sie Zugang zu meinen Dienstleistungen als Trainer und Coach haben dürfen. Wir einigen uns auf Remis. Was steckt da dahinter?

Trainer, die in ihrem Fach, in ihrer Dienstleistung wirklich gut sind, werden von Unternehmen auch gerne zu fachfremden Bereichen befragt. Sie mutieren zu Coaches, zu Beratern, zu Vertrauten der Unternehmer. Sie haben ein Vertrauen aufgebaut, das sich einerseits durch die fachliche Kompetenz begründet und andererseits durch die menschliche Komponente. Verschwiegenheit, Zurückhaltung, Offenheit und Ehrlichkeit – gepaart mit dem nötigen Ausmaß an Takt und guten Manieren – sind gute Voraussetzungen für eine langfristige Kundenbeziehung, bis hin zur Freundschaft. Man spürt es – irgendwann wollen sie dich, den Menschen. Und dass dieser Mensch auch etwas kann, wirkt dann schon fast nebensächlich, wenn auch selbstverständlich. Soll das den Preis hinaufschrauben? Soll der gebuchte Mensch, der vertraute, teurer sein als ein unbekanntes1 Dienstleister? Ich habe darauf zunächst keine Antwort. Angeblich hebt Verknappung die Nachfrage. Ist das sympathisch? Wie lange wollen die Kunden dich noch als Mensch, wenn du beginnst, Allüren zu entwickeln? Mir scheint das Konzept auf tönernen Füßen zu stehen. Tendenz dagegen.

Trainer sein bedeutet für die meisten Kollegen meiner Branche, so auch für mich, totale Hingabe zum Kunden. Wir werden geholt, weil wir gebraucht werden. Wir spüren die Verantwortung. Wir leben in der Angst, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Von unserer Performance hängt viel ab. Wir beginnen unsere Lehrtätigkeit mit einem Vertrauensvorschuss. Unsere Hingabe mündet dann oft in einer starken, temporären Zuneigung, angefeuert von entsprechender Empathie für die Probleme unserer Kunden. Man merkt als Trainer recht bald, ob man angenommen wird. Macht ein Kunde auf und lässt dich als Trainer zu, dann kann echt etwas weitergehen. Solche Kunden mutieren zu Lieblingskunden. Und am besten wäre es für uns Trainer, könnten wir ausschließlich mit Lieblingskunden arbeiten – so viel Selbstbestätigung schmeichelt jedem Ego.

Tja, und wenn man es sich leisten kann, dann setzt man das auch um: Man arbeitet nur noch mit jenen Kunden, die einem auch wirklich zu Gesicht stehen. Da stimmt die Chemie, da passt das Vertrauen, da ist die gegenseitige Wertschätzung stets präsent. Das erhöht natürlich die eigene Freude an der Tätigkeit und mündet dadurch in einem höheren Trainingserfolg. Was sonst oft mühsam und zäh scheint, wird durch die Freude spielerisch leicht und die Zeit vergeht wie im Flug. Doch woher soll man vor der Zusammenarbeit wissen, ob man zueinander passt?

Ich für meine Person frage daher immer bereits beim ersten Telefonat, wie der Kontakt zustande kam und bestehe auf ein persönliches Kennenlernen. Und ich sage dem prospektiven Kunden auch ganz klar, dass ich das für mich brauche – ich möchte Kunden auch ablehnen können, falls ich spüre, dass die Chemie nicht passt. Eine über Jahrzehnte aufgebaute gute Nachrede in der Branche kann relativ schnell zerstört sein, wenn die Chemie zum Kunden nicht stimmt. Davor gilt es sich zu schützen. Bis dato hat das noch jeder verstanden und eingewilligt. Und kaum ziert man sich, beginnen sie, dich so richtig zu wollen – und eine respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe kann beginnen. Schön für beide.

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Fauma

Gastautor
Gregor Fauma
ist ­Verhaltensbiologe, Trainer und ­Keynote-Speaker.
www.gregorfauma.com

 

Dieser Text nutzt für die sprachliche Gleichbehandlung aller Menschen geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen auf Basis des generischen Neutrums (siehe www.generisches-neutrum.com).