Der nachstehende Artikel behandelt die wesentlichen Abgrenzungskriterien zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag aus Sicht der Praxis.
Die Differenzierung zwischen echtem Dienstvertrag, freiem Dienstvertrag und Werkvertrag ist unter arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten wichtig und führt in der Praxis immer wieder zu Abgrenzungsfragen. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Merkmale auf welchen Vertrag schließen lassen und dass die richtige Zuordnung stets einer Gesamtbeurteilung aller Kriterien im Einzelfall bedarf.
Dauer- oder Zielschuldverhältnis
Im Unterschied zum Werkvertrag ist beim echten und freien Dienstvertrag entscheidend, dass dieser für eine (bestimmte oder unbestimmte) Dauer vereinbart wird. Für die Beendigung ist daher ein eigener Beendigungsakt (z. B. Kündigung) ausschlaggebend. Im Gegensatz dazu ist der Werkvertrag ein Zielschuldverhältnis, das automatisch mit der Vollendung des vereinbarten Werkes oder Auftrags endet. Aus der Vereinbarung einer Kündigungsfrist im Vertrag ist daher u. U. zu schließen, dass die Parteien ein Dauerschuldverhältnis vereinbaren wollten. Steuerberater, die ein steuerliches Gutachten für Klienten erstatten, sind Werkunternehmer. Wenn aber Steuerberater im Rahmen eines Werkvertrages der Steuerberatungsgesellschaft für diese berufseinschlägige Arbeiten ausüben (z. B. Steuererklärungen erstellen), kann abhängig von der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit ein (freies) Dienstverhältnis und damit ein Dauerschuldverhältnis vorliegen.
Vertragsgegenstand
In einem Werkvertrag ist der Vertragsgegenstand (das selbstständig und eigenverantwortlich herzustellende Werk) individuell konkret beschrieben, sodass grundsätzlich keine weiteren Konkretisierungen durch Weisungen des Auftraggebers notwendig sind. Der Vertragsgegenstand im Dienstvertrag ist hingegen generell abstrakt und wird durch Weisungen des Dienstgebers während der Dauer der Zusammenarbeit konkretisiert. Die Abgrenzung wird auch dadurch deutlich, dass echte und freie Dienstnehmer ihr Entgelt grundsätzlich unabhängig vom Ergebnis, Werkunternehmer aber den bestimmten vertraglich vereinbarten Erfolg schulden und nur diesfalls Anspruch auf (vollständige) Bezahlung haben. Die einmalige Mitwirkung eines Fotomodells bei Werbeaufnahmen, aber auch die selbstständige Herstellung eines EDV-Programms für den Auftraggeber durch externe IT-Dienstleister (mit deren eigenen Equipment etc.) sind Beispiele für einen Werkvertrag.
Persönliche Abhängigkeit
Im Unterschied zum Werkvertrag und freiem Dienstvertrag ist beim echten Dienstvertrag entscheidend, dass die Dienstnehmer an persönliche Weisungen des Dienstgebers gebunden sind.
Werkunternehmer und freie Dienstnehmer sind dagegen nur an sachliche Weisungen zum Auftragsgegenstand gebunden. Besonders zwischen echtem und freiem Dienstvertrag ist die – fehlende – persönliche Abhängigkeit zum Dienstgeber wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Die persönliche Unabhängigkeit der freien Dienstnehmer zeigt sich insbesondere in fehlender Weisungsunterworfenheit bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsort und dem Verhalten bei der Arbeit. Grafiker, die sich Arbeitszeit und Arbeitsort selbst einteilen können, auch sonst nicht an persönliche Weisungen gebunden sind und sich bei der Verrichtung der Aufgaben vertreten lassen können, werden regelmäßig als freie Dienstnehmer einzuordnen sein. Auch Buchhalter, die keiner Anwesenheitspflicht unterliegen, das Recht haben, Arbeiten einfach abzuweisen und auch an keine verhaltensbezogenen Weisungen gebunden sind, werden in der Regel freie Dienstnehmer sein.
Echte Dienstnehmer kann der Dienstgeber dagegen anweisen, die Arbeit auf eine bestimmte Art zu verrichten und bestimmte Arbeitsabläufe oder Bekleidungsvorschriften zu befolgen. Zu betonen ist aber, dass das Tragen von z. B. Sicherheitskleidung allein noch nicht für das Vorliegen eines echten Dienstvertrages spricht.
Vertretungsbefugnis
Freie Dienstnehmer haben das Recht, sich durch eine beliebige, fachlich geeignete Person vertreten zu lassen. Die Vereinbarung eines generellen und somit grundlosen Vertretungsrechts schließt aber nur dann einen echten Dienstvertrag aus, wenn das Vertretungsrecht auch tatsächlich genutzt wird oder die Nutzung bei objektiver Betrachtung angenommen werden kann. Die Vereinbarung eines Vertretungsrechts nur zum Schein, um den Folgen eines echten Dienstvertrags zu entgehen, soll dadurch vermieden werden. Vortragende, denen ein Ablehnungs- und Vertretungsrecht zusteht, sind regelmäßig freie Dienstnehmer. Boten, deren Ablehnungs- und Vertretungsrecht nur am Papier besteht und die zudem an fixe Arbeitszeiten gebunden sind, werden regelmäßig als echte Dienstnehmer zu qualifizieren sein.
Eingliederung in die betriebliche Organisation
Vom freien Dienstvertrag unterscheidet sich der echte Dienstvertrag dadurch, dass echte Dienstnehmer in die Organisation des Betriebes des Dienstgebers eingegliedert und im Zuge dessen an die betrieblichen Ordnungsvorschriften gebunden sind. Zu diesen zählen die Arbeitszeit, der Arbeitsort oder Arbeitsabläufe, aber auch die Nutzung der bereitgestellten Betriebsmittel (z. B. Schreibtisch). Die bloße Nutzung einzelner Einrichtungen des Dienstgebers bei der Erbringung der Tätigkeit ist dagegen keine Eingliederung, wie sie beim echten Dienstverhältnis typisch ist. Die Arbeit von Versicherungsagenten ist regelmäßig ein freies Dienstverhältnis, weil diese nicht in den Betrieb der Versicherungsunternehmen eingegliedert sind, für die sie arbeiten, und auch für Konkurrenzunternehmen tätig sein können.
In der Praxis ist für die Abgrenzung und die Gestaltung als freier Dienstvertrag zu berücksichtigen, ob es die konkreten Arbeitsabläufe ermöglichen, die Dienstnehmer tatsächlich nicht in den Betrieb einzugliedern. Werkunternehmer verrichten ihr Werk dagegen selbstständig und eigenverantwortlich, mit eigenen Betriebsmitteln und in ihrer eigenen Organisation.
Analoge Anwendung des Arbeitsrechts
Auf freie Dienstverträge sind bloß jene arbeitsrechtlichen Bestimmungen analog anzuwenden, die sich nicht aus der persönlichen Abhängigkeit der echten Dienstnehmer ableiten und auch keine Regelungen zum Schutz der sozial Schwächeren sind. Freie Dienstnehmer haben daher z. B. keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, keine Urlaubsersatzleistung, keinen Anspruch auf Überstundenentlohnung, Feiertagsentgelt, Sonderzahlungen oder bezahlten Urlaub. Auch die Bestimmungen zur Arbeitszeit (keine Höchstarbeits- oder Ruhezeiten) sowie allfällige Betriebsvereinbarungen oder Kollektivverträge (daher: keine kollektivvertragliche Entlohnung) sind nicht anwendbar. Weiters besteht kein Verbot von Kettenarbeitsverträgen, und auch die Schranken für nachvertragliche Konkurrenzklauseln gelten nicht. Einzelne Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes (wie z. B. Beschäftigungsverbot) sind aber auch auf freie Dienstnehmer anwendbar. Auf die Sondergruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen sind einzelne arbeitsrechtliche Bestimmungen (wie z. B. Dienstnehmerhaftpflichtgesetz oder Gleichbehandlungsrecht) anwendbar; dies kann z. B. gegeben sein, wenn die Person keine eigene Betriebsstätte oder Betriebsmittel hat und ihre Leistung persönlich nur für einen oder eine geringe Anzahl an Auftraggebern erbringt.
Plattformarbeit
Bei der »Plattformarbeit« oder »Crowdworking« werden Dienstleistungen (z. B. Personentransport) über eine Online-Plattform an eine unbestimmte Anzahl von Personen vermittelt. Bei dieser Art von Arbeit stellt sich häufig die Frage nach der Einordnung des Vertrages. Sind Crowdworker beim Crowdworking einer dauernden Kontrolle (z. B. im Zuge von Ratingsystemen) unterworfen, spricht das für einen (freien oder sogar echten) Dienstvertrag. Das gilt auch, wenn die Arbeitsabläufe durch die Plattform überwacht und Vorgaben zur Arbeitszeit gegeben werden. Wenn dagegen keine persönliche Leistungspflicht der Crowdworker gegeben ist und sie ein Ablehnungsrecht haben, kann auch ein Werkvertrag vorliegen.
Fazit
Ist ein als freier Dienstvertrag oder Werkvertrag abgeschlossenes Vertragsverhältnis aufgrund der konkreten Umstände in einen echten Dienstvertrag umzuqualifizieren, hat das erhebliche arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Folgen (verbunden mit Nachzahlungen von SV-Beiträgen, möglicher Unterentlohnung etc.). Für die Einordnung ist weder die Bezeichnung des Vertrages noch die Anmeldung bei der Sozialversicherung entscheidend. Maßgeblich ist die gelebte Vertragsbeziehung anhand eines beweglichen Systems der oben erwähnten Kriterien. So kann selbst bei vertraglicher Vereinbarung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahltem Urlaub ein freier Dienstvertrag vorliegen, wenn die anderen Merkmale der selbstständigen Tätigkeit überwiegen. Zu empfehlen ist, die mögliche Zuordnung anhand der Merkmale der in Frage kommenden Vertragstypen vorab zu prüfen und die wesentlichen Vorgaben möglichst klar vertraglich zu regeln und sich auch tatsächlich daran zu halten, um Umwidmungen zu vermeiden.