Durch Fragen zur richtigen Lösung

Woher kommt eigentlich Coaching? Wie läuft eine Coachingsitzung ab? Kann man als Coach reich werden? Was alles hinter der boomenden Coachingszene steckt, soll in diesem Artikel umfangreich erklärt werden. Dazu haben wir vier Coachingexperten interviewt.

Das Wort »Coach« bedeutet wörtlich übersetzt etwas wie »Reisebus«, »Wagen« oder »Kutsche«. Auf Wikipedia ist zu lesen (allerdings ohne Quellenangabe), dass der Begriff seit 1848 umgangssprachlich für private Tutoren für Studenten verwendet wurde. Im sportlichen Bereich ist der Begriff bereits 1885 in England und den USA in Gebrauch. Im Sport wird der Trainer häufig als Coach bezeichnet. In der Wirtschaft ist hier eine klare Abgrenzung definiert.

Während der Trainer Wissensvermittler ist, agiert ein Coach als Prozessbegleiter. Er ist nicht dazu da, Wissen zu vermitteln. Er soll den Klienten – auch Coachee genannt – durch gezielte Fragestellungen dazu bringen, selbst eine Lösung zu finden. Typische Fragestellungen kommen z. B. aus Führungssituationen im Unternehmen.

In Coachingausbildungen wird der Schwerpunkt auf Fragetechniken gelegt. Hier gibt es unzählige mögliche Fragen. Eine typische Coachingfrage könnte z. B. so aussehen: »Angenommen, Sie wären schon tot und würden auf Ihr Leben zurückblicken – wie würden Sie sich wünschen, in der jetzigen Situation reagiert zu haben?« oder »Fällt Ihnen eine ähnliche Situation ein, die Sie schon einmal gelöst haben? Wie sind Sie damals vorgegangen?«

Der Klient soll durch gezielte Fragen selbst auf die Lösung zu einem zuvor definierten Problem kommen. Der Coach gibt diesen Weg nicht vor.

Jemand, der in Österreich als Coach arbeiten möchte, braucht entweder einen Gewerbeschein als Lebens- und Sozialberater oder, wenn er im wirtschaftlichen Bereich coachen möchte, einen Gewerbeschein als Unternehmensberater. Wobei hier nicht die Berufsbezeichnung im Vordergrund steht, sondern die Art der Tätigkeit. Wenn sich also jemand Berater nennt und Coaching ausübt, braucht er einen Gewerbeschein. Eine Coachingausbildung alleine berechtigt nicht, um als Coach zu arbeiten.

Noch bevor man überlegt, eine Ausbildung zu machen und einen Gewerbeschein zu lösen, sollte man sich fragen, ob man jene Charaktereigenschaften hat, die ein Coach haben sollte.

Luzia Fuchs-Jorg (Geschäftsführerin KICK OFF Management Consulting GmbH) ist schon lange als Coach tätig und weiß genau, worauf es ankommt: »Die Charaktereigenschaften eines Coachs möchte ich in 3 Segmente teilen: in die Ich-Kompetenz, die Du-Kompetenz und die Wir-Kompetenz. Die Ich-Kompetenz beinhaltet mehrheitlich Aspekte der Selbst-Führung, wie zum Beispiel Selbst-Reflexion, Selbst-Wirksamkeit, Selbst-Entwicklung, hohe Ambivalenz-Verträglichkeit, Lernbereitschaft, Neugier, Diskretion, Selbst-Führung, Integrität, Standfestigkeit, Offenheit, Allparteilichkeit oder zumindest Neutralität, Kritikfähigkeit etc. Die Du-Kompetenz beinhaltet die Aspekte von Aufmerksamkeit, Empathie (sich in den anderen hineinversetzen), Konfrontationsbereitschaft, Glaubwürdigkeit und Authentizität, Interesse am Anliegen des Gegenübers, Zielorientierung und Prozess-Fähigkeit etc. Die Wir-Kompetenz enthält Aspekte von: Autorität, Zivilcourage, sich einlassen können auch auf unangenehme Themen, Diskretion, kritische Loyalität gegenüber dem Kunden, Nähe- und Distanz-Kompetenz, Integrationsfähigkeit statt Abgrenzung. Das klingt nach einer eierlegenden Wollmilch-Sau! Doch beobachtet man die Arbeit von erfahrenen Coaches, dann erkennt man rasch, wie facettenreich und vielfältig auf dieser Klaviatur gespielt wird.«

Sabine Prohaska (Inhaberin seminar consult prohaska): »Ein Coach sollte Menschen in ihrer Vielfalt gerne haben. Denn Coaching bedeutet eine intensive Auseinandersetzung mit dem Einzelnen, der Coach muss sich schnell auf die unterschiedlichsten Coachees einstellen können, zuhören können und jedem eine wertschätzende Haltung entgegenbringen. Denn Vertrauen und Wertschätzung sind die Grundpfeiler dafür, dass Menschen eine Verhaltensänderung überhaupt erwägen. Weiters ist es wichtig, eine gereifte Persönlichkeit, eine professionelle Haltung und natürlich auch grundlegende methodische und kommunikative Fähigkeiten mitzubringen. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Frage nach einem Mindestalter als Coach diskutiert. Wir haben als Bedingung für die Aufnahme in unserem Lehrgang mehrjährige Berufserfahrung und Reflexionsfähigkeit eingeführt. Meiner Meinung nach ist es wichtig, ein breites Erfahrungsspektrum mitzubringen, das z. B. berufliche Vorkenntnisse, Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen und z. B. auch die Bewältigung eigener ›Probleme‹ umfasst.«

Roman Braun (Geschäftsführer, Trainer und Coach bei Trinergy): »Ein Coach ist ein exzellenter Mitmensch. Um die Einstellung eines Coachs zu lernen, muss man sich in die Lage der großen Menschenveränderer versetzen: ihren Blick lernen – dem nichts entgeht, ihre Kreativität – die geniale Lösungen gebiert, aber es auch aushält, wenn sie nicht genommen werden, ihre Sprache – die geschliffen ist wie ein Skalpell. Nach Maturana und Luhmann ist ein Klient jemand, der feststeckt in einer Interpretation von sich selbst, anderen und/oder der Welt. Ein Coach ist demnach jemand, der davon überrascht ist, dass sich der Klient mit all seinen Möglichkeiten seit geraumer Zeit in Bezug auf ein Thema nicht mehr überraschen kann. Die Lösungen, die der Coach anbietet, sind immer etwas Unerwartetes, nicht immer bequem, bisweilen nicht einmal angenehm, aber immer hilfreich. Mitmenschlichkeit war schon immer so: Der Rat des besten Freundes war oft erschütternd, aber immer ehrlich bemüht. Daher heißt besser zu werden als Coach: besser zu werden als Mitmensch. Wenn Du ein Boot in den Fluss schiebst, und es dann tausend Meilen fährt bis zum Meer, wem gebührt der Verdienst für die Reise: dem Schiebenden oder dem Fluss? Der Seetüchtigkeit des Bootes!«

Stundensätze

Die Stundensätze im Coaching variieren stark. Zwischen kostenlos bis hin zu 600,– € und mehr pro Stunde gibt es alles. Üblich ist irgendwo zwischen 100,– und 350,– €. Auf www.-coaching-report.de gibt es aktuelle Zahlen zu den Honoraren. So liest man dort: »Im Rahmen der Honorar- und Gehaltsstudie ›Weiterbildungsszene Deutschland 2016‹ wurde für das Jahr 2015 ein durchschnittlicher Honorarsatz von 168,– € pro Coaching-Stunde (Männer: 198,– €; Frauen: 148,– €) ermittelt. Gegenüber einer Vergleichserhebung, die sich auf das Jahr 2012 bezieht, bedeutet dies eine leichte Steigerung von 6,– € pro Stunde. Während institutionelle Coaching-Anbieter auf einen durchschnittlichen Stundensatz von 226,– € kommen und freiberuflich tätige Coaches mit 173,– € ebenfalls einen durchschnittlichen Stundensatz ausweisen, der über dem Gesamtdurchschnitt liegt, liegen nebenberufliche Anbieter mit durchschnittlich 120,– € weit darunter.«

Wir haben Coaches gefragt, ob man tatsächlich von den Einkünften als Coach gut leben kann.

Sabine Prohaska: »Man kann es nicht oft genug klarmachen, Coaching ist nur ein Nebenjob. Das belegen auch alle Umfragen zum Thema (z. B. Marburger Coachingstudie, BCO-Umfrage). Ich schätze, dass etablierte Coaches nur etwa ein Drittel ihrer Jahresarbeitszeit mit Coaching verbringen und somit nur einen geringen Teil des Jahreseinkommens damit erwirtschaften. Im Business-Bereich sind Stundensätze von 250,– € keine Seltenheit. Auf der anderen Seite stockt vielen Privatpersonen bereits der Atem, wenn sie hören, dass ein Coach einen Stundensatz von beispielsweise (nur) 80,– oder 100– € hat.« Genau aus diesem Grund ergeben sich auch unterschiedliche Preise für Top-Führungskräfte und für Privatpersonen.

Auch Luzia Fuchs-Jorg kennt die Preisgestaltung in der Branche sehr gut: »Erfahrene Coaches können durchaus von der Coachingtätigkeit leben. Doch ist es ratsam, auch andere Elemente in den Arbeitsalltag zu integrieren, um nicht in ›Problem-Trancen‹ stecken zu bleiben und andere Aspekte – wie zum Beispiel Arbeit mit Teams oder Gruppen – zu integrieren und die Perspektiven zu erweitern. Allerdings ist es auch nicht so, dass dem frisch gebackenen Coach die Kunden zufliegen. Es ist ein langer, mühsamer Weg, ein Kundenportfolio aufzubauen und erfordert laufende Spitzenleistungen, denn letztlich ist es die Mundpropaganda, die dem Coach neue Kunden bringt. Mit Werbung kann man zwar die Bekanntheit erweitern, aber keinen Kundenstock aufbauen. Abhängig von der Qualifikation und der Bekanntheit des Coachs sowie den Rahmenbedingungen des Auftrags liegt der durchschnittliche Stundensatz im deutschen Sprachraum bei etwa 170,– € pro Stunde. Das Honorar ist immer abhängig von verschiedenen Kriterien. Für Privatkunden und NGOs werden niedrigere Sätze verrechnet. Die höchsten Sätze können bei internationalen Konzernen berechnet werden – dies gilt insbesondere für Executive Coachings auf Vorstandsebene. In Österreich arbeiten circa 3 450 Lebens- & Sozialberater und ungefähr 2 500 Coaches, doch nur etwa 8 % können mit Coaching allein ihren Lebensunterhalt gestalten. Nach einer Studie, die im deutschsprachigen Raum durchgeführt wurde (Marbergstudie), haben 72 % der Befragten angegeben, dass sie nur 20 Aufträge im Jahr erhalten.«

Die Coachingsitzung

Ein Coachinggespräch kann in völlig unterschiedlichen Settings stattfinden. Klassischerweise findet es in einem ruhigen Zimmer mit bequemen Sitzmöglichkeiten statt. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass der Coach zum Klienten ins Unternehmen kommt – gerade bei Top-Führungskräften, deren Zeit sehr teuer ist. Auch am Golfplatz wird gecoacht, während des Autofahrens über die Freisprecheinrichtung des Telefons, an Flughäfen etc. Wann immer irgendwo Zeit ist, kann ein Coach kontaktiert werden. Auch Online-Coaching wird populärer, mit dem Vorteil, dass der Klient auf Wunsch anonym bleiben kann. Wie läuft nun eine typische Sitzung ab?

Veronika Aumaier (geschäftsführende Gesellschafterin Aumaier Coaching Consulting): »Ich vereinbare mit meinen Kunden 2-Stunden-Einheiten. Sie starten mit der Auftrags- und Zielklärung für die bevorstehende Coachingsitzung. Das ist z. B. die Frage: ›Woran möchten Sie denn heute arbeiten?‹ Es ist die Verantwortung des Coachs, das Thema des Kunden so zu wählen, dass in der zur Verfügung stehenden Zeit eine Lösung samt definierter Umsetzungsschritte erarbeitet werden kann. Das erweitert den Handlungsspielraum und bringt unmittelbaren Nutzen im praktischen Alltag. Gerne kann ich hier ein Beispiel aus meiner Praxis erzählen: Ein Kunde möchte sich besser abgrenzen lernen. Das Anliegen wird auf eine bestimmte gewünschte Verhaltensänderung in einer bestimmten Situation konkretisiert: ›Besser abgrenzen hinsichtlich E-Mails meines Vorgesetzten am Wochenende.‹ Es wird an dem bisher Erlebten des Kunden gearbeitet und nach den gewünschten Ausnahmen gesucht: ›Stören die E-Mails am Wochenende immer?‹ ›Wann war es ein bisschen besser?‹ ›Was war dafür ausschlaggebend?‹ Dadurch werden Verhaltensressourcen aufgespürt, die verstärkt werden und ab sofort vermehrt bewusst eingesetzt werden können. Andererseits werden eigene Deutungen und Erwartungshaltungen reflektiert: ›Was veranlasst mich, die E-Mails am Wochenende zu lesen?‹ ›Was passiert, wenn ich sie am Wochenende nicht beantworte?‹ Ein Perspektivenwechsel kann Aufschluss über die Motive des Gegenübers bringen: ›Was veranlasst meinen Chef, am Wochenende E-Mails zu schreiben?‹ ›Erwartet er umgehend Antwort?‹ ›Was ist verhandelbar?‹ Das ermöglicht, aus einer etwaigen Opferrolle auszusteigen und Ideen zu mehren, welche unterschiedliche Verhalten und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ich arbeite selten mit expliziten Hausaufgaben. Vielmehr sind sie durch echte, selbst definierte konkrete Vorhaben mit der bestimmten Situation zukünftig anders/neu umzugehen, ersetzt.«

Die Teilnehmer einer ICF-Coaching-Ausbildung lernen in ihrer Ausbildung eine Struktur für das Coaching kennen: das C.O.A.C.H.–Modell:

Contracting

Offenlegen

Annähern

Changework

Hoffnung

Roman Braun über die fünf Phasen: »Im Contracting, der Phase der ersten Begegnung, vereinbaren Coach und Klient die Rahmenbedingungen des Coachings und bestätigen, dass sie beide bereit für das Coaching sind. In Phase 2 (Offenlegen) wird die Veränderungsbereitschaft des Klienten geklärt und ein Ziel für das Coaching vereinbart. Außerdem erkennt der Coach die Tiefenstruktur des Anliegens. In Phase 3 (Annähern) bildet der Coach aus den vorhandenen Informationen ein Modell des Klienten, erkennt hinderliche Muster, bestimmt den Interventionstyp und führt Probehandlungen durch.Phase 4 (Changework) ist der entscheidende Teil der Veränderung. Der Coach führt die gewählte Intervention durch. Dabei wird sich der Klient seiner Ressourcen, Handlungsoptionen und Fähigkeiten bewusst und lernt sie zu nützen. Durch Skalierung, Zirkulär- und Ressource-Fragen stellen Klient und Coach fest, wie weit der Klient sich verändert hat. In Phase 5 (Hoffnung) macht der Coach dem Klienten ein Kompliment, sorgt für generative Lernerfahrungen und gibt dem Klienten eine leichte Aufgabe.«

Luzia Fuchs-Jorg arbeitet ebenfalls mit Phasen: »Grundsätzlich läuft ein Coachingprozess nach mehreren Phasen ab: Er beginnt mit einer Kontaktphase, die mit einer Kontraktphase das Coaching vereinbart. Dann folgt die eigentliche Arbeitsphase, die schließlich in eine Evaluierungsphase übergeht und mit einem Abschluss endet. Eine Coachingsitzung wird immer nach einer ähnlichen Struktur ablaufen. Diese Ablaufstruktur – inklusive aller Rahmenbedingungen (Zeit, Honorar und Regeln) – wird im (kostenlosen) Vorgespräch (Kontaktphase) geklärt und wiederholt sich laufend. Am Beginn einer Sitzung wird ein Übergang zum letzten Treffen hergestellt (falls es nicht das erste Arbeits-Coaching ist). Die bisherigen Umsetzungsversuche werden diskutiert, die Hausaufgabe wird ›abgeholt‹ und erlebte Erfolge werden besprochen. Anschließend werden die aktuelle Situation bzw. Problemstellung beleuchtet und ein passendes Ziel erarbeitet. Nun beginnt die eigentliche Coaching-Arbeit mit einer Analysephase (hier werden verschiedene Techniken verwendet – wie z. B. Visualisierung, Aufstellung etc.). In der nächsten Phase werden Hypothesen gebildet und gewählt, um dann schließlich mit verschiedenen Interventionen zu einer Lösung zu gelangen, die in die Praxis mitgenommen wird. Oft wird der Transfer in die Realität mit einer Hausaufgabe verstärkt. Nach einer Zusammenfassung der Sitzung geht der Kunde wieder in seine ›Wirklichkeit‹, um die erarbeiteten Möglichkeiten umzusetzen.«

Coachingausbildungen

Über Coachingausbildungen hat das Magazin TRAiNiNG bereits umfangreich in der Ausgabe 8/2015 im Artikel »Anforderungen an Coaching-Ausbildungen« berichtet. Daher wollen wir hier nicht noch einmal im Detail darauf eingehen, sondern uns der Zeit nach der Ausbildung widmen.

Veronika Aumaier kennt die wichtigsten Kompetenzen, die ein Neo-Coach spätestens nach seiner Ausbildung beherrschen sollte: »Um im Businessbereich als Coach für Führungskräfte erfolgreich zu sein, braucht es eine fundierte Fachkompetenz, die beispielsweise in einer akademischen Ausbildung und einer mehrjährigen Führungserfahrung in den Bereichen Finanzen, General Management, Sales oder Human Ressources begründet sein kann. Dazu kommen einschlägige Coachingausbildungen, beispielsweise aus dem systemisch-lösungsorientierten Bereich. Sie schulen die Einstellung und Haltung des Coachs und bieten eine Reihe an Fragetechniken und Methoden, die den Kunden bei der Lösungsfindung nachhaltig unterstützen. On the top sind Kenntnisse und Methoden zur emotionalen Stabilisierung und zur nachhaltigen Einstellungs- und Verhaltensänderung erforderlich, um in der Kürze und Effizienz der zur Verfügung stehenden Zeit erfolgreich unterstützen zu können. Dies erfordert im Bereich Executive Coaching ein umfassendes Spektrum an einschlägigen Erfahrungen, persönlicher Reife und Methodenkompetenz und ist aufgrund der Themenbreite und -tiefe die Königsdisziplin. Alternativ kann sich ein Coach auf bestimmte Lebensbereiche, Lebensthemen oder Kundenzielgruppen spezialisieren, sodass ein Expertencoaching mit einschlägigen Kenntnissen aus Theorie und Praxis möglich ist: Karrierecoaching, Ernährungscoaching, Lebenskrisen etc.«

Sabine Prohaska: »Ein wichtiger Bestandteil unserer Ausbildung sind die Peergruppen. In diesen wird viel geübt und gegen Ende der Ausbildung empfehlen sich die einzelnen Mitglieder der Peergruppe oder Lehrgangsgruppe oftmals im Bekanntenkreis weiter. Hier lassen sich dann die ersten ›echten‹ Praxiserfahrungen sammeln. In dieser ersten Zeit als Coach ist Supervision hilfreich, um die eigene Vorgangsweise zu reflektieren und an seinen Lernfeldern zu arbeiten. Coaching zeichnet sich durch die Faktoren Vertraulichkeit und Vertrauen aus, das sollte bei allen Marketingaktivitäten bedacht werden. Also geht es nicht darum, sich möglichst auffällig zu positionieren. Das persönliche und berufliche Umfeld stellt bei Klientengewinnung eine wichtige Ressource dar. Hier sollte sich jeder Coach überlegen, über seine Tätigkeit (wie Schwerpunktthemen oder spezielle Branchenerfahrungen etc.) zu informieren. Die meisten Klienten kommen über persönliche Empfehlung, nach dem Motto ›Kennst du jemanden?‹ Da die Leistung von Coaching nichts Angreifbares darstellt, ist der ›Verkauf‹ oft schwierig. Man kann dem entgegenwirken mit Referenzen (was im Coaching aber heikel sein kann – also immer vorher abklären), Zertifikaten, einer Verbandszugehörigkeit oder Publikationen. Auf jeden Fall hilft es, mit den potenziellen Klienten in Kontakt zu stehen, persönlich (bei Veranstaltungen) oder auch durch Social Media oder Blogs.«

Luzia Fuchs-Jorg: »Der mühsame Weg der Kundengewinnung beginnt schon während der Ausbildung, denn dieser Aspekt gehört zum Alltag eines Coachs. Durch die Arbeit mit dieser ersten Gruppe von Coachees beginnt sich ein Kunden-Netz zu bilden, das durch Weiterempfehlung immer größer wird. Vorausgesetzt natürlich, dass die Arbeit des Coachs empfehlenswert ist. Die meisten Coaches verpflichten sich nach der Ausbildung, innerhalb eines oder mehrerer bestehenden Institute als Netzwerkpartner mitzuwirken. Dieser Weg ist etwas sicherer und garantiert laufende Weiterbildung und Supervision. Beide Aspekte sind äußerst wichtig, um seine Coaching-Kompetenzen zu erweitern und sich selbst zu reflektieren.«

Viele Absolventen sind vor dem ersten »richtigen« Coaching nervös. Nun bekommen Sie Geld dafür und sind mit realen Problemen der Menschen konfrontiert. Wie kann sich ein Coach also optimal auf die Praxis vorbereiten?

Roman Braun: »Alle Erfahrungen, die man als Coach in der Praxis macht, finden auf sicherem Boden statt – denn in einer guten Ausbildung hat man gelernt, Coaching als sicheren Boden zu erleben. Die wichtigere Frage ist meines Erachtens: ›Wie schaffen es Coaches nach jahrelanger Praxis noch immer Lernerfahrungen aus dem Coaching mitzunehmen?‹ Denn der Boden ist erst dann unsicher, wenn Coaches aufhören, aus ihrer Praxis zu lernen.«

Lieblingsfragen der Coaches

Abschließend haben wir unsere Interviewpartner noch um ihre Lieblingsfrage(n) bei einem Coachinggespräch gebeten. Jeder Coach hat in seinem Fragenrepertoire unzählige Fragearten, die er je nach Anlass verwenden kann. Doch gibt es manchmal eine Frage, die besonders häufig verwendet wird, oder auch besonders häufig den gewünschten Erfolg zeigt.

Veronika Aumaier: »Eine meiner Lieblingsfragen lautet: ›Angenommen, Sie haben Ihr Verhaltensproblem gelöst – wem werden Sie unähnlich?‹«

Sabine Prohaska: »Eine sehr einfache, aber effektive Frage, die ich gerne verwende, ist: ›Was noch?‹ Die ersten Antworten, die ein Coachee gibt, sind jene Antworten, die auf der Hand liegen und für die er kein Coaching benötigt. ›Was noch?‹ … gepaart mit einer Sprechpause bringt den Coachee dazu, weitere Möglichkeiten, Ideen, Ressourcen etc. zu entwickeln, eventuell den Fokus zu ändern und nach weiteren Alternativen zu suchen. Wir dürfen uns als Coach nicht mit den erstbesten Antworten unserer Coachees zufriedengeben.«

Luzia Fuchs-Jorg: »Es gibt unzählige wunderbare Fragen, die ich anwende und die zu einer Perspektivenveränderung führen: ›Was hat sich seit unserem letzten Treffen zum Besseren verändert?‹ (Verbesserungsfragen) ›Wer hat den größten Nutzen von dem Konflikt – wer den größten Schaden?‹ (wenn es um intra- oder interpersonale Konflikte handelt – Distanzierungsfragen) ›Was müsste passieren, dass Sie das Handtuch werfen?‹ (Vertiefungsfragen). Oder provokative Fragen, wie: ›Sie sagen, dass Ihr Chef ständig über Grenzen geht – kann es sein, dass Sie ihn laufend dazu einladen?‹ Das Repertoire ist unendlich groß – und alles ist erlaubt, was zu einer Verbesserung der Situation des Coachees führt.«

Roman Braun: »Was ist die wichtigste Frage, die Sie sich diesbezüglich noch nicht gestellt haben?«

Angenommen, dieser Artikel hat Ihnen ein besseres Bild über den Coaching-Beruf vermittelt, woran würden Sie das erkennen?

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