Eigenverantwortlich zum Bildungserfolg?

Der Staat streicht 2016 Bildungsprämien und den Bildungsfreibetrag. Andererseits steigen die Anforderungen in vielen Berufen. Der Trend geht demnach also in Richtung eigenverantwortliches Lernen. Was es sonst
noch so an Trends gibt, haben wir bei Experten nachgefragt.

In einer aktuellen Pressekonferenz des WIFI Österreich wurden Mitte November brandneue Zahlen über die Bildungslandschaft in Österreich präsentiert. Dabei kam wenig überraschend heraus, dass lebenslanges Lernen hierzulande unumstritten als sehr wichtig angesehen wird. In der Umsetzung schaut es allerdings ganz anders aus; nur rund 13 % der Befragten gaben an, lebenslang lernen zu wollen. Überraschend ist das unter anderem deshalb, da 84 % positiv bis eher positiv auf ihre letzten Seminare zurückblicken. Bei der beruflichen Weiterbildung gaben 57 % an, dass die Initiative für eine Weiterbildung vom Unternehmen ausging und nur 37 % kümmerten sich auf eigene Initiative um die Weiterbildung.

Es scheint ein Trend der Zukunft zu werden – der unter anderem durch die Zeichen des Staates zustande kommt – dass die berufliche Weiterbildung mehr und mehr Privatsache wird. Der Staat hat einige Förderungen gekürzt und (noch) keine echten Alternativen geschaffen. Eine Möglichkeit, die aktuell auch von Michael Landertshammer (Institutsleiter WIFI Österreich) vorgeschlagen wurde, ist es, eine Art Bildungskonto einzurichten. Es könnte ähnlich einem Bausparvertrag aussehen. Der Bildungsinteressierte zahlt regelmäßig auf sein Bildungskonto ein, und der Staat oder die Länder geben dann 20 bis 30 % als zweckgebundenen Zuschuss dazu. Das wäre ein zusätzliches Anreizsystem und würde die Eigeninitiative steigern.

Brigitte Schaden (Vorstandsvorsitzende pma) erkennt ebenfalls einen Trend, der in diese Richtung deutet: »Es herrscht in Wirtschaftskreisen weitgehend Konsens darüber, dass es hochwertiger Weiterbildung bedarf, um konkurrenzfähig zu bleiben. Leider zeigen diverse Befragungen, dass aber die Budgets für Weiterbildung in Unternehmen und Organisationen eher geringer werden oder bestenfalls gleich hoch bleiben. Auch in Gesprächen, die ich führe, wird mir das bestätigt. Ein Trend, den ich bedauerlich finde und auch standortgefährdend. Speziell für die Projektmanagement-Branche habe ich aktuelle Zahlen: Eine 2015 durchgeführte GPM/pma-Studie belegt den hohen Stellenwert von Weiterbildung im Projektmanagement. Von den 1 000 Teilnehmern an der Umfrage haben lediglich 1,7 % keine Weiterbildungsmaßnahmen durchlaufen. Die durchschnittliche Anzahl an projektspezifischen Weiterbildungstagen im Jahr beträgt 3,7 Tage. Das zur Verfügung stehende Budget für Weiterbildungen von Projektmanagern liegt bei 1.141,– €. Im Vergleich mit Deutschland liegt dieser Betrag signifikant unter jenem unserer Nachbarn. Laut der Studie beträgt das Weiterbildungsbudget in Deutschland 1.692,– € pro Projektmanager.«

Laut Statistik Austria steigt die Anzahl an Personen, die sich lebenslang weiterbilden langsam, aber stetig an. Waren es 2004 noch insgesamt 11,6 %, die sich regelmäßig weiterbildeten, sind es 2014 schon 14,2 %. Demnach erscheinen die 13 % aus der WIFI-Studie durchaus realistisch. Laut Statistik Austria bilden sich mehr Frauen als Männer lebenslang weiter.

Vergleicht man die Zahlen der Teilnahme an Kursen an den Volkshochschulen, sieht man auch einen stark steigenden Trend. In den 60er-Jahren haben rund 220 000 Personen an Kursen österreichweit teilgenommen, 2013 waren es bereits 480 000 Personen, die sich an Volkshochschulen weitergebildet haben.

Gabriele Kolibal (Leitung Aus- und Weiterbildung am WIFI Wien) kann diesen Trend nur bestätigen: »Wir verzeichnen in den letzten Jahren den Trend, dass wieder mehr Geld in die Hand genommen wird: Qualifizierte Mitarbeiter sind mittlerweile am Arbeitsmarkt nicht mehr leicht zu finden, daher setzt man offensichtlich wieder mehr auf Nachwuchs aus eigenen Reihen. Das größte Wachstum verzeichnen wir jedoch bei Selbstzahlern, d. h. Mitarbeitern, die ihre Karriereentwicklung selbst in die Hand nehmen.«

Natürlich ist es auch eine Geldfrage, denn nicht jeder kann einige Hundert Euro in Kurse investieren.

Helga Steiner (Steiner Consulting) erkennt die Gefahren, die von mehr Selbstverantwortung ausgehen: »Prinzipiell sehe ich diesen Weg als nicht optimal an, denn als Privatperson ist die Eigenverantwortung natürlich gegeben, aber die Belastungen (finanziell, beruflich usw.) sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Der Staat – die Politik – sollte gerade bei der Aus- und Weiterbildung massiv unterstützend wirken. Bei Seminarkosten von 500,– bis 1.000,– € wird es für Privatpersonen nicht möglich sein, neben all den erhöhten Kosten, dies zu finanzieren.«

Österreich steht derzeit bei beruflichen Weiterbildungen im europäischen Schnitt noch recht gut da. Wenn die Förderungen des Staates allerdings nachhaltig ersatzlos gestrichen werden, könnte das langfristige negative Auswirkungen haben.

Themen

Natürlich ändern sich im Laufe der Jahre auch die nachgefragten Themen. Während Anfang der 90er-Jahre vor allem EDV-Seminare, besonders Anwenderseminare wie MS Word und MS Excel etc., modern wurden, waren es Ende der 90er-Jahre Motivations- und »Tschakka«-Seminare. Anfang und Mitte der 2000er-Jahre waren Sprachen und auch NLP hoch im Kurs und es begann ein Trend zu kürzeren, zielgerichteten Seminaren, natürlich auch krisenbedingt ab 2008.

Derzeit im Trend sind vor allem technische Seminare sowie Management und betriebswirtschaftliche Trainings. Auch die Anzahl der Seminare im Gesundheitsbereich ist steigend.

Monika Herbstrith-Lappe (Impuls & Wirkung) erkennt ein weiteres wichtiges Thema: »Das ganz große Thema ist Selbst- und Stress-management. ›Wie können Menschen in Zeiten zunehmender Dynamik mit einem hohen Grad an Komplexität und Ungewissheit handlungsfähig bleiben und souverän agieren?‹ ist eine Frage, die fast alle Unternehmen beschäftigt. Diesem Thema sehr verwandt ist: ›Alles ist im Umbruch. Wie kann die Servicequalität für Kunden aufrechterhalten bleiben?‹ Weit offen stehen die krankmachenden Fallen Stress, Frust, Ärger, schlechtes Gewissen. Die Teilnehmer und die Unternehmen sind gleichermaßen dankbar für einfache, hochwirksame Tools, die das emotionale Immunsystem stärken und den Menschen helfen, krisenfester und stressresistenter zu sein.«

Auch die Buchungszahlen des WIFI Wien sind hier aussagekräftig. Gabriele Kolibal: »Nach wie vor sind Themen wie Finanz, Rechnungswesen und Controlling die Topseller bei uns im WIFI. In den letzten Jahren jedoch sehen wir eine sehr starke Steigerung in den Bereichen Qualitäts-, Risiko- und Prozessmanagement sowie bei den Angeboten zum Thema Vertrieb.«

Jetzt neue Wege gehen!

Neue Formate

Der Trend zu kürzeren Seminaren und ergänzenden Online-Formaten hält an. Unternehmen sind auf der Suche nach Möglichkeiten, den Lernerfolg zu erhöhen. Das klassische 2-Tage-Seminar ist manch einem Personalentwickler zu wenig. Die Nachhaltigkeit des neuen Wissens leidet. Innovative Formate sind gefragt und werden gerne gebucht. Natürlich muss das Trainingsformat passend sein. Gabriele Kolibal: »Das Format ist immer abhängig vom Lerntyp und vor allem vom Thema. Der richtige Mix macht es aus, und der Trainer ist gefordert, die richtige Methode für die richtige Person zu finden, um diese optimal zum Lernziel zu begleiten.«

Brigitte Schaden: »Durchsetzen werden sich zweifelsohne kompakte Formate bzw. Blended Learning – also die Verknüpfung von Präsenzseminaren mit E-Learning. Denn theoretische Inhalte können sehr gut zeit- und ortsunabhängig im Selbststudium durchgearbeitet werden. Umfassende Lehrgänge mit einem Abschluss – und im besten Fall um international anerkannte Zertifizierungen ergänzt – gewinnen ebenfalls in der Weiterbildung an Bedeutung. Online-Seminare verzeichnen zwar eine steigende Tendenz bei Projektmanagement Aus- und Weiterbildungen, aber nicht in dem Umfang, wie immer wieder von Personalisten diskutiert wird.«

Monika Herbstrith-Lappe sieht auch noch einen weiteren Trend, den zu kürzeren Seminaren: »Die klassischen Trainings werden immer kürzer. Um dennoch die erzielte Wirkung des Lernens und der nachhaltigen Veränderung zu bewirken, werden sie in einen sinnvollen Rahmen gestellt. Höchst wirkungsvoll ist es, für ein Trainingsprogramm mit einem Kick-on-Impuls-Vortrag auf breiter Basis einen gemeinsamen Nährboden zu schaffen. Darin kann in humorvoll-tiefgründiger Weise ein Nachdenkprozess angestoßen werden. Der entscheidende Schritt des Lernprozesses ist das Erkennen und Annehmen von Lernfeldern. Am Ende des Trainings ist die Planung des Transferprozesses entscheidend. Darin werden nicht nur Umsetzungsvorhaben festgehalten, sondern vor allem auch konkrete erste Schritte innerhalb von 72 Stunden vereinbart – erfahrungsgemäß rafft man sich später kaum noch auf. Konkrete Tools erleichtern ebenso den Transfer, z. B. in Form von merk-würdigen Sprüchen, aussagestarken Bildern und etablierten Ritualen.«

Helga Steiner: »Kurze Inputs, vertiefende längere Workshops oder auch Online-Fortbildung haben ihre Berechtigung und werden je nach Thema vermehrt angeboten und genutzt. Als Tendenzen sehe ich klar: ›punktuell und gezielt‹ auf Themen einzugehen bzw. ›kurz und prägnant‹ Themen aufzugreifen.«

Gamification

Ein Trend, den es seit ca. 3 Jahren gibt, ist das spielerische Lernen. Planspiele beispielsweise werden mehr und mehr nachgefragt.

Brigitte Schaden zu diesem Trend: »Ich halte viel von Gamification. Einzelne spielerische Elemente setze ich auch als Coach ein, wenngleich natürlich das ›volle Programm‹ vor allem in Seminaren und Lehrgängen sinnvoll anwendbar ist.«

Monika Herbstrith-Lappe: »›Lasst uns arbeiten, wie Kinder spielen‹ ist das Motto in allen meinen Trainings: Nur mit aktiviertem Lustzentrum können wir kreativ und nachhaltig lernen. Von kleinen Kindern können wir uns den High-Performance-Modus des Arbeitens abschauen: Herzhafte Neugierde, fasziniertes Staunen, begeistertes Erkennen, fokussierte Aufmerksamkeit sind die Zutaten für hocheffektives Arbeiten und nachhaltige Veränderungen. Sowohl in Keynotes als auch in Trainings baue ich daher immer viele Übungen aus der Erlebnispädagogik ein, die durch Erfahrungslernen zu nachhaltigen Erkenntnissen führen. Das Wort ›Begreifen‹ hat zurecht sowohl eine haptische Bedeutung im Sinn von ›Handeln‹ als auch eine kognitive im Sinn von ›Kapieren‹. Bewegung und Lernen sind eng miteinander verbunden. Nicht umsonst lernen alle Kinder der Welt das Rechnen zunächst, indem sie mit ihren Fingern mitzählen.«

Helga Steiner: »Der Einsatz von Kabaretts zeigt überspitzt auf, wie es auf keinen Fall sein darf, und die Teilnehmer haben dort die Möglichkeit, Fehler zu analysieren. Abwechslung schaffen Videoclips, die etwas abstrakt, jedoch humorvoll die Themen darstellen. Ich persönlich arbeite gerne mit ›Metalog Übungen/Spielen‹ (Tower Power, Pipeline, Teamquadrat, Pfadfinder, Leonardos Brücke) und integriere Stimmungsbilder zur Veranschaulichung. So individuell die Teilnehmer, die Thematiken, so individuell sind die Einsatzmöglichkeiten.«

Gabriele Kolibal: »Gerade mit unserem Lernmodell sind wir gefordert, die bestmöglichen Wege für jeden Einzelnen zu finden. Spielerisch erweist sich in allen Disziplinen und nahezu bei der gesamten Zielgruppe als erfolgreichster Weg. Im E-Learning-Bereich ist Gamification ohnehin DER Key of Success. Wenn es uns gelingt, bei Usern dieselbe Begeisterung bei E-Learning-Content wie bei Online-Spielen zu wecken, dann wird E-Learning endlich so erfolgreich akzeptiert und eingesetzt, wie von uns gewünscht.«

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