Teams mit Mitgliedern aus mehreren Kulturkreisen werden immer häufiger. Die Vielfalt bringt neben zahlreichen Vorteilen natürlich auch Nachteile mit sich. Nur wer sich mit sich selbst beschäftigt und offen für neue, andere Kulturen ist, kann in so einem Team erfolgreich sein. Genau dafür gibt es Seminare.
Mit der steigenden Globalisierung erleben interkulturelle Seminare ein Wachstum. Mehr und mehr Unternehmen wollen sich bei ihrem Erfolg im Ausland nicht auf den Zufall verlassen, sondern ihre Mitarbeiter perfekt schulen. Doch auch im Inland erfreuen sich interkulturelle (Team-)Seminare steigender Beliebtheit. Immer häufiger bestehen Teams in Österreich aus Mitarbeitern aus verschiedenen Kulturkreisen.
Und interkulturelle Kompetenzen lassen sich leider nur sehr schwer bis gar nicht über »Learning by doing« aneignen. Also einfach einen Mitarbeiter in einen anderen Kulturkreis zu entsenden und zu hoffen, dass er (mit den Kunden) schon irgendwie zurechtkommt, ist nicht besonders klug. TRAiNiNG hat sich umgehört, welche Themen in diesem Zusammenhang besonders häufig von Unternehmen nachgefragt werden.
Karin Schreiner (Inhaberin Intercultural Know How – Training & Consulting): »Auffallend ist, dass gegenwärtig Trainings für internationale bzw. interkulturelle Teams verstärkt nachgefragt werden, und vor allem für virtuelle Teams. In diesem Zusammenhang fragen Unternehmen daher mehr Kultursensibilisierungs-Trainings nach. Denn abgesehen von interkulturellen Teams ist die Belegschaft in einem Unternehmen heute immer häufiger kulturell sehr vielfältig, sodass bei Trainings ein Fokus auf ein oder zwei Länder keinen Sinn mehr macht. Das spiegelt auch die Vorgehensweise vieler weltweit tätiger Unternehmen wider, die tendenziell auf Trainings mit Schwerpunkt Entwicklung kulturellen Bewusstseins und interkultureller Kompetenz setzen – neben den klassischen Expatriate-Trainings, die auf ein Zielland vorbereiten. Darüber hinaus werden immer mehr Trainings für Führungskräfte nachgefragt. Das Thema interkulturelle Kompetenz und Umgang mit kultureller Vielfalt im Arbeitsteam für Führungskräfte ist heute bei Trainings auch stark vertreten.«
Erhard Semlitsch (Senior Consultant PMCC Consulting): »Unsere Kunden unterscheiden bei Anfragen in Bezug auf interkulturelle Trainings zwischen zwei unterschiedlichen Themengebieten: Einerseits geht es um das Kennenlernen und Verstehen kulturspezifischer Besonderheiten in Hinblick auf kulturbedingte Prägungen, Werte, Normen, Haltungen, Verhaltensweisen, ungeschriebene ›Gesetze‹, Glaubenssätze etc., die in einer speziellen Kultur hochgehalten und gelebt werden und die das Denken und Handeln der Menschen in dieser Kultur bestimmen. Andererseits geht es um das Führungshandeln an sich, welches eine Führungskraft an den Tag legen soll, die laterale oder disziplinäre Führungsverantwortung in interkulturellen Teams effizient und effektiv wahrnehmen soll/muss.«
Häufig erwarten Auftraggeber, dass ihre Mitarbeiter in einem 2-Tages-Seminar, oder noch besser in einem 1-Tages-Seminar, fit für ein spezielles Land bzw. einen Kulturkreis gemacht werden. Das funktioniert allerdings nicht so einfach, wie es klingt.
Konrad Noé-Nordberg (Inhaber nnc noé-nordberg-consulting): »Meine Kunden interessieren sich häufig für länderspezifische Trainings, wie zum Beispiel für China oder den arabischen Raum. In der Praxis stellt sich dann häufig heraus, dass dieser Ansatz nicht wirklich greifen kann, weil primär grundlegende interkulturelle Sensibilität, Offenheit, Respekt und Vertrauen entwickelt werden müssen. Dann muss hier angesetzt werden, und viele Unternehmen erkennen dies auch. Das hat den Vorteil, dass das Training viel mehr Positives bewirkt, als nur auf einzelne Auslandsreisen vorzubereiten.«
Chris Fuchs (Geschäftsführer KICK OFF Management Consulting GmbH): »Die Themen sind in erster Linie Analyse der beteiligten Kulturen, Herausarbeiten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten im Arbeitsstil sowie der Umgang mit Zeit, Hierarchie und Regeln. Allgemeine interkulturelle Seminare werden von internationalen Unternehmen regelmäßig für ihre Mitarbeiter angeboten, um den Arbeitsstil jener Kulturen besser kennenzulernen, mit welchen sie zusammenarbeiten. Der Fokus liegt in der Regel am Thema Führung und Teammanagement.«
Didaktisches Aufbereiten
Um Seminare nachhaltig zu machen, bedarf es sinnvoller didaktischer und methodischer Aufbereitung der Inhalte. TRAiNiNG hat nachgefragt, wie das Trainer im Bereich der interkulturellen Seminare angehen.
Stephen Ash (Training Development Specialist bei Berlitz Austria): »Aufgrund des Drucks in der heutigen Wirtschaft wird die Zeit für Seminare und Workshops immer kürzer. Web-basierte Schulungen können hier oft als eine Art Weckruf fungieren, darüber nachzudenken, was in einer jeweiligen Arbeitssituation geändert werden sollte/könnte. Eine Kompensationsmöglichkeit (für die geringe Zeit bei Seminaren und Workshops) ist die Kombination aus schwierigen Fragen, auf die man nicht gleich eine Antwort parat hat, gefolgt von reflektierenden Aufzeichnungsvarianten. Nichts ist besser als die Face-to-face-Begegnung, wo man direkt in die Praxis der Soft Skills einsteigen kann, gefolgt von den gleichen Aufzeichnungsmöglichkeiten sowie zusätzlichen Ressourcen, die einen Zugang zur Theorie ›danach‹ erschließen.«
Karin Schreiner über didaktische Methoden in ihren Seminaren: »Zusammenarbeit interkultureller Teams ist ein zentrales Thema. Hier ist es wichtig, der Interaktion den Vorrang zu geben und anhand von Rollenspielen und Simulationen die Mitwirkenden eigene Erfahrungen machen zu lassen. Über die Erfahrung lernen ist in diesem Zusammenhang am nachhaltigsten. Ich gebe im Training beispielsweise verschiedene Aufgaben an Subteams, die gemeinsam gelöst werden sollen, um dann die Ergebnisse im gesamten Team zu besprechen. Dabei laufen Prozesse ab, die aus der Literatur meistens bekannt sind. Die darauf folgende Analyse hilft den Beteiligten, ihre eigenen Erfahrungen zu reflektieren und einzuordnen.«
Konrad Noé-Nordberg unterscheidet seine Methoden je nach Zielsetzung des Seminars: »Wir müssen in Bezug auf die Zielsetzungen von Trainings zwischen Teamarbeit und Führungsaufgaben unterscheiden. Das ist im interkulturellen Kontext mit seinen unterschiedlichen Machtdistanzen essenziell und in den Vorgesprächen mit den Kunden festzulegen. Während wir zum Beispiel in Skandinavien als Führungskraft sehr teamorientiert agieren müssen, wäre dieser Stil in Russland eher ein Zeichen von Schwäche. Diese unterschiedlichen Anforderungen müssen in die Trainings-Methodik einfließen. Klassiker sind in jedem Fall Rollenspiele, Critical Incidents oder die Suche nach gemeinsamen kulturellen Schnittmengen. Es gibt ja nicht nur Unterschiede. In der Praxis lege ich außerdem größten Wert darauf, dass die Teilnehmer Beispiele aus ihrem Arbeitsalltag einbringen. Diese werden dann gemeinsam aufbereitet, analysiert und in der Gruppe können Lösungsansätze erarbeitet werden.«
Chris Fuchs: »Lebendiges und nachhaltiges Lernen geschieht aus meiner Erfahrung immer dann, wenn jeder einzelne Teilnehmer seine eigenen Werte herausarbeitet und diese dann mit den Werten der anderen Teilnehmer vergleicht. Selbst- und Fremdanalyse also. Die Analyse der Wurzelkultur der Teilnehmer mit erlebten Situationen, Personen humorvoll zu vergleichen, ist ebenfalls für alle Beteiligten immer spannend und wirkt nachhaltig. Sehr bereichernd für die Teilnehmer ist auch das Analysieren der länderspezifischen Sprichwörter (Glaubenssätze), wie z.B. ›Nichts gesagt ist genug gelobt‹ in Österreich versus ›Don’t cry over spilled milk‹ in den USA.«
Wichtige Themen
Welche konkreten Themen in einem Seminar durchgenommen werden, sollte vorab mit dem Trainer genauestens besprochen werden. Soll konkret Know-how über ein Land aufgebaut werden, oder sollen generell interkulturelle Kompetenzen aufgebaut werden. Themen über verschiedene Länder gibt es zahlreich.
Karin Schreiner: »Zentrale Themen sind: Kulturelles Bewusstsein, Wissen über sich selbst und die anderen, Kenntnisse über Team-Prozesse, Bereitschaft, sich auf persönliche Beziehungen einzulassen, persönliches Engagement und Verantwortungsübernahme sowie Loyalität und Verpflichtung, das Ziel auf hohem Niveau zu erreichen. Wie man sieht, geht es sehr um die Entwicklung von sozialer Kompetenz.«
Chris Fuchs: »Aus meiner Erfahrung sind die wichtigsten Themen, wie Menschen in den unterschiedlichen Ländern mit Zeit, Hierarchie und Verantwortung umgehen. Ebenfalls der Umgang mit Regeln. Also ob Menschen glauben, dass Regeln situativ ausgelegt werden sollen oder dass Regeln einzuhalten sind, weil sie kulturell konform sind. Das Thema Überzeugungskraft und Argumentation in den verschiedenen Kulturen ist ebenfalls von Bedeutung, vor allem für den Sales-Bereich.«
Stephen Ash: »Viele Anfragen bei uns beginnen mit der Frage nach unseren Seminaren im Zusammenhang mit einer bestimmten Landes-Kultur. Ich betrachte eine Kultur in der Regel mit 6 Ebenen oder ›Linsen‹ der Kultur. Denn unsere Arbeit beeinflusst stark unsere kulturellen Präferenzen – was wir gelernt oder studiert haben – und selbstverständlich nutzen wir dann diese Vorlieben, um miteinander zu interagieren, Probleme zu lösen und uns in der jeweiligen Arbeitsumgebung zu Recht zu finden. Denn selbst wenn Seminarteilnehmer die gleiche Nationalität und Muttersprache haben, muss ich nur in diesem Zusammenhang fragen, was denn ihre kommunikativen Herausforderungen zwischen ihren eigenen Abteilungen sind, und plötzlich wird es allen klar.«
Erhard Semlitsch: »Ein grundlegendes und wichtiges Thema ist das Verständnis und die Klarstellung, was ›Kultur‹, ›Interkultur‹ und ›Transkultur‹ überhaupt bedeuten und warum diese Themen für mich als laterale oder disziplinäre Führungskraft ›überlebensnotwendig‹ sind, um meine Führungsverantwortung in interkulturellen Teams effizient und effektiv wahrnehmen zu können.«
Zielgruppe
Wer besucht eigentlich Weiterbildungen im Bereich von interkulturellen Kompetenzen?
Erhard Semlitsch: »Die Teilnehmer an solchen Trainings sind in ihrer beruflichen Umgebung auf verschiedenartigste Weise und in unterschiedlichsten Funktionen, Aufgaben- und Verantwortungsbereichen in interkulturelle Teams eingebunden. Es können laterale und/oder disziplinär verantwortliche Führungskräfte sein, die in ihren Teams Mitarbeiter mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu führen haben. Es können Mitarbeiter sein, die im eigenen Team oder auch außerhalb des eigenen Teams (in einer anderen Abteilung, in anderen Unternehmen etc.) mit Menschen zusammenarbeiten, die unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben. In der Praxis des global organisierten Arbeitsalltags kommt naturgemäß auch der Aspekt des ›Arbeitens und Führens auf Distanz‹ hinzu, also der Umgang mit virtuellen Teams und Gegebenheiten.«
Karin Schreiner: »Heute ist die Belegschaft in Unternehmen immer öfter kulturell sehr vielfältig. Die Mitarbeitenden kommen aus unterschiedlichsten Ländern innerhalb und außerhalb der EU. Daher betrifft es auch Unternehmen, die nicht international tätig sind. Dieser Aspekt wird oft übersehen. Natürlich ist die Hauptzielgruppe international tätige Unternehmen. Darüber hinaus sind oft Unternehmen betroffen, die mit virtuellen Teams arbeiten, Teams, deren Mitglieder an verschiedenen Orten sitzen und die sich persönlich kaum oder gar nicht treffen. Das ist sicher die Gruppe, die ein interkulturelles Teambuilding besonders benötigt, denen jedoch am seltensten eines angeboten wird.«
Konrad Noé-Nordberg weiß aus Studien, wie wichtig diese Seminare sind: »Grundsätzlich sind interkulturelle Seminare für alle interessant, die die Chancen aus interkultureller Kooperation nutzen wollen. Also auch die zur Verfügung stehende Heterogenität im Inland. Laut einer Studie der ›Economist Intelligence Unit‹ aus dem Jahr 2013 hat interkulturelle Kompetenz direkten positiven Einfluss auf den Umsatz. Verbesserte Kommunikation und gegenseitige Akzeptanz reduzieren Konflikte, Zeitverlust und Kosten. Die Performance wird optimiert. Das hilft im Management genauso wie zum Beispiel im Vertrieb oder bei multikulturell zusammengesetzten Projektteams.«
Interkulturelle Teamplayer
Im Recruiting gilt ja immer mehr der Grundsatz »Hire for attidude – train for skills«. Was aber ist die richtige Haltung für einen Mitarbeiter, der mit Teams verschiedener Kulturen arbeitet, sei es im In- oder Ausland?
Stephen Ash: »Das ist die große Frage: Kann ich jemanden mit ›kulturellen Fähigkeiten‹ einstellen? Es besteht hier immer die Gefahr, zu schematisieren und zu verallgemeinern. Ich helfe Menschen, den Unterschied zwischen kultureller Kompetenz und kultureller Präferenz zu entdecken. Denn das Umschalten des Kommunikationspräferenzstils, um Konflikte zu reduzieren, ist eine Fähigkeit, die gelehrt und praktiziert werden kann. Es bedeutet nicht, dass ich meine eigenen Vorlieben und Kommunikationspräferenzen aufgeben muss, sondern nur die Zeichen des kulturellen Verhaltens des anderen zu erkennen und dann daraus Wege der Überbrückung dieser Lücken zu finden, welche aus den Unterschieden zwischen meinen eigenen Vorlieben (Kommunikationspräferenzen) und den des anderen entstehen.«
Chris Fuchs: »In interkulturellen Teams sind diejenigen Personen am erfolgreichsten, die offen und transparent mit Unterschieden umgehen können, die Andersartigkeit als interessant und energetisierend erleben, die mit unterschiedlichen Arbeitsweisen integrativ und synergetisch umgehen können, die flexibel und respektvoll agieren. Diese Eigenschaften können nur schwer trainiert werden. Sie können jedoch in diversen Settings bei vielen Menschen situativ hervorgeholt werden. Am besten bearbeitet bzw. trainiert man diese Eigenschaften in Einzelsettings, also Coaching.«
Fazit: Um in interkulturellen Teams zu bestehen, ist eine Portion Offenheit, gepaart mit Selbstbewusstsein und Wissen über die kulturellen Besonderheiten sehr hilfreich. All das wird in guten Seminaren zu diesem Thema vermittelt und trainiert. Sprechen Sie vor einer Bildungsmaßnahme mit dem Trainer genau darüber, was die Teilnehmer nach dem Seminar besser können sollen, als davor. Dann klappt das auch mit dem Nachbarn!