»Das Training war gut«, lautet das häufige Fazit der Teilnehmer. Zurück bei der Arbeit ist das Erlernte jedoch vergessen. Wege und Ideen, den Transfer zu unterstützen.
Wird bei einer betrieblichen Weiterbildung das Gelernte in den Arbeitskontext übertragen, ist vom sogenannten Lerntransfer die Rede. Wie relevant ein erfolgreicher Lerntransfer ist, liegt auf der Hand: Mitarbeiter profitieren von einem persönlichen Nutzen durch die individuelle Weiterentwicklung, für Unternehmen ergibt sich u. a. ein langfristiger Wettbewerbsvorteil. Bleibt hingegen der Transfer aus, führt dies zu hohen Personalausgaben ohne nachhaltigen Mehrwert und Verlust von organisationalem Wissen. Der Lerntransfer kann dabei unterschiedliche Dimensionen betreffen.
Arten von Lerntransfer
Geht es »nur« um die Anwendung des Gelernten im Arbeitsalltag, spricht man vom horizontalen Lerntransfer. Beispielhaft führt ein Training zum Thema »Führung erfolgreicher Kundengespräche« im Idealfall zu einer erfolgreichen Anwendung erlernter Gesprächstechniken bei den nächsten Kundengesprächen.
Zusätzlich könnte auch die Anwendung von Trainingsinhalten auf andere Aufgaben oder Situationen im Arbeitskontext erfolgen. In diesem Fall spricht man von einem vertikalen Lerntransfer. Bezogen auf das zuvor genannte Beispiel würden die erlernten Inhalte (Führung erfolgreicher Kundengespräche) auch Verbesserungen in anderen Gesprächssituationen bewirken, z. B. mit Vorgesetzten oder Kollegen.
Zudem gibt es eine zeitliche Dimension des Lerntransfers, die sich darauf bezieht, ob und in welchem Umfang das Gelernte längerfristig im Arbeitsalltag zum Einsatz kommt.
Nicht unerwähnt bleiben sollte der sogenannte negative Lerntransfer. Statt keiner Wirkung kann nämlich das in der Weiterbildungsmaßnahme erworbene Wissen sogar eine negative Auswirkung auf Arbeitsaufgaben haben, beispielsweise wenn negative Erfahrungen bei einer Trainingssimulation dazu führen, dass sich Hemmnisse bei zukünftigen Gesprächen ergeben. Doch wie lässt sich generell erkennen, ob und wie ein Lerntransfer stattgefunden hat?
Messbarkeit
Die Messung des Lerntransfers ist kein leichtes Unterfangen. Dabei sind die Art der Transfermessung und die zeitliche Abfolge zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit ist die subjektive Einschätzung von Transferprozessen durch die Trainingsteilnehmer. Zusätzlich denkbar sind objektive Messungen von Leistungssteigerungen und/oder Einschätzungen durch Vorgesetzte. Daher ist es wichtig, den Lerntransfer zu verschiedenen Zeitpunkten zu messen, beginnend bei Prä-Post-Veränderungen bis hin zu Längsschnittmessungen. Eines der bekanntesten Modelle zur Trainingsevaluation stammt von Kirkpatrick, welches die vier Ebenen Reaktion, Lernen, Verhalten und Ergebnisse umfasst. In der Praxis bleiben diese Messungen oft Wunschvorstellung, lediglich die Reaktions-Ebene findet die meiste Beachtung, z.B. in Form von (Online-)Fragebögen direkt im Anschluss an eine Weiterbildungsmaßnahme.
Ideen für den Lerntransfer
Für einen erfolgreichen Lerntransfer spielen viele Faktoren eine Rolle. Hier einige Tipps:
Tipp 1: Bereits in der Trainingskonzeption werden Entscheidungen getroffen, die den Lerntransfer beeinflussen bzw. sicherstellen können. Kernbestandteil sind die Lernziele, die möglichst konkret definieren, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen die Teilnehmenden durch den Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme erwerben. Die Frage „was am Ende des Trainings und in weiterer Folge ein gutes Ergebnis wäre“, führt oft zu aufschlussreichen Antworten, die als Basis für gut ausformulierte Lernziele dienen können.
Tipp 2: Mit der Definition der Lernziele lässt sich auch festlegen, wie die Erreichung dieser in weiterer Folge gemessen wird. Eine reine Wissenswiedergabe ließe sich zum Beispiel durch Tests abbilden, andere Fähigkeiten könnten z.B. durch beobachtbares Verhalten erkennbar werden. Für einen Motivationsfaktor können positive Verstärker wie Token-Systeme sorgen.
Tipp 3: Die Planung des Trainingsaufbaus und damit einhergehend die Auswahl sinnvoller Lehrmethoden, Techniken und Instrumente haben einen großen Einfluss darauf, wie Lerninhalte effektiv vermittelt, erworben und in weiterer Folge Anwendung finden werden. Förderlich sind Methodenwechsel, das Aufbereiten der Inhalte in so genannte »Learning Nuggets« und die Auswahl geeigneter Methoden, passgenau zur Zielgruppe. Konkrete, möglichst realitätsnahe Anwendungsbeispiele erleichtert die Übertragung in den Arbeitsalltag.
Tipp 4: Auch Rahmenbedingungen und Kontext nehmen Einfluss auf den Transfer: Zu Beginn sollten die Ziele genannt und die Erwartungen abgefragt, bei Bedarf berichtigt werden. Gegen Ende eines Trainings unterstützt die Frage »was die Teilnehmer von den Trainingsinhalten konkret mitnehmen und welche Unterstützung sie dafür benötigen« den weiteren Praxistransfer. Aktionspläne mit konkreten Umsetzungsschritten im Arbeitsalltag bewähren sich in der Praxis. So könnten die Teilnehmenden beispielsweise zu Trainingsende die Aufgabe erhalten, die wichtigsten Take-Aways zu notieren und diese Notiz am Arbeitsplatz sichtbar anzubringen.
Tipp 5: »Übung macht den Meister«, lautet ein viel zitiertes Sprichwort. Das Optimum lässt sich durch die Wiederholung von Inhalten auf verschiedene Weise erzielen, durch unterschiedliche Methoden oder Sozialformen.
Tipp 6: Auch Motivation und Sense-Making durch Trainingsleiter nehmen Einfluss auf den weiterführenden Einsatz im Berufsalltag. Dazu zählen eine erwartungsanregende Trainingsvorschau gleich zu Beginn und die Bewusstmachung, in welchen Situationen des Berufsalltags die Inhalte Sinn stiften werden bzw. nutzbar sind. Wissenschaftlich belegt führen zudem Lob und Erfolgserlebnisse zu motivierten Trainingsteilnehmern und einem besseren Lerntransfer.
Tipp 7: Nach dem Training gilt es förderliche Bedingungen für den weiteren Transfer zu schaffen. Neben dem Zurverfügungstellen von Materialien und zeitlichen Ressourcen für die weitere Anwendung des Erlernten, kann je nach Themengebiet und Reifegrad die unterstützende Begleitung durch Vorgesetzte, Kollegen, Trainer und/oder Coaches wertvoll sein. Möglich sind zudem Aktivitäten wie ein Erfahrungsaustausch in (Klein-)Gruppen, Follow-ups, Lerntagebücher, Reflexionsgespräche oder kleine Transfer-Aufgaben. Eine positive Fehlerkultur ermöglicht es, keine Lernchance zu verpassen.
Und dann wäre da noch ein gewichtiger Faktor beim Thema Lerntransfer: die Lernenden selbst. Individuelle Lernbiografien, Persönlichkeitseigenschaften, Lernstile, Motivatoren und »innere Schweinehunde« nehmen Einfluss darauf, wie gut oder weniger gut ein Transfer in den Berufsalltag gelingen kann. Manches bleibt eben nicht von außen steuerbar.