Erschöpfung – Beweis für Einsatz?

Ein breites Angebot mit äußerst kompetenten Vortragenden bot das 4. Jahresforum »Betriebliches Gesundheitsmanagement« – BGM 2015 – von Business Circle.

Bereits zum 4. Mal fand diesen Sommer das Jahresforum »Betriebliches Gesundheitsmanagement« von Business Circle mit rund 80 Teilnehmern in Wien statt. Geleitet wurde die Konferenz von Thomas J. Nagy (naturamente) und Irene Kloimüller (Wert:Arbeit). Schwerpunkt war das Thema »Gesunde Grenze zwischen Produktivität und Erschöpfung«.

Fachlich leitete Irene Kloimüller in das Konferenzthema ein und berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen. Irene Kloimüller: »Ich blicke zunehmend in vielen Betrieben in zahlreiche müde Gesichter, vor allem im mittleren Management.« Grund ist sowohl der Druck von oben als auch von den Mitarbeitern. Nicht zu vergessen der Druck, den man sich selbst macht. Vermisst wird Anerkennung. Erschöpfung wird als Beweis für Einsatz gesehen. Wer sich schont, wird hingegen schief angesehen. »Einen Schritt zurückzutreten« ist das Credo von Kloimüller und das gelingt dann, »wenn man Abstriche macht und entschlackt«.

Die Überleitung zur 1. Keynote machte Thomas J. Nagy mit »Vorbilder und wie sie wirken«. Demnach sind die wichtigsten Tugenden von Vorbildern (und damit auch Führungskräften): Eigen- und Fremdverantwortung, Einsatzbereitschaft, Gemeinschaftssinn, Kommunikation (auch zuhören zu können), Mut und Authentizität. «In Deutschland und der Schweiz ist es für Manager üblich, ein Work-out während der Arbeitszeit zu machen, um so Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten«, so Nagy. Und in Österreich? Lassen wir uns überraschen.

Bertholt Meyer von der Technischen Universität Chemnitz sprach über »Verantwortung und Rolle der Führungskraft mit Blick auf psychische Gesundheit«. Laut Meyer bringt die vernetzte, digitalisierte und flexible Arbeit 4.0 viele Chancen mit sich. Sie birgt natürlich auf der anderen Seite das Risiko der Entgrenzung und des Diktats des »Always and Everywhere« (Ausdehnung und Intensivierung der Arbeitszeit), was zu Überforderung bis hin zu Burn-out führen kann. »Dem entgegenwirken können gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz, allen voran eine gute Austauschqualität mit der Führungskraft«, so Bertholt Meyer. Erfolgreiche Führungskräfte wenden in etwa 50 bis 80 % ihrer Arbeitszeit für Kommunikation auf. Wichtig ist dabei allerdings auch, dass die Führungskräfte in Trainings auf ihre eigene Sprache und Wirkung auf Mitarbeiter sensibilisiert werden.

Bernhard Schwarz (Unicredit Bank Austria) und Uwe Rohrbeck (man Truck & Bus, Salzgitter) zeigen Einblicke in Praxisbeispiele ihrer Unternehmen. Gemeinsam haben beide Konzepte, dass bei der Gesundheitsförderung immer individuell auf Bedürfnisse der Mitarbeiter eingegangen werden soll, je nachdem ob vorwiegend physische oder mentale Arbeit vorliegt. Uwe Rohrbeck: »Grundvoraussetzung für ein gutes Gelingen sind eine förderliche Unternehmenskultur sowie eine verantwortliche Person, die für das Thema brennt.«

Nach der gemeinsamen Mittagspause mit reichhaltigem Buffet und anregenden Gesprächen hatten die Teilnehmer die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch in zwei Round-Table-Runden. Vertreter vom ams nö, Dorotheum, merkur Warenhandel, Unicredit Bank Austria, man Truck & Bus sowie Zumtobel Gruppe gaben Einblicke in ihre Erfahrungen bezüglich Strategie und Umsetzung von BGM.

Der 2. Teil begann mit einer Podiumsdiskussion zum Thema gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsplatzevaluierung. Die große Frage: Wie geht es Unternehmen dabei? Michael Köttritsch (Die Presse) moderierte die Runde mit Anwendern, Beratern und Vertretern vom BM und der auva. Kernaussagen: Derzeit haben in Österreich ca. 27 % der Unternehmen die Evaluierung durchgeführt. Zu Beginn ist zu klären: Die Evaluierung hat nichts mit Krankheit zu tun, sondern es geht um die Erhebung von Rahmenbedingungen, die nachweislich zu Fehlbelastungen führen können. Besonders wiesen die Referenten darauf hin, wie extrem wichtig es sei, »dass die Kommunikation der Ergebnisse an die Mitarbeiter transparent ist.«

Klaus Peters schließt mit seinem fesselnden Vortrag »Mehr Druck durch Freiheit? Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung« den ersten Konferenztag. Auf eindrucksvolle Art stellt Peters dar, wie der frühere Führungsstil der Weisung, inklusive Drohung bei Nichteinhaltung, durch Vertrauen, inklusive Eigenverantwortung für Zielerreichung und damit verbundene »Krokodile« ersetzt wurde. »Arbeitnehmer agieren immer mehr wie Selbstständige, wo es viel mehr um Erfolg bzw. Misserfolg denn um Drohung bzw. Lob geht«, so seine Aussage. Die »Krokodile«, die Arbeitnehmer heute antreiben, bis zur Erschöpfung Ziele zu erreichen, sind Desinvestment-Drohungen, interner Wettbewerb, Bestbieter, Kollegen (Peer-to-Peer-Pressure) und, ja, man selbst. Ausweg: Einsicht auf Arbeitnehmer-Seite, sich selbst nicht zu gefährden.

Den 2. Konferenztag eröffnet Renate -Czeskleba (mensch-und-arbeit & fit2work) mit ihrem Vortrag: »Erfolgreiche Integration gefährdeter Mitarbeiter in den Arbeitsprozess im Rahmen von Fit2Work«. Anschaulich ergänzt wurden die Ausführungen durch das Praxisbeispiel der Zumtobel Gruppe, wie Wiedereingliederungsmanagement gut funktionieren kann. Eindrucksvoll in Erinnerung bleibt das Interview mit Bernhard Krischke (Oberbank AG) und Jürgen Schneider (roots Camp) über ihre Erfahrungen mit Burn-out. Während Krischke nach 4 Jahren wieder als Banker in seinen ursprünglichen Beruf einstieg, hat sich Schneider gänzlich umorientiert und leitet seither Roots-Camps für Kinder, Jugendliche und Führungskräfte.

Später geht es in zwei Round-Table-Runden, diesmal zum Thema »Neue Trends und Möglichkeiten für Unternehmer und Mitarbeiter«. Die Themen sind sehr unterschiedlich und reichen von mentaler Fitness, Erfolgskriterien für das betriebliche Fitnessprogramm sowie Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern über Herzratenvariabilitäts-Messungen bis hin zu guten Bürosesseln sowie Auszeiten- und Karenzmanagement.

Letzter Höhepunkt der Konferenz ist der mitreißende Vortrag »Vom Spinner zum Winner« von Johannes Gutmann (Sonnentor). Wie bekannt erscheint er mit uralter Lederhose, Sonnen-T-Shirt, roten Waldviertler Schuhen und roter Brille. Gutmann erzählt seine  Firmengeschichte lebendig und merk-würdig. Mit seinem Anders-Denken und Besinnen auf das, was schon da ist und die Einbeziehung von Menschen, »die keiner mehr braucht«, hat er mit Mut und Optimismus ein inzwischen weltweit agierendes nachhaltiges Unternehmen aufgebaut. Eines seiner Leitmotive ist: »Nur konsequentes Vorleben schafft Vertrauen und Motivation.«

Fazit

Die BGM 2015 punktete mit exzellenten Vortragenden sowie zahlreichen Einblicken in Good-Practice-Beispiele aus Unternehmen ganz unterschiedlicher Branchen. Die zwei Tage waren durch den Mix aus Vorträgen, Round-Table und Diskussionen abwechslungsreich und machen das Publikum neugierig auf die nächste Konferenz.

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