Verhandeln ohne Profiling ist wie Blindflug ohne Instrumente.
Keine Frage, Fakten sind wichtig und eine wesentliche Basis für den zukünftigen Verhandlungserfolg. Wer eine Preisverhandlung führen möchte und keine Marktübersicht hat, läuft Gefahr, die marktübliche Preisspanne zu verlassen und entweder vorwerfbar billig oder unnachvollziehbar teuer anzubieten. Das eine verhindert das Geschäft, das andere Profit.
Jede (Preis)Spanne hat zwei Enden
Gehälter von bis … Preise von bis … Lieferzeiten von bis … bedeutet, dass es offensichtlich kein festgeschriebenes Resultat gibt. Aber wovon hängt es ab, ob es am Ende »von« oder »bis« wird? Offensichtlich nicht nur von den relevanten Fakten, sondern noch von anderen Dingen.
Die persönlichen Treiber
Erinnern Sie sich bitte an Ihren letzten bedeutsamen privaten Kauf. Vermutlich war es etwas, was Sie wirklich gerne haben wollten und wobei Ihnen wichtiger war, das Traumhaus oder das Wunschauto zu besitzen, als ein paar Euro zu sparen. Oder Sie waren in Not und haben dringlich etwas benötigt, und waren daher bereit, mehr auszugeben, als sonst. Das sind nur einige wenige typische emotionale Treiber im wahrsten Sinn des Wortes, denn sie treiben den Preis in die Höhe. Ich habe genau das gerade selber erlebt, in unserem Fall war es eben das Traumhaus, und Träume können teuer sein.
Sicherheit, Karriere oder einfach Wettbewerb
Manchmal erscheint das Verhalten »auf der anderen Seite« unlogisch. Das ist ein zuverlässiger Indikator, dass die Menschen, mit denen Sie verhandeln, von anderen als sachlichen Themen »getrieben« sind. Egal ob es persönliche Notlagen sind – die letzten Erfolge sind schon zu lange her – oder der nächste Karriereschritt zusätzliche Erfolge braucht, diese beispielhaften Emotionen führen dazu, dass jemand von der Excel-Tabelle zur Herzenssache schwenkt und dann entsprechend »verhandelt«.
Das Gegenüber gibt es nicht
Damit komme ich zu einem Unwort: »das Gegenüber«. Wie gerne würden Sie als »das Gegenüber« bezeichnet werden? Wissen Sie, was im Moment mein »das Gegenüber« ist? Eine Wand, eine Türe und der Schirm meines Computers. Diese Versachlichung eines oder mehrerer Persönlichkeiten sollten wir nicht zulassen. Nicht in der Sprache und schon gar nicht in unserem Denken. Auf den Punkt gebracht: Das Gegenüber gibt es in Verhandlungen nicht. Persönlichkeiten dafür auf jeden Fall.
Ein paar Schritte zum Profiling:
Für Verhandlungen bedeutet das, sich intensiv mit der Persönlichkeit der Verhandlungspartner auseinanderzusetzen, um die Person, Handlungsmotive und typische Vorgehensstrategien verstehen zu können. Ein paar einfache Fragen können schon helfen:
Wer ist die Person, mit der ich verhandle? In welcher spezifischen Situation ist sie? Was sind ihre Werte? Was sind ihre Ängste? Was sind ihre Hoffnungen? Welche persönlichen Konsequenzen hätte ein kritisches, welche ein positives Verhandlungsergebnis?
Damit gibt es präzisere Antworten auf folgende Frage: Welche Argumente, welche Fakten sind für diesen Menschen nicht nur relevant, sondern auch bedeutsam? Denn nur diese erzeugen Wirkung in der Verhandlung.
Daraus folgt: Bevor Sie die detaillierte inhaltliche Verhandlungsstrategie ausarbeiten, ist Profiling die Pflichtübung, damit die Storyline – sehen Sie dazu den letzten Artikel – nicht nur schlüssig, sondern auch individuell wirksam ist.