Besonders in Zeiten von Social Media stellt sich eine Frage: Ist eine Erweiterung von ethischen Coachingkompetenzen erforderlich?
Die Begriffe Ethik, Coaching und Social Media sind in ihrer Definition sehr komplex und teilweise unterschiedlich. Dieser Artikel soll zum einen zu einer Begriffsklarheit im Kontext Coaching beitragen, sowie die Notwendigkeit für Coaches beleuchten, sich mit dem Thema Ethik im Coaching in Zeiten von Social Media auseinanderzusetzen.
Ethische Verantwortung
Coaching wird als Prozessberatung begriffen, bei der davon ausgegangen wird, dass der Klient selbst Experte ist und über alle notwendigen Informationen verfügt. Die Expertise des Coachs besteht vielmehr in der Prozessgestaltung und in der Förderung des Dialoges. Coaching lässt sich somit als eine Koproduktion zwischen Klient und Coach begreifen. Es gilt, gemeinsam und auf »Augenhöhe« einen Weg, eine optimale Lösung zu finden. In diesem Moment wird auch das Thema Ethik relevant.
Ethik untersucht die Frage nach den Maßstäben für gutes und gerechtfertigtes Handeln des Menschen. Für Coaching sind insbesondere die Verantwortungs- und die Diskursethik interessant.
Die Verantwortungsethik bezieht sich auf den Grundsatz, dem Menschen »zu helfen, sich selbst zu helfen«, die Prämisse, »dass man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat«. Dieses Prinzip lässt sich leicht mit dem Verständnis von Coaching vereinen, welches Klienten v. a. Hilfe zur Selbsthilfe sein will.
Die Kommunikations- und Diskursethik beanspruchen die Grundsätze der Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit. Der Begriff Wahrheit bezieht sich hier nicht auf die Wahrheitsfindung, sondern auf die Haltung des Coachs, dem Coachee gegenüber ehrlich, rechtlich korrekt und so transparent wie möglich zu kommunizieren.
Coachingverbände, wie u .a. die International Coachfederation (ICF), arbeiten an (international gültigen) ethischen Richtlinien, die für ihre Mitglieder verbindlich gelten. Beispielsweise werden darin Begrifflichkeiten wie Coaching, Coach, Client, Sponsor, Coaching Relationship, Coaching Agreement, Coaching Kernkompetenzen im Sinne eines Coachings auf Augenhöhe explizit definiert und mit der Anforderung an den Coach verbunden, seine Klienten und Sponsoren darin zu unterrichten. Weiterhin wird der Coach zur ständigen Weiterentwicklung angehalten, zur Gleichbehandlung, Ehrlichkeit, zum vertrauensvollen und sicheren Umgang mit Informationen, Coachingaufnahmen, Dokumenten. Zudem wird über den professionellen und ethisch korrekten Umgang mit Klienten und im Falle von Interessenskonflikten aufgeklärt. Sowohl die Aspekte der Verantwortungs- als auch der Diskursethik finden sich hier wieder.
Social Media im Coaching
Was passiert nun, wenn wir den Kontext der Social Media betrachten? Social Media funktionieren über Netzwerke, nach einem Viele-zu-viele-Ansatz und basierend auf demokratischen Prinzipien, d. h. sie werden in der Regel von den Menschen selbst produziert. Zudem sind sie meist kostenfrei. Weit gefasst gehören zu den Social Media sowohl Telefon und E-Mail als auch Facebook und Twitter. Die neueren Social Media sind jedoch gegenüber den eher privaten Medien (E-Mail und Telefon) öffentlich zugänglich, wodurch auch andere fremde Personen interagieren können und das Resultat der Interaktion beeinflussen und verändern können.
Die Verwendung von (neueren) Social Media wirkt sich im Coaching auf verschiedenen Ebenen aus: Zum einen benutzen Coaches Social Media, um ihr Coaching-Business zu bewerben, um mit den potenziellen Klienten zu kommunizieren, sie zu informieren, sie mit in diverse Aktivitäten einzubeziehen sowie zur Weiterbildung. Die meistgenutzten Kanäle sind hier Facebook und Twitter, aber auch YouTube und Blogs. Des Weiteren hat sich durch generelle Präsenz in Social-Media-Kanälen die Transparenz von Coaches und Klienten verändert. Namen und Positionen sind googlebar, sowohl berufliche als auch Privatinformationen bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Treten Coach und Coachee eine Verbindung ein, ist die Frage der Informations- und Datenaufbewahrung zu klären sowie die Verschwiegenheitspflicht des Coaches gegenüber dem Klienten (rechtliche Aspekte, die relevant werden könnten).
Social Media hat zudem die Arbeitswelt verändert und damit auch neue Themen und Lernwelten für die Klienten hervorgebracht, auf die sich auch Coaches einstellen müssen. Ein Training in der Anwendung und Koordination von Social Media im Coachingkontext gibt es in der Regel nicht. Zumeist sind die Anwender Autodidakten. Ethische und private Auswirkungen der Verwendung von Social Media sind damit durchaus relevant.
Zum Thema Ethik in Social Media gibt es am ehesten eine Auseinandersetzung von PR- sowie Medienunternehmen. Der österreichische PR-Ethik-Rat hat beispielsweise 8 Grundprinzipien zum Umgang mit Social Media erarbeitet. Auch hier spiegeln sich die Grundsätze der Verantwortungs- und der Kommunikations- sowie Diskursethik wider, hier beschrieben als Fairness, Respekt, Verantwortung, Moderation, Klarheit, Transparenz, Höflichkeit und Privatsphäre. Diese sind durchaus vergleichbar mit den Kriterien des ICF-Ethikkodexes.
Kompetenzerweiterung ist für eine ethische Anwendung von Social Media im Coachingbereich notwendig: Es entsteht der Eindruck, dass die bestehenden ethischen Richtlinien für Coaches auch den Bereich der Social-Media-Nutzung abdecken bzw. natürlich darin aufgehen. Einen konkreten Hinweis auf die ethisch adäquate Nutzung von Social Media im Coaching gibt es jedoch nicht. Zudem ist fraglich, inwiefern das Bewusstsein der Kontexterweiterung bereits in Coachingausbildungen und bei praktizierenden Coaches Einzug gefunden hat. Die Nutzung von Social Media hat das Potenzial, die Coaching-Profession zu stärken und zu fördern, allerdings ist die Anwendung sensibel und mit öffentlichen Auswirkungen verbunden. Für die Weiterentwicklung von Coaching als Profession ist es daher notwendig, sich mit diesem Thema auf wissenschaftlich-theoretischer Basis zu beschäftigen.