Worauf Arbeitgeber beim Ausspruch einer Entlassung achten sollten, welche Fristen es zu beachten gibt, und wann eine Verzögerung akzeptabel ist, lesen Sie hier.
In jedem Dauerschuldverhältnis können außerordentliche Umstände eintreten, die eine sofortige, einseitige Beendigung des Vertragsverhältnisses erforderlich machen, weil einem Vertragsteil die Einhaltung einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Angestelltengesetz räumt dementsprechend dem Arbeitgeber bei Vorliegen wichtiger Gründe ein Entlassungsrecht ein. Der nachstehende Beitrag soll aufzeigen, welche Vorgaben der Arbeitgeber erfüllen sollte, um beim Ausspruch einer Entlassung möglichst nicht angreifbar zu sein.
Die stets im konkreten Einzelfall zu klärende Frage, ob ein konkreter Pflichtverstoß des Arbeitnehmers oder eine sonstige Beeinträchtigung als Entlassungsgrund geltend gemacht werden kann, wird in einem gesondertem Beitrag behandelt werden.
Die Entlassungserklärung
Die Entlassung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich nicht an bestimmte Formvorschriften gebunden ist. Ausnahmen bestehen für besonders geschützte Dienstnehmergruppen, wie z.B. für Lehrlinge. Die Entlassung muss daher nicht zwingend schriftlich, sondern könnte auch mündlich ausgesprochen werden. Aus Beweisgründen ist aber klar Schriftlichkeit zu empfehlen.
Um den Zugang der Entlassungserklärung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dokumentieren und im Streitfall beweisen zu können, ist es sinnvoll, sich die Übernahme der Entlassungserklärung vom Dienstnehmer bestätigten zu lassen, wenn etwa das Entlassungsschreiben nicht mit eingeschriebener Postsendung, sondern z.B. persönlich im Betrieb übergeben wird. Verweigert der Arbeitnehmer die schriftliche Bestätigung der Übernahme des Entlassungsschreibens, ändert dies nichts an der Rechtswirksamkeit der Entlassung. Der Beweis des Zugangs kann für derartige Fälle sichergestellt werden, indem eine weitere Person auf Arbeitgeberseite bei der Übergabe des Entlassungsschreibens an den Arbeitnehmer anwesend ist.
Ein konkreter Entlassungsgrund muss dem Arbeitnehmer nicht mitgeteilt werden. Der Arbeitgeber hat aber – im Streitfall – zu beweisen, dass im Zeitpunkt des Entlassungsausspruchs ein Entlassungsgrund vorlag. Nicht entscheidend ist, ob dem Arbeitgeber sämtliche Entlassungsgründe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung bereits bekannt waren.
In der Praxis kommt es vor, dass der Arbeitgeber sich zunächst auf einen Entlassungsgrund stützt, der sich im Beweisverfahren als nicht stichhaltig herauskristallisiert. In diesem Fall können andere Gründe, die im Zeitpunkt der Entlassung bereits vorlagen, dem Arbeitgeber aber möglicherweise noch nicht bekannt waren und erst im Beweisverfahren ans Licht kommen, nachgeschoben werden, um eine ausgesprochene Entlassung zu rechtfertigen. Wird ein Arbeitnehmer z.B. wegen eines vermuteten Verrats von Geschäftsgeheimnissen entlassen, die im Entlassungsprozess vom Arbeitgeber letztlich nicht bewiesen werden können, stellt sich aber heraus, dass der Arbeitnehmer schon seit längerer Zeit eine Konkurrenztätigkeit ausübt, die aus der Sicht des Arbeitgebers zu einer schwerwiegenden Verletzung der Treuepflicht des Arbeitnehmers führt, könnte der Ausspruch der Entlassung auf diesen – erst im Prozess bekanntgewordenen Umstand – gestützt werden.
Wirkung der Entlassung
Die Entlassung beendet das Arbeitsverhältnis in der Regel unabhängig von ihrer Berechtigung mit sofortiger Wirkung. Der unberechtigt entlassene Arbeitnehmer kann Ansprüche auf Kündigungsentschädigung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen oder – bei Vorliegen einer Sozialwidrigkeit – die Entlassung vom Arbeits- und Sozialgericht für rechtsunwirksam erklären lassen. Stellt sich im Entlassungsanfechtungsverfahren heraus, dass der Arbeitnehmer zwar keinen Entlassungsgrund gesetzt hat, seine Interessen durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber nicht schwerwiegend beeinträchtigt sind (z. B. weil der Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt leicht vermittelbar ist) bzw. sein Fehlverhalten zwar nicht für eine Entlassung, jedoch für einen personenbezogenen Kündigungsgrund ausreicht, ist die Anfechtung der Entlassung vom Gericht abzuweisen. Es bleibt in diesem Fall bei der Beendigung des Dienstverhältnisses zum Entlassungsstichtag und der Arbeitnehmer kann nur Ansprüche auf Kündigungsentschädigung geltend machen, nicht aber gegen die Beendigung des Dienstverhältnisses vorgehen. Nur bei besonders kündigungsgeschützten Dienstnehmern ist eine unberechtigte Entlassung jedenfalls rechtsunwirksam.
Fristen bei Entlassungen
Eine konkrete Frist für den Ausspruch einer Entlassung ist weder gesetzlich noch in Kollektivverträgen geregelt. Die Rechtsprechung verlangt vom Arbeitgeber aber, dass eine Entlassung »unverzüglich« ausgesprochen wird. Wartet der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Entlassung zu lange zu, kann der Arbeitnehmer aus dem Zögern des Arbeitgebers den Schluss ziehen, dass der Arbeitgeber auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes verzichtet hat. In diesem Fall verliert der Arbeitgeber sein Entlassungsrecht. Wenn aber das Zögern in der Sachlage begründet war, kann der Arbeitgeber sein Entlassungsrecht noch geltend machen. Das Unverzüglichkeitsgebot wird von der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Erfordernissen des Wirtschaftslebens und der Betriebsverhältnisse ausgelegt und darf nicht überspannt werden. Es ist immer eine Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich.
Kenntnisnahme vom Entlassungsgrund
Der Entlassungsgrund ist dem Arbeitgeber bekanntgeworden, wenn ihm die für die Beurteilung wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind. Der Arbeitgeber muss sich – nach ständiger Rechtsprechung – die Kenntniserlangung durch seinen Stellvertreter oder einen mit Personalangelegenheiten befassten leitenden Mitarbeiter zurechnen lassen, unabhängig davon, ob er diese Person zur Vornahme der Entlassung ermächtigt hat.
Bei Bekanntwerden von konkreten Anhaltspunkten hat der Arbeitgeber den für den Ausspruch einer Entlassung relevanten Sachverhalt ohne Verzug zu erheben. Oft wird auch die Einholung einer Stellungnahme beim betroffenen Arbeitnehmer – vor Ausspruch der Entlassung – notwendig sein.
Bei undurchsichtigen zweifelhaften Sachverhalten, die der Arbeitgeber mit eigenen Mitteln nicht aufklären kann, darf der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Entlassung zuwarten, bis der relevante Sachverhalt durch die zuständige Behörde geklärt ist. Bei gerichtlich strafbaren Handlungen kann der Arbeitgeber unter Umständen sogar bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuwarten, ohne eine Verfristung seines Entlassungsrechts zu riskieren. In derartigen Fällen ist jedoch eine Suspendierung zu empfehlen.
Akzeptable Verzögerungen
Abhängig von der Komplexität des konkreten Entlassungssachverhalts ist dem Arbeitgeber eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen. Verzögerungen von ca. 1 bis 3 Tagen für das Einholen einer Rechtsauskunft führen – nach der Rechtsprechung – ebenfalls nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechts.
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer – unter Vorbehalt des Ausspruchs einer Entlassung – die Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung einräumen. Auch ist der Ausspruch einer auflösend bedingten Entlassung für den Fall zulässig, dass der Arbeitnehmer dem Angebot des Arbeitgebers auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses binnen einer gesetzten Frist zustimmt.
Bei größeren Unternehmen mit einer komplizierten, hierarchischen Organisationsstruktur wird ein etwas längerer Informations- und Genehmigungsprozess berücksichtigt.
Verhaltensrichtlinien
Insbesondere in größeren Unternehmen sollte – zur Vermeidung einer unbeabsichtigten Verwirkung des Entlassungsrechts – klar geregelt bzw. allen Mitarbeitern mit Vorgesetztenfunktion bekannt sein, wer die Entlassungskompetenz für den Arbeitgeber wahrnimmt und welcher Informationsweg bei Bekanntwerden von Entlassungsgründen beschritten werden muss. In der Praxis haben sich Verhaltensrichtlinien mit genauen Vorgaben, was in einer Entlassungssituation zu tun ist, bewährt.
Einbindung des Betriebsrates
Der allgemeine Entlassungsschutz sieht (anders als der Kündigungsschutz) kein betriebsverfassungsrechtliches Vorverfahren vor. Die Einbindung des Betriebsrates muss erst nach Ausspruch der Entlassung erfolgen. Gemäß § 106 Arbeitsverfassungsgesetz hat der Arbeitgeber den Betriebsrat von jeder Entlassung unverzüglich (gemeint: unverzüglich nach Ausspruch der Entlassung) zu verständigen und innerhalb von drei Tagen mit dem Betriebsrat auf dessen Verlangen zu beraten. Ein Verstoß gegen diese Verständigungspflicht hat auf die Rechtswirksamkeit der Entlassung keinen Einfluss. Relevant ist die zeitnahe Verständigung aber für das (grundsätzlich) zeitlich befristete Recht des Arbeitnehmers, die ausgesprochene Entlassung beim Arbeits- und Sozialgericht wegen Sozialwidrigkeit anzufechten. Denn der Lauf der Anfechtungsfrist wird erst mit der Verständigung des Betriebsrates in Gang gesetzt.