Wie muss Führung funktionieren, damit sie die Bedürfnisse aller Generationen erfüllen kann?
Fachkräftemangel und demografischer Wandel gelten schon länger als Treiber für das Managen von Generationen, und in den entsprechenden Unternehmen stehen daher der Erhalt der Arbeitsfähigkeit älterer Mitarbeitender und ein funktionierendes Nachfolge- bzw. Wissensmanagement im Fokus. Doch es gibt gute Gründe, warum sich jede Organisation darüber hinaus Gedanken zum Generationenmanagement machen und ihre Führungskräfte wie auch das gesamte Personal befähigen sollte, unterschiedliche Stärken und Haltungen zu erkennen, sie fruchtbringend für den Unternehmenserfolg einzusetzen und die Zusammenarbeit zu stärken.
Warum Generationen managen?
Die aktuell aufeinandertreffenden Generationen haben äußerst unterschiedliche Prioritäten, Haltungen und Wertesysteme. Wenn man die Unterschiede nicht kennt, führt dies zu laufenden Missverständnissen, schwelenden Konflikten und letztlich zu einer permanenten Unzufriedenheit. Denn die gegenseitigen Erwartungshaltungen – ob von Mitarbeiterseite oder Führungskraft – werden nicht erfüllt.
Ein gutes Beispiel ist der Stellenwert der Arbeit. Dieser hat sich von »Wir leben, um zu arbeiten« (Babyboomer) über »Wir arbeiten, um zu leben« (Generation X) bis hin zu »Erst kommt das Leben, dann die Arbeit« (Generation Y) und »Arbeiten ist nur ein Teil des Lebens« (Generation Z) entwickelt. Schon diese Kurzformeln zeigen, welche Herausforderungen mit den verschiedenen Zugängen verbunden sind. Ähnliche Widersprüche liefern unterschiedliche Erwartungen an Führung, abweichende Betrachtungen der Themen Arbeitszeit und Ergebnisorientierung, verschiedene Zugänge zu Abgrenzung von Arbeit und Freizeit, divergierende Einstellungen zu Autoritäten und Loyalität sowie Veränderungs- und Lernbereitschaft, andere Arbeitsstile, Prioritäten und Bedürfnisse und ein großes Kommunikationsbedürfnis, das unterschiedlich befriedigt werden muss.
Doch jede Generation verkörpert auch unterschiedliche Qualitäten: Fachwissen wird vor allem den Babyboomern zugeschrieben, Führungs- und Problemlösungsqualitäten sowie Einfühlungsvermögen und Freundlichkeit der Generation X, den Millenials hingegen Innovation und Kreativität. (Quelle: Online-Befragung von OnePoll im Auftrag von Viking [Bürobedarf] unter 1 000 Arbeitnehmern in Deutschland im Mindestalter von 18 Jahren.)
Mit dem Ohr an den Bedürfnissen
Einer der wesentlichen Faktoren für die Stärkung der Zusammenarbeit der Generationen ist das »Hinhören« auf die unterschiedlichen Bedürfnisse. Deshalb lohnt es sich, diese regelmäßig in der Organisation zu ermitteln, um optimale Voraussetzungen für die Entfaltung der Potenziale zu schaffen. Strukturierte Mitarbeitergespräche und strategische Mitarbeiterbefragungen (inkl. Auswertung nach Altersstufen) helfen dabei. Klarheit für die Relevanz des Themas zu schaffen, ist ein wichtiger Bestandteil von Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen.
In einer kürzlich von EUCUSA durchgeführten Mitarbeiterbefragung eines Finanzdienstleistungsunternehmens in Österreich (3 706 Antworten) war der Zustimmungsgrad zur Aussage »Unser Unternehmen ermöglicht eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Generationen« bei jüngeren Mitarbeitenden höher als bei älteren (siehe Grafik). Interessant ist auch, dass sich die 360 Führungskräfte insgesamt kritischer äußerten als die Befragten ohne Führungsfunktion. Es zeigte sich auch, dass die Loyalität der Altersgruppe unter 35 Jahren im Innendienst relativ schwach ausgeprägt ist – etwa am Niveau der angehenden Pensionisten. Erkennbar war ebenfalls, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit einem natürlichen Zyklus unterworfen ist:
- zunächst Begeisterung im neuen Job
- dann »Tal der Tränen« (der Alltag schlägt zu, Karriere-Erwartungen vielleicht nicht erfüllt)
- wieder steigende Motivation, wenn es karrieremäßig wieder passt (Anmerkung: Die ganz Unzufriedenen haben das Unternehmen vor dieser Phase wohl bereits verlassen.)
Dies sind alles wichtige Hinweise, die es gilt, detailliert zu hinterfragen, um die genauen Motive für das Antwortverhalten zu erforschen und einen Verbesserungsprozess zu starten.
Vom Erkennen zum Nutzen der Unterschiedlichkeit
Hat man diese Herausforderungen einmal erkannt, ist auch klar, dass sich diese Themen nicht einfach von selbst lösen, sondern gezielt zu bearbeiten sind. In einem entsprechenden Implementierungsprozess stehen daher folgende Schritte im Zentrum:
- Sichtbarmachen von Unterschieden und die Vermittlung von Wissen über unterschiedliche Zugänge, Werte und Einstellungen
- damit einhergehend die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses und der Akzeptanz der miteinander arbeitenden Generationen (das Konfliktpotenzial wird so reduziert)
- und zuletzt das bewusste Nutzen der Unterschiedlichkeit zum Wohl der Gesamtorganisation, was sich in der Produktivität und Innovationsfähigkeit auswirkt, aber auch in der Arbeitszufriedenheit.
Es gilt, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der die unterschiedlichen Stärken der einzelnen Generationen und Altersgruppen verstanden, wertgeschätzt und genutzt werden und alle den eigenen Beitrag für das Ganze kennen. Schlüsselfaktoren dabei sind (wie bei allen Veränderungsprozessen): Ein strategisch aufgesetzter und gut geplanter Prozess, die Rolle des Topmanagements und der Führungskräfte sowie eine begleitende, intensive Unternehmenskommunikation.
Implementierung eines strategischen Generationenmanagements
Folgende Elemente sind wichtig und kommen in der Praxis regelmäßig zum Einsatz:
- Altersgemischte Workshops auf Führungskräfte- und Mitarbeiterebene: Übungen machen Unterschiedlichkeit beim Führen und Geführtwerden sichtbar, Austausch über Führungsstile und Wissenstransfer über das Führen unterschiedlicher Generationen sowie altersgemischter Teams sind dabei wesentliche Bestandteile. Auf der Mitarbeiterebene werden unterschiedliche Bedürfnisse, Stärken und Arbeitsstile sichtbar gemacht, Generationenwissen wird transferiert und ermöglicht, die notwendigen Anpassungsvorschläge für die Gesamtorganisation gleich mit den Teilnehmern zu erarbeiten.
- Lernen miteinander und Lernen voneinander sowie Erfahrungsaustausch bringen Vorteile für jede Generation.
- Bei der Zusammensetzung von Projektteams wird auf die Altersdiversität geachtet: Besonders bei sehr komplexen Projekten und solchen mit großer Auswirkung (z. B. Industrie 4.0) nützen unterschiedliche Fertigkeiten, Erfahrungen und Stärken.
- Die Vermittlung unterschiedlicher Kommunikationstechniken und -stile sowie Sensibilisierung über unterschiedliche Ansprüche stärkt die Feedbackkultur zwischen den Generationen (Wunsch nach ständiger Rückmeldung ist unterschiedlich ausgeprägt).
- Etablierung einer guten Unternehmenskommunikation zur Abdeckung unterschiedlicher Kommunikationsbedürfnisse.
- Die Berücksichtigung der Individualisierung der Arbeitsbedingungen durch mehr Flexibilisierung bei Arbeitszeit und -einteilung zur Stärkung der Mitarbeiterbindung.
Fazit
Essenziell ist die Ausrichtung der Unternehmenskultur auf eine fruchtbringende Zusammenarbeit der verschiedenen Generationen. Lippenbekenntnisse sind zu wenig, die vertrauensvolle Umsetzung muss im Alltag erlebbar sein. Und wie wir gerade erkennen: Gerade in Krisen ist zwischen den Generationen Solidarität gefordert. Wenn ALLE, vor allem die Führungskräfte einer Organisation, die Chancen und Herausforderungen von (Alters-)Diversität kennen und entsprechend handeln, wird die Entfaltung der individuellen Ressourcen ermöglicht.