Führungswechsel erfolgreich gestalten

Mit einem Führungswechsel sind meist hohe Erwartungen von vielen Seiten verbunden. Und ein misslungener Start ist schwer aufzufangen.

Gründe, warum neue Führungskräfte die meist hohen Erwartungen an sie nicht erfüllen oder gar in ihrer neuen Position scheitern, gibt es viele. Nicht immer liegt dies an der Eignung der Person. Häufig sind auch die Erwartungen an die neue Führung nicht klar kommuniziert. Oder die neue Führungskraft schätzt die Rahmenbedingungen in dem Bereich nicht richtig ein und setzt die falschen Prioritäten.

Wenn Führungskräfte eine neue Führungsposition übernehmen, brauchen sie in der Regel neue Kompetenzen und müssen vorhandene ausbauen. Zudem müssen sie aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen ein teils anderes Führungsverhalten zeigen. Deshalb sollten Führungskräfte, wenn sie eine neue Position übernehmen, ihr bisheriges Selbst- und Rollenverständnis überdenken und ihr Verhalten gegebenenfalls neu justieren.
Beim Führen und Steuern eines Unternehmens oder einer Organisationseinheit gilt es sechs Rollen zu unterschieden – die der Führungskraft, des Managers, des Unternehmers, des Experten, des Visionärs und des Strategen.

Führungswechsel-Coaching Grafik1

Je nach Hierarchieebene und Organisationseinheit sowie aktueller Situation kann die Bedeutung dieser Rollen für den Führungserfolg divergieren. Letztlich muss aber jede Führungskraft sie in ihrer Person mit einer mehr oder minder starken Ausprägung vereinen.

Der Start ist erfolgsentscheidend

Bei Führungswechseln empfiehlt sich ein den Stabswechsel begleitendes Coaching – also ein Coaching, das die neue Führungskraft bei Antritt ihrer neuen Position und deren Wahrnehmung in den ersten 100 Tagen oder im ersten Jahr beratend und unterstützend begleitet. Denn in der Startphase wird die Führungskraft mit vielen neuen, häufig für sie überraschenden Fragen und Herausforderungen konfrontiert. Zugleich steht sie unter einer besonderen Beobachtung – seitens ihrer Vorgesetzten und Mitarbeiter: Wie ist der Neue? Wie agiert er? Kann man ihm vertrauen und auf ihn bauen? Deshalb ist die Startphase meist nicht nur für den kurz-, sondern auch langfristigen Erfolg einer Führungskraft entscheidend.

Ein Führungspositionswechsel-Coaching-Prozess umfasst folgende 6 Schritte.
Schritt 1: Guidelines definieren
Im Vorfeld des eigentlichen Führungswechsel-Coachings bespricht der Coach mit der neuen Führungskraft (und im Idealfall deren Vorgesetzten), wie sich der Bereich entwickeln soll. Sollen zum Beispiel primär die bestehenden Prozesse optimiert werden oder ist eine grundlegende Erneuerung nötig? Dabei gilt: Je größer der Change-Bedarf ist, umso stärker haben die Guidelines den Charakter eines Zielbilds bzw. einer Vision, aus der die Führungskraft selbst, alleine oder mit Unterstützung, die nötigen Handlungsstrategien und -schritte ableiten muss.

Schritt 2: die Rollenanforderungen ermitteln
Sind die Guidelines klar, gilt es zu reflektieren, welche der sechs Führungsrollen für das Führen der Organisationseinheit besonders relevant sind. Ist »der/die Neue« zum Beispiel eher als inspirierender Visionär oder als die Mitarbeiter befähigende Führungskraft oder als Entscheidungen konsequent umsetzender Manager gefragt? Außerdem: Welche Erwartungen hinsichtlich Agilität, Gestaltungswille, Change-Kompetenz usw. werden an ihn gestellt?
Schritt 3: Stärken und Schwächen analysieren
Im eigentlichen Coaching können dann – auch mit Testverfahren – u. a. folgende Fragen bearbeitet werden:
Welche Führungsaufgaben bzw. -rollen bevorzuge und vermeide ich?
Was kann ich besonders gut, worin sollte ich besser werden?
Wo fehlt mir Wissen und/oder Erfahrung?

Schritt 4: Chancen und Risiken analysieren
Im nächsten Schritt kann dann – u. a. ausgehend von den Herausforderungen, vor denen der Bereich steht – analysiert werden:
Welche Chancen und Risiken bietet die neue Führungsposition?
Welche Herausforderungen kommen auf mich zu?

Schritt 5: Führungsstrategie erarbeiten
Danach können Herausforderungen sowie Chancen und Risiken der neuen Position mit den Stärken und Schwächen der Führungskraft abgeglichen und entsprechende Handlungsstrategien abgeleitet werden – z. B. mithilfe einer SWOT-Analyse:
Welche meiner Stärken kann ich zum Wahrnehmen der Chancen nutzen?
Welche minimieren die Risiken?
Wie sollte ich meine Führungskompetenz erweitern, um die Chancen nutzen zu können?
Welche relevanten Führungsrollen und Aufgaben entsprechen am wenigsten meinen Stärken? Wie kann ich mir hierfür eventuell Unterstützung organisieren?

Schritt 6: einen Maßnahmenplan erstellen
Hierauf aufbauend können im Coaching mit der Führungskraft Maßnahmen definiert und erste Schritte zur Umsetzung erarbeitet werden. Die Handlungsschritte liegen auf zwei Ebenen:
Persönliche Ebene:
Wie kann ich meine (Führungs-)Kompetenz ausbauen und mir neues Wissen aneignen?
Was hilft mir beim Erweitern meiner Perspektiven und Handlungsspielräume?
Von wem kann ich mich beraten lassen?
Was sind meine Werte? Wofür stehe ich? Wie mache ich dies sichtbar/erfahrbar?

Organisationale Ebene:
Was sind die wichtigsten Handlungsfelder?
Welche Veränderungen sind einzuleiten? Was sind die ersten Schritte?
Welche Kontakte sollte ich knüpfen oder ausbauen?
Wie trete ich in eine gute Beziehung zu meinen Mitarbeitern? Wie gewinne ich ihr Vertrauen?
Wie gewinne ich sie (mittelfristig) für anstehende Veränderungen und nehme ich sie in die (Mit-)Verantwortung?

Der Führungswechsel-Coaching-Prozess ist kein linearer. Er vollzieht sich in Schleifen, in denen der Coach und der Coachee, also die gecoachte Person, bedarfsabhängig immer wieder die genannten Schritte durchlaufen und reflektieren: Entspricht das Vorgehen den Anforderungen des Unternehmens und dem Entwicklungsbedarf der Führungskraft?

Verhaltenssicherheit zeigen

Damit der Transfer der im Coaching gewonnenen Erkenntnisse in den Führungsalltag gelingt, können mit der Führungskraft weitere Maßnahmen vereinbart werden, bei denen der Coach als Unterstützer agiert. So ist zum Beispiel ein Teamworkshop meist ein guter Auftakt, um sich mit den neuen Mitarbeitern über die gemeinsamen Werte zu verständigen,
Regeln für die Zusammenarbeit zu vereinbaren und sich auf Herausforderungen einzustimmen.

Die Unterstützung des Coaches sollte sich jedoch stets am Bedarf der Führungskraft und des Bereichs bzw. Unternehmens orientieren, damit das übergeordnete Ziel des Coachings erreicht wird. Dieses lautet, die Führungskraft in ihren Kompetenzen so zu stärken, dass sie ihre Führungsfunktion von Anfang professionell und erfolgreich wahrnimmt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, wird durch ein Führungswechsel-Coaching stark erhöht, denn dieses stellt der Führungskraft einen Reflexion- und Sparringpartner sowie Impuls- und Ratgeber in einer Phase zur Seite, in der sie meist noch recht unsicher ist, zugleich jedoch im Brennpunkt der Beobachtung steht.

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Brammer, Gudula

Gastautorin
Gudula Brammer
ist Diplom-Pädagogin und zertifizierter Coach (DBVC). Sie arbeitet als Beraterin für das Machwürth Team International, Visselhövede, mit den Schwerpunkten Führungskräfte-Coaching sowie Führungskräfte- und Teamentwicklung.
www.mticonsultancy.com