Gender Pay Gap

Der nachstehende Artikel behandelt die neuen Vorgaben laut der Lohntransparenz-Richtlinie.

Am 30. März 2023 hat das Europäische Parlament seine Zustimmung zur neuen »EU-Lohntransparenzrichtlinie« (in der Folge kurz »RL«) erteilt. Das Ziel der RL ist, die Löhne und Gehälter transparenter zu machen und insbesondere auch, das Entgelt von Frauen und Männern für gleiche Arbeit  zu vereinheitlichen.

Gesetzliche Vorgaben

Arbeitnehmer werden in Österreich bereits aktuell durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen vor einer Ungleichbehandlung im Arbeitsleben geschützt. Die im Arbeitsrecht wichtigsten Diskriminierungsverbote sind im österreichischen Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) normiert, das in punkto Gleichstellung besonders geschützte Merkmale, wie z.B. das Geschlecht (oder das Alter, die Weltanschauung, die ethnische Zugehörigkeit odgl.), ausdrücklich regelt. Daneben schreibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz vor, dass es beim Vollzug des Arbeitsverhältnisses keine unsachliche Benachteiligung einer Minderheit gegenüber einer Mehrheit geben darf. Der Schutz gegen (unsachliche) Diskriminierung startet bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses und reicht über die Festsetzung des Entgelts, Beförderungen etc. bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer ist diskriminiert, wenn er schlechter gestellt ist und eine weniger günstige Behandlung erfährt (bzw. erfahren hat oder erfahren würde) als eine andere Person in dieser (bzw. einer vergleichbaren) Situation.

»Gender Pay Gap«

»Gender Pay Gap« ist die gängige Bezeichnung für das – trotz der gesetzlichen Vorgaben im GlBG – bisher bestehende geschlechtsspezifische Lohngefälle zwischen dem Bruttolohn eines Mannes und einer Frau, die die gleiche bzw. eine gleichwertige Arbeit verrichten. Frauen bekommen laut offiziellen Auswertungen von Eurostat u. a. für die gleiche Arbeit deutlich weniger bezahlt als Männer. Seit 2014 müssen österreichische Unternehmen mit 150 oder mehr Arbeitnehmern daher laut GlBG die Durchschnittseinkommen ihrer Mitarbeiter getrennt nach Geschlecht sowie Verwendungsgruppen und Verwendungsgruppenjahren intern in anonymisierter Form veröffentlichen, um einen möglichen Gender Pay Gap sichtbar zu machen. Die Inhalte des Berichts unterliegen der Verschwiegenheit. Bei Nichterstellung des Berichts sieht das GlBG keine Strafen vor. Österreich hatte im Jahr 2021 einen »Gender Pay Gap« von 18,8 %, der sohin deutlich über dem EU-Durchschnitt von 12,7 % lag. Auch bei der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in den Jahren 2012 bis 2021 liegt Österreich schlechter als der EU-Schnitt, was zeigt, dass die bestehenden Maßnahmen für eine Eindämmung nicht ausreichen.

Inkrafttreten der RL

Die RL, die auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission aus März 2021 »zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen« basiert, tritt nach deren Annahme durch den Rat der EU binnen 20 Tagen nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die RL sodann binnen drei Jahren nach deren Inkrafttreten (also bis Mitte 2026) in nationales Recht umsetzen.

Wesentliche Änderungen durch die RL

Die RL sieht vor, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern – künftig – eine Beschreibung der zugrunde gelegten, objektiv geschlechtsneutralen Kriterien für die Festlegung ihres Gehalts und einer Gehaltserhöhung zur Verfügung stellen müssen. Außerdem haben Arbeitnehmer unabhängig von der Größe des Arbeitgebers ein Auskunftsrecht nicht nur betreffend ihr eigenes individuelles Einkommen, sondern auch zum Durchschnittseinkommen jener Arbeitnehmer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Das soll den Arbeitnehmern erleichtern, ihr Entgelt mit dem der anderen Arbeitnehmer im Unternehmen zu vergleichen. Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer auf dieses Recht auch einmal jährlich aufmerksam machen.
Im Übrigen dürfen Arbeitnehmer nicht an der Offenlegung ihres Entgelts im Unternehmen oder extern (z. B. in einem Gerichtsverfahren) gehindert werden, wenn sie den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen wollen. Arbeitgeber mit mindestens 100 Arbeitnehmern sind zudem verpflichtet, ein allfälliges Lohngefälle zwischen Arbeitnehmern in ihrem Betrieb öffentlich zu machen. Der Zeitraum, ab dem dies erfolgen muss, und die Häufigkeit der vorgegebenen Berichte sind von der Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb abhängig, wobei die EU-Mitgliedstaaten auch niedrigere Mitarbeiterzahlen oder z. B. kürzere Abstände für die Berichte im Sinne eines »gold plating« (also einer Übererfüllung der RL-Vorgaben) vorsehen können. Wenn sich aus dieser Berichterstattung ein Unterschied beim Durchschnittseinkommen von Arbeitnehmern in Höhe von mindestens fünf Prozent ergibt und der Arbeitgeber diesen Unterschied nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Faktoren rechtfertigen kann, muss der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern eine gemeinsame Entgeltbewertung vornehmen. Zusätzlich müssen die EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der RL entsprechend abschreckende Sanktionen vorsehen, wenn der Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verletzt wird. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entschädigung, wenn sie durch den Verstoß ihres Arbeitgebers gegen die RL einen Schaden erleiden. Die Beweislast, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt, wird dabei auf den Arbeitgeber verlagert. Es bleibt abzuwarten, ob der österreichische Gesetzgeber neben den erwähnten Schranken der RL, die über die bisherigen Vorgaben im GlBG hinausgehen, auch weitere Verpflichtungen vorsehen wird.

Lohntransparenz beim Recruiting

Die RL sieht betreffend Stellenausschreibungen vor, dass Arbeitgeber – künftig – das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien basierende Einstiegseinkommen oder dessen Spanne für eine Stelle angeben müssen. Die Angabe kann z. B. in der Stellenausschreibung selbst oder auf eine andere Art vor dem Vorstellungsgespräch geschehen, ohne dass die Bewerber dies beantragen müssen. Arbeitgebern ist es in Zukunft untersagt, Bewerber zu ihrer Lohnentwicklung in ihrem früheren Beschäftigungsverhältnis zu befragen, sodass ihr Gehaltsverlauf nicht das angebotene Gehalt beeinflusst.
In Österreich sieht die aktuelle Rechtslage laut GlBG vor, dass Stellenanzeigen geschlechtsneutral formuliert sein müssen. Zudem muss der gesetzliche oder kollektivvertragliche Mindestlohn für die Stelle angegeben werden. Gibt es keine verbindlichen Regelungen zum Mindestlohn, muss dieser vom einstellenden Arbeitgeber festgelegt werden. Der in einer Stellenausschreibung angegebene Mindestlohn ist jedoch kein rechtsverbindliches Angebot. Erfüllen die Bewerber daher nicht alle in der Anzeige genannten Kriterien und stellt sie das Unternehmen dennoch ein, kann es auch einen niedrigeren Lohn als den in der Ausschreibung genannten anbieten. In der Stellenausschreibung ist die Bereitschaft zur Überzahlung gegenüber dem gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Mindestlohn anzuführen. Stellenausschreibungen für Führungspositionen müssen keine Informationen über den Mindestlohn enthalten. Bei Nichtbeachtung dieser Vorgaben drohen dem Arbeitgeber Verwaltungsstrafen.

Initiativen in Österreich

In Österreich laufen aktuell verschiedene Ini­tiativen, um den Gender Pay Gap auch über die erwähnten gesetzlichen Vorgaben hinaus zu verringern. Der im Frühjahr 2022 ins Leben gerufene österreichische Frauenfonds »LEA – Let’s Empower Austria« will dem Gender Pay Gap und Gender Pension Gap entgegenwirken und die sog. »MINT«-Berufe, in denen Frauen bisher besonders unterrepräsentiert sind, für Frauen attraktiver machen. Andere Aktivitäten i.d.Z. fördern Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen oder errichten neue Informationsplattformen, wie »neue Technik« oder Berufstage wie »Girls’ Day« für MINT-Berufe.

Fazit und Ausblick

Im Jahr 2023 war der »Equal Pay Day« am 16. Februar 2023. Bis dahin haben Frauen im Jahr 2023 angesichts des erwähnten Gender Pay Gaps im Vergleich zu Männern 47 Tage ohne Bezahlung gearbeitet. Die neue EU-Lohntransparenzrichtlinie verschärft die bereits z. T. bestehenden Maßnahmen zur Gleichstellung der Gehälter von Frauen und Männern für gleiche Arbeit und in puncto Transparenz deutlich und stellt dementsprechend auch diverse neue rechtliche und faktische Anforderungen beim Recruiting sowie bei der Entgeltgestaltung und -entwicklung für Männer und Frauen an Unternehmen.
Arbeitgeber sollten sich daher auch im Hinblick auf den sich ändernden Arbeitsmarkt und den Fachkräftemangel in vielen Bereichen zeitnah für die Beseitigung aktuell (noch) bestehender geschlechtsspezifischer Lohngefälle rüsten und die oben erwähnten Vorgaben umsetzen.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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