Über grenzenlose Zusammenarbeit und die Herausforderungen für Führungskräfte von virtuellen Teams.
Während bis vor wenigen Jahren noch oft Führungskräfte in die jeweilige Auslandsniederlassung entsendet wurden, wird heutzutage oft auf diese aufwändige Option verzichtet und den Beteiligten eine virtuelle Zusammenarbeit an ihren jeweiligen Standorten ermöglicht. Die Entwicklung hin zu dislozierten Teams, also Teams die örtlich verteilt sind, hält aber nicht nur in multinationalen Unternehmen Einzug. Immer öfter stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, Teams die an unterschiedlichen Standorten innerhalb Wiens bzw. Österreichs, oder vermehrt von daheim aus arbeiten, zu führen – dies birgt natürlich viel Potenzial, jedoch bringt es auch einige Herausforderungen.
Vorteile von virtuellen Teams
Gut funktionierende virtuelle Teams können Kosten- und Zeitressourcen, z. B. durch wegfallende An- und Abfahrten sparen, verstehen es, Wissen und Experten verschiedener Standorte effektiv zu nutzen, ihre Teammitglieder entsprechend ihrer Fähigkeiten statt örtlicher Verfügbarkeit zu rekrutieren und können somit im Idealfall sogar produktiver sein als so manch lokales Team.
Herausforderungen virtueller Teams
Um diesen Idealmoment zu erreichen, sind von virtuellen Teammitgliedern einige Herausforderungen zu meistern: Virtuelle Zusammenarbeit erfordert einen hohen Grad an Selbstorganisation der Mitarbeiter. Zudem fällt es schwerer, eine Identifikation des gesamten Teams sowohl mit der Organisation als auch mit dem Team selbst herzustellen. Oft entsteht ein Gefühl der Isolation und Unklarheiten bzgl. Ablaufprozessen, Aufgaben, Rollen, Verantwortlichkeiten sowie Prioritäten. Dadurch kommt es leichter zu Missverständnissen und Konflikten im Vergleich zu Teams, welche am gleichen Standort arbeiten. Des Weiteren sind virtuelle Teams klar von den eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien abhängig (Remdisch, 2005). Insbesondere hier sehen wir Aufholbedarf. Die Ergebnisse der 2015 durchgeführten DNA Studie zeigen, dass nur die Hälfte der Teilnehmer angibt, digital auf Informationen, Daten und Arbeitsmaterialien zugreifen zu können, und weniger als ein Drittel hat die Möglichkeit, virtuell an Meetings teilzunehmen.
Performance und Beziehungsaufbau
Studienergebnisse zeigen (u. a. Horwitz et al. 2006), dass der größte positive Einfluss auf die Performance von virtuellen Teams durch verbesserte interkulturelle Kommunikationskompetenz, Führung, klare Ziele und Rollen sowie Beziehungsaufbau erwirkt werden kann. Wie kann es eine Führungskraft schaffen, eine Beziehung aufzubauen, wenn sie die Teamkollegen vielleicht nie oder selten sieht? Ein Team von Forschern (Malhotra et al 2007), welches sich über Jahrzehnte mit der Führung von virtuellen Teams beschäftigt hat, hebt basierend auf qualitativen und quantitativen Erhebungen folgende Aspekte hervor:
1. Aufbau und Pflege von Vertrauen durch den Einsatz von Kommunikationstechnologie
- Klare Regeln für die Art, Häufigkeit und den Kanal der Informationsweitergabe festlegen.
- Überarbeitung und Anpassung der Kommunikationsregeln bei Weiterentwicklung des Teams (virtuelle Get-togethers).
- Arbeitsfortschritt sichtbar machen, beispielsweise durch virtuelle Plattformen, Zeitpläne etc. bzw. eine Balanced Scorecard, auf welche alle Teammitglieder Zugriff haben.
- Rotierende Meetingzeiten, damit alle geografischen Zonen – sofern möglich – gleichmäßig berücksichtigt werden.
2. Managen von virtuellen Arbeitszyklen, Teamfortschritt und Meetings
- Virtuelle Meetings immer mit Beziehungspflege beginnen (gemeinsames virtuelles Kaffee-trinken oder Ähnliches).
- Während den Meetings bewusst alle Teammitglieder in das Gespräch miteinbeziehen.
- Nach dem Meeting das Protokoll sowie Entscheidungen, bzw. nächste geplante Schritte zeitnah der digitalen Teamplattform hinzufügen.
- Auch virtuell Erfolge feiern!
- Asynchrone (elektronische Diskussionen und neue Dokumente im virtuellen Teambereich) und synchrone (virtuelle Meetings bzw. instant messaging) Kommunikation genau verfolgen und ehestmöglich beantworten.
Weniger Kontrolle
Grundvoraussetzung für die Umsetzung dieser Aspekte in virtuellen Teams ist ein niedriges Kontrollbedürfnis und dementsprechend eine hohe Vertrauensbereitschaft. Dies bedeutet nicht, dass Resultate nicht gefordert werden sollen, sondern dass die Arbeitsaufgaben präzise strukturiert sind, Rollen und Verantwortlichkeiten eindeutig verteilt sind und bis zur Deadline der Selbstorganisationsfähigkeit der Mitarbeiter vertraut wird.
Erfolgsfaktor Multikommunikation
Neben Enthusiasmus und einer gemeinsamen Teamvision spielen stark transaktionale Aktivitäten eine Rolle, bspw. kontinuierliche und häufige Interaktion, rechtzeitige und regelmäßige Informationsweitergabe, konstantes Feedback und das konsequente Nachkommen von Verpflichtungen. Dies kann mitunter dazu führen, dass »high trust teams« bis zu dem Vierfachen an Nachrichten im Vergleich zu »low trust teams« austauschen. Verständlicherweise kann das auch zu einer Kommunikationsüberladung führen, Teammitglieder fühlen sich von der »eigentlichen« Arbeit abgelenkt, Ergebnisse werden nicht zeitgerecht abgeliefert, E-Mails bleiben unbeantwortet. Neben Kommunikationsregeln und einer technischen Medienkompetenz sind hier auch eine Sensibilität für die Eigenlogik und Dynamik der eingesetzten Medien von besonderer Bedeutung.
Fazit
Virtuelle Teams bedürfen förderlicher organisationaler Strukturen sowie einer starken Vertrauens- und Kommunikationskultur, um sich zu virtuellen High-Trust-Performance-Teams entwickeln zu können.
Quellen & Literaturempfehlungen:
- Arvind Malhotra/Ann Majchrzak/Benson Rosen (2007): Leading Virtual Teams. Academy of Management Perspectives, vol. 21 no. 1, S. 60 – 70.
- Frank M. Horwitz/Desmond Bravington/Ulrik Silvis (2006): The promise of virtual teams: identifying key factors in effectiveness and failure. Journal of European Industrial Training, Vol. 30 No. 6, pp. 472 – 494.
- Sirkka L. Jarvenpaa/Thomas R. Shaw/D. Sandy Staples (2004): The Role of Trust in Global Virtual Teams. Information Systems Research, 15(3), pp. 250 – 267.
- Petra Köppel (2009): Virtuelle Teams: Die Rolle der Führung. In: Christoph Barmeyer & Jürgen Bolten (Hrsg.) »Interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung«, 2009, Verlag Wissenschaft & Praxis.
- Linda Peters/Ronald J. Karren (2009): An Examination of the Roles of Trust and Functional Diversity on Virtual Team Performance Ratings. Group & Organization Management, Volume 34 Number 4, 479 – 504.
- Sabine Remdisch (2005): Forschungsprojekt Distance Leadership der Universität Lüneburg: www.uni-lueneburg.de/distanceleadership