Change-Prozesse brauchen die ganzheitlichen Fähigkeiten aller Beteiligten. Welche Möglichkeiten es gibt, diese zu aktivieren, lesen Sie in diesem Artikel.
Die digitale Transformation fordert die Veränderungsfähigkeit von Menschen und Organisationen. Für Führungskräfte, Projektteams und HR-Management ist dabei eine zentrale Frage: Wie bringen wir die Menschen ins Boot? Projektmanager, interne Vorreiterteams und Change-Agenten sind in der digitalen Transformation vor allem mit ihren zwischenmenschlichen Fähigkeiten als Führungspersönlichkeiten gefordert.
In unserer Beratungs- und Trainingsarbeit erleben wir diese Entwicklung vermehrt. Als geeignete, in der Praxis erfolgreiche Methode empfehlen wir »hilfreiche Gespräche« einzusetzen – diese ermöglichen die Chance, eine geeignete Vorgehensweise bei besonders kritischen Fragestellungen zu entwickeln. Daraus ergibt sich dann ein Gewinn für das Team und das Unternehmen.
Hilfreiche Gespräche
»Besprich die Situation und dein Anliegen mit anderen« steht als gemeinsamer Gedanke über den Instrumenten Coaching, Mentoring, Sparring und Community of Practice. Bei der Lösung konkreter Anliegen weiterkommen und dabei persönlich wachsen, das leistet ein erfolgreiches »hilfreiches Gespräch«.
Wie ist das möglich? Verschiedene Schulen bieten Erklärungsmodelle und methodische Zugänge an. Ein wesentlicher Faktor im Gespräch spielt die Haltung gegenüber der Person mit dem Anliegen. Im Unternehmen fördert eine von Vertrauen geprägte Kultur derartige Prozesse. Andererseits blockieren Angst vor Gesichtsverlust und Konkurrenz einen offenen Umgang miteinander. Aus einem erfolgreichen »hilfreichen Gespräch« gewinnt die Person neues Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Konstruktivere Lösungszugänge ermöglichen ihr, ihre Potenziale besser in die Arbeit einzubringen und fördern so die Zusammenarbeit in Gruppen, Teams und Organisationen nachhaltig.
Anlässe und Chancen
Was früher unter dem Titel »systemisches Denken« firmierte, hat breiteren Eingang ins Bewusstsein gefunden: Oft gibt es kein »richtig oder falsch«, sondern es existiert ein Lösungsraum, und je nach Blickwinkel ist eine Lösung besser oder schlechter als die andere.
In Verbindung mit der digitalen Transformation sind wir intensiv mit derartigen Frage- und Problemstellungen konfrontiert, charakterisiert als »Wicked Problems« (wörtlich: bösartige, hinterhältige Probleme). Wicked Problems bedeuten für die Herangehensweise der Entscheidungsfindung einen Kulturwandel: Vom rezepthaften Anwenden erlernter Vorgehensweisen zum Reflektieren, vom Hinterfragen der Zusammenhänge zur Berücksichtigung individueller Sichtweisen. Dies gelingt häufig am besten in Verbindung mit einem Meinungsaustausch untereinander. Unterschiedliche Gesprächsformate wie Coaching, Mentoring, Sparring oder Community of Practice sind für einzelne Personen mehr oder weniger geeignet. In der Community of Practice hilft z. B. eine Moderation den Teilnehmenden, in der Erwartungshaltung zu bleiben, statt in die Rolle des Probleminhabers zu schlüpfen und die eigene Vorstellung passender Lösungen behaupten zu wollen. Coaches wachsen in ihre Rolle durch Reflexion über sich und ihre Arbeit – schlüssiger Weise wird diese Reflexion genauso durch Sparring Partner in Settings der kollegialen Beratung und Supervision gefördert.
Unterscheidung von Varianten nach Anwendungsgebieten und Settings
Die Gesprächsformen unterscheiden sich bezüglich der Anwendungsgebiete, der teilnehmenden Personen und des Settings. Jedes Gespräch bildet eine abgeschlossene Einheit, mit einem Anliegen und einer Entscheidung für zumindest einen nächsten Schritt.
Coaching: Der Begriff »Coaching« wird je nach Zusammenhang unterschiedlich eingesetzt.
1. Im engeren, eigentlichen Sinn versteht es sich als Persönlichkeits-Coaching mit individuellem Auftrag.
2. Breiter gefasst spricht man von »Coaching« im Fall der »Beratung« von Mitarbeitern oder Teams, bezogen auf ihre Rolle in der Organisation. Das Coaching erfolgt hierbei durch Externe, wie z. B. »Führungskräfte-Coaching«.
3. Weiters wird der Begriff »Coaching« (fälschlicherweise) in Verbindung mit der Aneignung von methodischen Fähigkeiten mit Hilfe eines erfahrenen Kollegen – einem »Buddy-System« entsprechend – verwendet.
Ein Spezialfall ist das »agile Coaching«. Es unterstützt im Adaptieren von Vorgehensweisen aus »agile-lean« Frameworks individuelle Situationen und hilft Personen, in neue Rollen zu wachsen. Darüber hinaus leistet es eine Change-Begleitung in der Organisation, denn die Einführung agiler Vorgehensweisen in einer Organisation geht über den Aufbau von Strukturen und Methodenkenntnissen hinaus. Es ist ein Change der Werte in der Unternehmenskultur, der Strategie und im Mindset.
Mentoring: Zielgruppe eines Mentorings sind Menschen, die sich in einem Kontext weiterentwickeln wollen. Verbreitete »Kontexte« sind beruflich, akademisch oder künstlerisch. Mentoren teilen Einsichten aufgrund ihrer eigenen beruflichen Erfahrungen. Gemeinsamkeiten im beruflichen Umfeld und/oder Aufgabenbereich sind dafür die Basis.
Sparring: Ausgangspunkt eines Sparrings ist ein konkretes Anliegen einer Person A. In der Rolle als Sparring-Partner im beruflichen Kontext teilt eine Person B ihre Eindrücke und Überlegungen zu Situation, Lösungsideen oder Vorgehensweisen von A. Ein Austausch auf Augenhöhe.
Community of Practice: In einer Community of Practice treffen sich Peers, d. h. Menschen mit ähnlichen Aufgaben und Rollen. In einem strukturierten Austausch in moderierter Form tragen mehrere ihre Sichtweisen zu einem Anliegen bei. Alle übernehmen dabei abwechselnd die Rolle der Probleminhaber und der Sparing-Partner. Die Rolle der Moderation kann ebenfalls unter den Mitgliedern rotieren.
Fazit
In Change-Situationen sind rollenbezogene Coachings, z. B. agiles Coaching oder Coaching für Projektmanager, und weitere Varianten hilfreicher Gespräche jeweils Chance und wertvolle Ressource. Change braucht und fordert die ganzheitlichen Fähigkeiten der Mitwirkenden. Ein wirksamer Hebel zur erfolgreichen Umsetzung von Change-Vorhaben ist die konstruktive Begleitung der Mitwirkenden.