Home-Office: Fluch oder Segen?

Viele Büroarbeiter haben ihren Arbeitsplatz häufig oder ständig nach Hause verlegt. Wie kommen wir damit zurecht?

Das Home-Office als Arbeitsplatz ist nach beinahe einem Jahr Corona-Pandemie für viele ein großes Provisorium – sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Zu Beginn noch ein Experiment und »Abenteuer« (Habe ich Zugriff auf alle notwendigen Dokumente? Welche digitalen Medien verwende ich für Meetings?), ist bei vielen bereits Routine, aber auch Erschöpfung eingekehrt. Einerseits hat der Zwang zur Digitalisierung diese beschleunigt und gezeigt, was möglich ist. Andererseits ist man im Home-Office oft auf sich allein gestellt. Wie steht es um Themen wie Vertrauen und Kontrollverlust? Ist man vielleicht sogar dankbar für einen sicheren Arbeitsplatz oder überwiegt die Sehnsucht nach persönlichen Kontakten?

Mario Filoxenidis: »Im Home-Office kommt es noch stärker als im Bürobetrieb auf starke Selbstmotivation an. Wie schafft man es als Unternehmen, die notwendigen Faktoren wie Wertschätzung, Vertrauen und regelmäßiges Feedback virtuell zu vermitteln? Als Führungskraft die gewünschte Unternehmenskultur mit Vorbildwirkung zu leben, gelingt dezentral nicht so einfach. Bei jungen Menschen ist zusätzlich deren Sozialisierung zu berücksichtigen – technische Errungenschaften und die entsprechenden Kommunikationskanäle werden viel selbstverständlicher genutzt. Das regelmäßige persönliche Gespräch verlagert sich in den digitalen Raum. Ein hohes Motivationsniveau im Team ist nicht zuletzt auf die Kommunikations- und Führungskultur im Unternehmen zurückzuführen. Hier gibt es Möglichkeiten zur Messung und Beobachtung.«

Stimmungsbild 1. Welle

EUCUSA, Spezialist für Feedback, initiierte unter www.homeoffice-check.com ein Stimmungsbarometer und erhielt seit Ende März 2020 richtungsweisende Erkenntnisse. Befragt wurden Spezialisten aus dem HR-Bereich und Führungskräfte, vor allem über den eigenen Newsletter sowie über Social Media.
In der ersten Welle kamen alle Befragten grundsätzlich sehr gut mit der Home-Office-Situation zurecht. Der EUCUSA-Index lag mit 1,8 auf der 6-teiligen Skala (1 = bester Wert, 6 = schlechtester Wert) im grünen Bereich der Ampelskala. Von den drei abgefragten Dimensionen schnitten »Arbeitsplatz« mit 1,7 und »Arbeitsbedingungen« mit 1,8 sehr positiv ab. Die Dimension »Kommunikation« lag mit 2 dahinter, aber immer noch im grünen Bereich.
Als am wichtigsten wurden von den Befragten die Aspekte »ich kann im Home-Office konzentriert arbeiten«, »die digitalen Kommunikationskanäle funktionieren« und »digitale Ausstattung« (alle digitalen Möglichkeiten zur Erledigung der Arbeit vorhanden) betrachtet. Die große Mehrheit war hier sehr zufrieden. Ausreißer: Haushalte mit Kindern sahen das Thema »konzentriertes Arbeiten«, aber auch die digitalen Möglichkeiten deutlich problematischer.
Eindeutig der schwierigste Bereich: Die Aussage »Die fehlenden Sozialkontakte werden mit einem Mehr an digitaler Kommunikation wett gemacht« erreicht nur einen Wert von 3,1 auf der 6er-Skala und ist somit der einzige Aspekt im roten Bereich. Der Kontakt mit Führungskraft und Kollegen sowie die Erreichbarkeit für Kunden wird zwar als ausreichend definiert. Was aber fehlt, ist die emotionale Ebene – die kleinen persönlichen Erlebnisse und der Austausch in der Kaffeeküche, wichtig für Teamspirit, Motivation und gute Ideen. Digitale Medien können das nicht ersetzen.
Die Bereitschaft, auch nach der Ausnahmesituation zukünftig verstärkt im Home-Office zu arbeiten, war im Frühjahr stark ausgeprägt. 82 % stimmten dieser Aussage voll bis leicht zu. Wenn man schon vor Corona Erfahrung mit Home-Office hatte, empfand man diese Arbeitssituation positiver als »Neulinge«.

Unterschiede in der 2. Welle (bzw. 3.)

Der EUCUSA-Index sank von 1,8 auf 2,2 und rutschte somit in den gelben Bereich im Ampelsystem. Alle drei Dimensionen (Arbeitsplatz, Arbeitsbedingungen und Kommunikation) haben sich leicht verschlechtert, am stärksten die Kommunikation von 2 auf 2,6. Die wichtigsten Aspekte blieben »ich kann im Home-Office konzentriert arbeiten«, »die digitalen Kommunikationskanäle funktionieren« und »digitale Ausstattung«. Dazu kam zusätzlich die Fragestellung zur »Einstellung zum Thema Home-Office«, die als entscheidend für die Zufriedenheit betrachtet wurde. Schwierigster Bereich blieben die fehlenden Sozialkontakte (Verschlechterung von 3,1 auf 3,6, als einziger Aspekt im roten Bereich). Zusätzlich in der 2. Welle in den gelben Bereich gerutscht: Fehlender Kontakt zu den Kollegen  (mit -0,9 auf 2,8).

Insgesamt ist Home-Office in der derzeitigen Situation eine Erleichterung, es werden explizit auch die Vorteile gesehen, wie z. B. der Wegfall des Wegs in die Arbeit etc. Sich selbst betrachten die Befragten auch im Home-Office als zu 100 % wirksam, d. h. nicht weniger wirksam als am Büroarbeitsplatz.

Befragung Gesundheitswesen

Den EUCUSA Home-Office-Check für eine konkrete Befragung ihrer Mitarbeiter hat in der 2. Welle ein Unternehmen im Gesundheitswesen genützt. 194 Mitarbeiter hatten an der »Teleworking-Befragung« teilgenommen. Bewertet wurde auf einer vom Kunden gewünschten Skala von 0 bis 100 (wobei 100 der Bestwert war). Die Rücklaufquote war mit 92 % sehr hoch. (Die Ampelskala mit rot/gelb/grün war wieder die gleiche.)
Mit einem Index von 88 befand man sich ebenfalls im grünen Bereich, ebenso mit allen drei Dimensionen (»Arbeitsplatz«, »Arbeitsbedingungen« und »Kommunikation«). Alle wesentlichen Einzelaspekte hatten ebenfalls hohe Zustimmung und so befand sich im Handlungsportfolio kein einziger Aspekt im »roten Bereich« mit dringendem Handlungsbedarf.

Wichtigste Aspekte:

  • Positive Einstellung zu Teleworking (97) =  gleichzeitig der am besten bewertete
  • Konzentriertes Arbeiten (94)
  • Digitale Ausstattung (87)

Die Frage zu den fehlenden Sozialkontakten wurde auch in diesem Unternehmen mit »gelb« im Ampelsystem beurteilt. Allerdings wurde das Thema als nicht so wichtig beurteilt wie bei der allgemeinen Befragung. Die Erkenntnis: Die eigenen Mitarbeiter sollten beurteilen dürfen, wie wichtig ihnen eine Thematik ist!
Teleworking wurde insgesamt als Erleichterung in der allgemeinen Situation empfunden und von den Befragten kein Qualitäts- oder Effizienzverlust festgestellt. Wirksames Arbeiten wurde von knapp 80 % als zu 90 – 100% gegeben eingeschätzt.

Weitere Erkenntnisse: Die Möglichkeit zur Konzentration im Home-Office wird schwieriger, je mehr Kinder zu betreuen sind. Die größte Erleichterung bei der Gesamtsituation gab es allerdings bei einem betreuungspflichtigen Kind im Haushalt. Die direkten Sozialkontakte fehlten Personen mit Führungsverantwortung mehr, d. h. virtuelles Führen ist offensichtlich ungewohnt. Jungen Befragten fiel die Konzentration schwerer.

Peter Aichberger fasst zusammen: »Wenn man die Befragten der 2. Welle vergleicht (einerseits allgemeine Gruppe von EUCUSA-Kontakten, andererseits Mitarbeiter eines konkreten Unternehmens) waren die Antworten nicht homogen. Im Allgemeinen waren die Ergebnisse deutlich kritischer als bei der ersten Welle, vor allem was die Kompensation der Sozialkontakte und den Kontakt zu Kollegen betrifft. Die Mitarbeiter im befragten Unternehmen im Gesundheitswesen hingegen waren deutlich zufriedener. Was aber übereinstimmt: Die Vorstellung vom künftigen Home-Office-Anteil mit ca. 50 %. Und die selbstbewusste Einschätzung der hohen Effizienz der Heimarbeit.«

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Mario Filoxenidis
ist Geschäftsführer
der EUCUSA
Consulting GmbH.
www.eucusa.com

 

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Peter Aichberger
ist Geschäftsführer
der EUCUSA
Consulting GmbH.
www.eucusa.com

 

Dieser Text nutzt für die sprachliche Gleichbehandlung aller Menschen geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen auf Basis des generischen Neutrums (siehe www.generisches-neutrum.com).