HR-Transformation und Zukunft des HR

Wie HR zur Schlüsselfunktion in Unternehmen wird – und warum operative Aufgaben nicht vernachlässigt werden dürfen.

Sieht man sich in HR-Fachkreisen um, analysiert Trendstudien und besucht Tagungen, fallen die derzeitigen HR-Trends auf. Themen wie KI und Digitalisierung, Diversität, Talentmanagement, Unternehmenskultur, agile Arbeitsformen, flache Hierarchien, zukunftsorientierte Führungsmodelle sowie die Transformation und der Wandel des HR stehen im Fokus. Die meisten dieser Themen lassen sich unter strategische Themen zusammenfassen. Die unpopulären Themen, wie Entlassungen, Krankenstände oder Kündigungen, die HR-Abteilungen besonders in den aktuell wirtschaftlich herausfordernden Zeiten beschäftigen, werden hingegen seltener diskutiert.

Der Wandel zum strategischen Partner

Orientieren wir uns nur an diesen Trends, könnten wir annehmen, dass das HR dort angekommen ist, wo es Visionäre seit den 1980er-Jahren sahen. Besonders prägend war Dave Ulrichs Beitrag, der HR-Rollen, die er als Verwaltungs-Experte, Employee Champion, Change Agent und strategischer Partner definierte. Mit diesem Modell sollten Personalisten die fast ausschließlich administrative Rolle ablegen und sich als proaktive Partner in der Unternehmensstrategie etablieren. Viele HR-Abteilungen haben diese Vision seither aufgegriffen und versuchen, sich an den langfristigen Unternehmenszielen auszurichten und strategischen Mehrwert zu schaffen.

Spannungsfeld zwischen Strategie und operativer Rolle

Eine aktuelle Literaturstudie zeichnet jedoch ein differenzierteres Bild der Situation. Der Wandel hin zur strategischen Rolle ist in vielen Organisationen nur bedingt gelungen. Die Studienergebnisse lassen erkennen, dass Faktoren wie Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit, Unternehmenskultur und die Unterstützung durch das Top-Management eine entscheidende Rolle spielen. Während einige Organisationen belegen, dass HR mittlerweile in strategischen Entscheidungsprozessen mitwirkt, bleibt in anderen der operative Anteil übermächtig. HR-Fachkräfte verbringen dort nach wie vor einen Großteil ihrer Zeit mit klassischen Tätigkeiten wie Lohnverrechnung, Rekrutierung und Vertragsgestaltung. Typische Strategien um sich von rein administrativen Aufgaben zu lösen, ist zum einen die Delegation von Aufgaben an Linienmanager:innen, zum anderen das Outsourcing bestimmter Tätigkeiten und letztlich die zunehmende Automatisierung von HR-Prozessen.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass das HR durch die Abgabe ihrer administrativen Tätigkeiten Gefahr läuft in ihrer Kernexpertise nicht mehr gesehen zu werden, was es auch in ihrer strategischen Rolle schwächt. Daher plädieren die Autoren dazu die strategische und operative Rolle konsequent synergetisch und integrativ zu denken und auszuführen. Ein integrierter Ansatz wäre, operative Aufgaben zu einem Fundament strategischer Beiträge zu machen. Ein Beispiel hierfür ist die Personalentwicklungsprogramme für Mitarbeiter zu verwalten (eine operative Aufgabe) und diese Programme gleichzeitig konsequent auf die strategischen Bedürfnisse des Unternehmens abzustimmen (z. B. die Entwicklung von Fähigkeiten für künftige Führungsaufgaben) und so Synergien zwischen den operativen und strategischen Aspekten der Personalarbeit zu schaffen. So könnte HR nicht nur zu besseren Arbeitsergebnissen beitragen, sondern zugleich das Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden verbessern und die langfristige Wertschöpfung fördern.

Technologische Disruption und die Zukunftsfrage

In einer Zeit massiver technologischer Disruptionen wird sich HR zukünftig erneut der Frage nach der eigenen Legitimität stellen müssen. Besonders in Abteilungen, die noch in hauptsächlich administrativen Rollen verharren, könnte dies entscheidend sein. Die Gefahr, dass HR durch datengetriebene oder automatisierte Systeme ersetzt wird, wächst, wenn der strategische Fokus ausbleibt.

Der Weg nach vorne: Eine nachhaltige HR-Transformation

Weibel und Vogt (2024) fordern in ihrer jüngsten Publikation mehr als nur den bloßen Wechsel hin zu einer strategischen Rolle. Sie appellieren an die tiefere Selbstreflexion des HR und betonen, dass echte Transformation nur durch das bewusste Infragestellen des Status quo erreicht werden kann. HR sollte mutig genug sein, sich selbst neu zu definieren und über das strategische Partner-Denken hinauszugehen. Diese Veränderung setzt die Bereitschaft voraus, auch unbequeme Fragen zu stellen, die traditionelle Rolle von HR kritisch zu hinterfragen und seinen Platz an der Seite des Top-Managements einzufordern.
Es wird klar, dass sich die Zukunft des HR nicht nur an den neuesten technologischen und strategischen Entwicklungen orientieren kann. Vielmehr steht das HR der Zukunft vor der Aufgabe, Menschlichkeit und Wertschöpfung in Einklang zu bringen und so eine positive, menschzentrierte Arbeitswelt zu gestalten. Dies ist eine Chance, die über die Existenzberechtigung der HR-Funktion hinausgeht: Sie könnte zum »Gestalter einer nachhaltigen Arbeitskultur« werden. Doch dazu muss HR den Mut haben, sich als Motor für echte Veränderung und soziale Nachhaltigkeit zu verstehen. Wenn es gelingt, HR mit diesem Geist zu beleben, was auch mit einer entsprechenden Positionierung im Unternehmen einhergeht, könnte HR den Wandel der Arbeitswelt prägen – hin zu einer Organisation, die nicht nur den Unternehmensgewinn maximiert, sondern das Wohl aller Mitarbeitenden und der Gesellschaft als Ganzes in den Mittelpunkt stellt.

Literatur:
Boxall, P., Cayrat, C. (2023). The roles of the HR function: A systematic review of tensions, continuity and change. In Human Resource Management Review, 33, p 1-26.
Weibel, A., Vogt, O. (2024). Beyond the Bottom Line – Changing HR to Chage the Future of Work. Conference Paper. Researchgate, p 1-8.
Bruch, H., Lohmann, T., Neu, M. (2023). Trend-Barometer: People Management 2030. Im Umbruch zwischen Technologie- und Kulturtransformation.  Report. Universität St.Gallen. S. 1-31.
Ulrich, D. (1997). Human resource champions: The next agenda for adding value and delivering results. Harvard Business Press.

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Gastautor
Gloria Warmuth
Academic ­Expert & Lecture, Organisationsentwicklung, New Work, Diversity, Equity & Inclusion.
www.fh-wien.ac.at