Revolution der Arbeitswelt: Das »neue Arbeiten« prägt nicht nur unsere täglichen Abläufe, sondern auch das Zusammenspiel zwischen den Generationen.
Das waren noch Zeiten, als die Arbeitsplätze begehrt und das Angebot an fähigen potenziellen Mitarbeitern groß war. Das G’riss um einen Job bei internationalen Konzernen war gewaltig – alle wollten sich mit den Namen bekannter Konzerne schmücken. Die HR-Abteilungen hatten es lustig im Recruiting. Sie konnten die Bewerber gegeneinander antreten lassen, im Rahmen von Assessment-Centern spannenden Herausforderungen aussetzen und dann vermeintlich wissenschaftlich von Assessoren bewerten lassen. Als Bewerber musste man sich so ziemlich alles gefallen lassen – auch die Gehaltseinstufung und entsprechende Verwendung. Die Universitäten spülten die jungen Leute nur so rein in den Arbeitsmarkt, die Zusatzausbildungen, allesamt entgeltlich, boomten und entsprechend lang wurden die Titelzeilen vor und nach den Namen.
Aus und vorbei. Das Blatt hat sich gewendet. Nicht das Unternehmen untersucht die Humanressource auf Eignung, sondern die sich Bewerbenden untersuchen das Unternehmen auf Eignung. Welche Ressourcen bietet das Unternehmen? Will ich dort überhaupt ein Bild von mir hängen haben? Können die mir das liefern, das ich mir wert bin? Bekomme ich jene Position, von der ich mir erwarte, dass ich sie perfekt ausfülle? Der feste Glaube, ältere Generationen in der Pfeife rauchen zu können, weil man ein Mobiltelefon benützen kann, hat dazu geführt, dass das komplette Hierarchiegerüst in Unternehmen gestürzt wird. Es werden immer neue Führungsebenen eingezogen, nur damit Führungspositionen vergeben werden können. Operativ arbeiten nur noch die anderen, selbst verortet man sich irgendwo zwischen Vorstand und Aufsichtsrat – wozu hat man zwei Semester in London oder New York City studiert und kann den entsprechenden Dialekt und Gestus perfekt imitieren? Vorhandene Unternehmenskultur? Interessiert mich nicht. Bestehende Dienstwege? Wie lächerlich. Respekt vor geschaffenen Werten? Bringt mich nicht weiter.
Verhaltensbiologisch betrachtet fahren die Jungen gerade all die Wertschöpfung an die Wand, welche ihnen in Wahrheit erst die Bühne für ihr Gebärden ermöglicht hat. Evolutionsbiologisch und systemtheoretisch ist das nichts Neues. Ausgereifte, extrem geordnete Systeme sind irgendwann ausgereizt. Dann braucht es chaotische Interventionen, ein Zerschlagen, ein Zusammenbrechen des Systems, um aus den Resten wieder ein neues System mit einer anderen, stetig zunehmenden Ordnung zu gestalten. Mir scheint, wir sind an so einem Turning Point angelangt.
Und die Jungen, die Nachrückenden, sie haben Recht. Ihre Perspektive auf ihr Leben ist richtig, ihr anarchistisches Verhalten dringend notwendig. Reife Systeme werden nicht mehr besser, nur komplexer. Sie sehen die Schmerzen, welche die Älteren nicht mehr spüren. Sie nehmen den Kampf gegen systemimmanente Unsinnigkeiten auf, den die Älteren längst resignativ hingenommen haben. Sie zeigen, wie es gehen könnte – und vermutlich auch gehen wird. Und damit kommen die Älteren nicht klar. Es tut weh, vorgeführt zu bekommen, wie Arbeit gestaltbar sein kann – wenn man es sich traut. Die Jungen stellen damit den Älteren ein Zeugnis aus, um das die Älteren nie gebeten haben. Und das ist aus meiner Sicht als Evolutionsbiologe die große Herausforderung an die HR-Abteilungen: Wie wird es Euch gelingen, die nächsten fünfzehn Jahre so zu gestalten, dass sowohl die Älteren, mit ihren Arbeitstraditionen und Usancen, als auch die Jüngeren, mit ihrem komplett anderen Zugang, gemeinsam etwas voranbringen? Spoiler: Sie werden auf einander zugehen müssen, sie werden voneinander lernen müssen.