Individualität macht attraktiv

Hohes Gehalt? Gute Entwicklungschancen? Oder doch die Nähe zum Wohnort? Warum sich Menschen für oder gegen einen Arbeitgeber entscheiden, liegt oft im Dunkeln.

Unternehmen wissen oft nicht genau, warum sich ihre Mitarbeiter für sie entschieden haben. Damit räumt die aktuelle Employer-Branding-Studie von StepStone Österreich nun auf: Sie zeigt, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, dass ein Arbeitgeber als attraktiv wahrgenommen wird – und mit welchen Maßnahmen welche Zielgruppen angesprochen werden können.
Sehnsucht nach Wertschätzung
Das Wichtigste vorneweg: Statt »klassischen« Faktoren wie Gehalt, Karriere oder Benefits wie Firmenwagen und Sportklub-Abo wiegen die menschlichen Faktoren mittlerweile schwerer bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber. Vor allem wertschätzender Umgang und die gute Stimmung im Team sind es, die einen Arbeitsplatz attraktiv erscheinen lassen, zeigt die Studie: So sind 75 % aller Befragten davon überzeugt, dass der respektvolle Umgang mit Mitarbeitern die Firma auch über die Unternehmensgrenzen hinweg zu einem vielversprechenden Arbeitgeber machen, der Kandidaten und Bewerber durch den menschlichen Umgang mit seinen Mitarbeitern anspricht und an Bord holt.
Aber nicht nur mit den Kollegen, auch mit dem Chef muss die Chemie stimmen: Knapp zwei Drittel aller Studienteilnehmer wollen mit Chefs zusammenarbeiten, die ihr Team gut behandeln. Das fordert von Unternehmen vor allem bei der Auswahl und Ausbildung von Führungskräften, ein sicheres Händchen zu beweisen. Die Belegschaft verlangt nach kompetenten, einfühlsamen und sympathischen Vorgesetzten, die mehr Coach sind als Befehlsgeber und auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Teammitglieder eingehen.
Jobsicherheit
In Zeiten volatiler Arbeitsmärkte zeigt die Studie zudem eines ganz deutlich: Der Arbeitsplatz soll sicher sein. Jobsicherheit stufen 63 % aller Befragten als relevant für die Anziehungskraft eines Arbeitgebers ein – noch vor dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens (33 %). Das Problem kennt man auch aus Start-ups: Auch wenn die Firma gerade einen PR-Höhenflug hinlegt, muss die Substanz stimmen. Unsichere Arbeitsplätze, befristete Verträge oder prekäre Dienstverhältnisse sind kaum dazu angetan, den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu sichern – und wirken sich auch negativ auf die Employer Brand aus, wenn Kandidaten und Top-Talente nach sicheren Arbeitsplätzen suchen.

Überraschend: Das Gehalt spielt für weit weniger Befragte (53 %) eine Rolle dabei, wie attraktiv ein Arbeitgeber wirkt. Arbeitgeber, die außer einem hohen Einkommen sonst nur wenig zu bieten haben, werden ihre Belegschaft damit daher nicht auf Dauer im Unternehmen halten können – zu wichtig sind die »menschlichen« Faktoren und das soziale Miteinander. Rudi Bauer (Geschäftsführer StepStone Österreich): »Unsere Studie beweist, dass es den meisten Arbeitnehmern auf das Menschliche ankommt – und sie sowohl von ihrem Arbeitgeber als auch von ihrem Vorgesetzten mit Respekt und Wertschätzung behandelt werden wollen.«
Teamgedanke
Mehr als die Hälfte aller Studienteilnehmer (53 %) geben an, dass Unternehmen, in denen alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen, ganz besonders attraktive Arbeitgeber ergeben. Vor allem für Frauen ist der menschliche Faktor ausschlaggebend: 62 % von ihnen wünschen sich einen starken Teamzusammenhalt, im Gegensatz zu nur 43 % der befragten Männer. Im Geschlechtervergleich zeigt sich weiter, dass Frauen viel mehr Wert auf eine sympathische Unternehmenskultur legen als Männer, stärker auf motivierte Kollegen setzen als männliche Befragte und sich auch eher mit den Unternehmenswerten ihres Arbeitgebers identifizieren wollen als ihre männlichen Kollegen.
Arbeitgeber, die auf ein derart menschliches Zusammenarbeiten setzen, holen sich ganz besonders engagierte Leute an Bord, denn: Menschen arbeiten nicht für ihre Vorgesetzten, sondern für ihre Kollegen. »Wer das soziale Miteinander stärkt und auf eine kollegiale Stimmung setzt, profitiert damit nicht nur von motivierten Mitarbeitern, sondern stärkt auch die Strahlkraft seiner Employer Brand«, sagt Rudi Bauer. Und weiter: »Zufriedene Mitarbeiter fungieren als Markenbotschafter und sprechen Talente und Bewerber dort an, wo sie mit herkömmlicher Unternehmenswerbung nicht erreicht werden können.«
Work-Life-Balance
Männer achten eher auf die Aufstiegschancen in einem Unternehmen und haben eine etwas ausgeprägtere Vorliebe für eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Beim Thema flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten sind es aber wieder die Frauen, die gesteigertes Interesse zeigen: Mehr als die Hälfte aller weiblichen Befragten (56 %) stimmen der Aussage zu, dass familienfreundliche und flexible Arbeitszeiten ein Hauptmerkmal von attraktiven Arbeitgebern sind – aber nur 42 % aller männlichen Studienteilnehmer tun das auch.
Der Grund für die unterschiedlichen Prioritäten dürfte wohl in der nach wie vor herrschenden Doppelbelastung vieler weiblicher Angestellten liegen, die neben dem Beruf auch noch Versorgungsarbeit im Privatleben zu leisten haben, etwa für Kinder oder ältere Angehörige. Nicht von ungefähr ist es auch mehr als der Hälfte (50,6 %) aller weiblichen Befragten wichtig, dass ihr Arbeitgeber zentral angesiedelt und gut erreichbar ist: Kurze Anfahrtszeiten machen es einfacher, Privates und Berufsleben unter einen Hut zu bekommen.
Individualität
Für Unternehmen heißt das, verstärkt auf individuelle Zeitkonten ihrer Mitarbeiter zu setzen und nicht an starren Präsenzzeiten festzuhalten. Mit Home Office, Remote Work und Kernarbeitszeiten statt klassischem 9-to-5 gewinnen Arbeitgeber das Vertrauen ihrer Mitarbeiter – und können in Zeiten erhöhter Produktivität darauf setzen, dass diese Flexibilität auch seitens der Belegschaft abgegolten wird. Die Initiative dafür muss allerdings von ganz oben ausgehen: Auch die Unternehmensspitze muss vorleben, dass sich Arbeit und Privates gut vereinen lassen, ohne dass ein Bereich darunter leidet.
Ganz generell ist eine auf die Einzelperson abgestimmte Herangehensweise einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg, zeigt die ­StepStone-Studie: Mehr als ein Drittel aller Befragten (34 %) zeigen sich davon überzeugt, dass es sich von Mensch zu Mensch unterscheidet, was einen attraktiven Arbeitgeber ausmacht. Anstatt also große Employer-Branding-Programme zu starten, die die gesamte Belegschaft über einen Kamm scheren, tun Unternehmen gut daran, erst einmal zuzuhören, was sich die aktuellen Mitarbeiter eigentlich wirklich wünschen. Nicht jede Maßnahme kommt bei allen gleich gut an – und oft können statt geld- und zeitaufwändigen Employer-Branding-Programmen auch kleine, einzelne Maßnahmen gesetzt werden, die dem oder der Einzelnen eher entgegenkommen.

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Rudi Bauer
»Wer das soziale Miteinander stärkt und auf eine kollegiale Stimmung setzt, profitiert nicht nur von motivierten Mitarbeitern, sondern stärkt auch die Strahlkraft seiner Employer Brand.«
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