Inhalt versus Emotion

Emotion oder Erklärung? Ein rhetorischer Vergleich zwischen Karl Nehammer und Herbert Kickl. Und die Learnings daraus fürs Business.

Eine politische Bewertung nehme ich hier nicht vor. Aber eine rhetorische traue ich mir schon zu. Karl Nehammer hat das »Warum« beim Beantworten von Fragen eingeführt bzw. populär gemacht. Warum glaube ich das? Weil Karl Nehammer es selbst gegenüber den besten Journalisten des Landes geschafft hat, seine Positionen zu erklären. Warum ist mir das aufgefallen? Als Medien- und Rhetoriktrainer achte ich besonders auf die Art und Weise, wie Aussagen vermittelt werden. Die Struktur, Argumentationslinie, der Einsatz von Betonung und Pausen – all das fließt in meine Analyse ein.

Beim Beantworten von Fragen gibt es zwei Möglichkeiten, die Antwort zu gestalten:

  • Ich setze die konkrete Antwort an das Ende meiner Botschaft, quasi als abschließende Pointe. Beispiel: Auf die Frage, wie sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 entwickeln werde, könnte die Antwort lauten: »Wir leben in einer volatilen Zeit. Neue Zölle, der Krieg in Europa und eine schwächelnde Nachfrage drücken auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ich rechne mit einem Wachstum von 0,3%.« Diese Variante verführt Journalisten oft zum Unterbrechen, da sie gespannt auf den entscheidenden Punkt warten.
  • Man kann dieses Konzept aber auch umdrehen: »Ich rechne mit 0,3% Wachstum.« Jetzt folgt das Warum: »Warum tue ich das? Weil die neuen Zölle den Handel erschweren, der Krieg in Europa Unsicherheit schafft und die Nachfrage schwächelt. Daher gehe ich von 0,3% Wachstum aus.« Diese Methode schafft sofort Klarheit, verhindert Unterbrechungen und ermöglicht eine fundierte Erklärung im Anschluss.

Variante 1 erzeugt einen Spannungsbogen, Variante 2 rechtfertigt die Antwort direkt. Karl Nehammer nutzte diese Technik, um seine Standpunkte schlüssig darzustellen und seine Redezeit gezielt auszuweiten.

Im Vergleich dazu setzt Herbert Kickl auf konfrontative und polarisierende Rhetorik. Er arbeitet mit einfachen, zugespitzten Botschaften und spricht gezielt Ängste und Sorgen der Bevölkerung an. Seine Sprache ist direkt und provokant, oft mit bewussten Dramatisierungen.

Während Nehammer mit Erklärungen arbeitet, setzt Kickl auf emotionale Schlagworte, um seine Zielgruppe zu mobilisieren. Dieser Kontrast zeigt, wie unterschiedlich Rhetorik eingesetzt werden kann. Inhalt versus Emotion.

Nehammers Methode ist nicht nur in der Politik nützlich. In der Unternehmenskommunikation, im Vertrieb oder in Präsentationen hilft das gezielte Einsetzen eines vorgelagerten »Warums«, Botschaften klarer zu vermitteln. Wer mit der Kernaussage beginnt und anschließend die Gründe liefert, wirkt sich seiner sicher und damit kompetent.

Warum sage ich Ihnen das? Ich glaube, Sie können davon lernen. Diese Technik kann helfen, überzeugender zu kommunizieren. Zum Beispiel in der Personalentwicklung: »Sie sollten ein Präsentationstraining absolvieren. Warum? Mit mehr Prägnanz, besserer Struktur und durchdachten Sprachbildern werden Sie für unser Unternehmen mehr erreichen. Soll ich den Fauma buchen?«

Natürlich sollte man es nicht übertreiben. Warum? Eine übermäßige Anwendung des Warums kann gekünstelt wirken. Es braucht Fingerspitzengefühl, um diese Technik passend einzusetzen. Warum erwähne ich das? Weil jede Kommunikationssituation einzigartig ist.

Erfolgreiche Rhetorik lebt von Anpassung und Authentizität. Die Balance zwischen Struktur und Spontaneität ist der Schlüssel. Warum … ach, lassen wir das.

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Fauma

Gastautor
Gregor Fauma
ist ­Verhaltensbiologe, Trainer und ­Keynote-Speaker. Er wurde 2018 zum Trainer des Jahres und 2022 zum Redner des Jahres ausgezeichnet.
www.gregorfauma.com