Ist Vertrauen zur Führung messbar?

Für Arbeiten im Home-Office ist ein vertrauensvolles Arbeitsklima notwendig, das mit einem gewissen Kontrollverlust verbunden ist.

Unternehmenskulturen, die vorwiegend auf Kontrolle und einem tendenziellen Misstrauen aufgebaut sind, hatten es in den letzten Jahren schwerer mit der Umstellung auf Home-Office als jene Organisationen, deren Führungskräfte ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern, den Kollegen und den eigenen Vorgesetzten aufgebaut haben. Denn in Krisenzeiten, wenn man schon mal die Komfortzone verlassen muss und es eng wird, poppt so manches Thema auf und Verhaltensweisen zeigen sich »ungeschminkt«, die in Schönwetterzeiten noch gut verborgen waren.

Vertrauen als Unternehmenswert

Im Wertekatalog zahlreicher Unternehmen ist der Begriff »Vertrauen« verankert. Was das allerdings konkret bedeuten soll, wird selten ausformuliert und bleibt somit schwammig. Zudem kann Vertrauen nicht von oben verordnet werden, sondern entsteht kontinuierlich und basiert auf dem Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können. Durch konkrete Handlungen und die Erfahrungen damit kann Vertrauen langsam gestärkt werden, auf der anderen Seite aber auch sehr rasch wieder verloren gehen. Zudem kann es innerhalb eines Unternehmens sehr unterschiedliche Ansichten geben, ob Vertrauen als Unternehmenswert tatsächlich verankert ist. Fragt ein Externer die Geschäftsleitung über die herrschende Vertrauenskultur, kommt häufig der Befund, dass die Werte im Unternehmen vorbildlich gelebt werden. Wird ein Mitarbeiter befragt, so sieht die Einschätzung oft anders aus.
Vertrauen im Unternehmen wirkt sich direkt oder indirekt auf den Unternehmenserfolg aus. Konkret: Wer vertraut, muss nicht kontrollieren. Unternehmen profitieren also davon, dass sie weder Zeit noch Geld in aufwändige Kontrollsysteme stecken müssen. Zudem ermöglicht Vertrauen eine offene und ehrliche Kommunikation untereinander. Probleme und Fragen können schnell angesprochen werden, das hilft einem Team, effizienter und angstfrei zu arbeiten. So gehen wir bei EUCUSA von dieser Definition für Vertrauen aus: »Vertrauen ist der Mut, sich verletzlich zu zeigen, um Komplexität zu verringern.« Mit anderen Worten: Ein gewisser Mut als grundsätzliche Einstellung ist erforderlich, damit Vertrauen in einer (Führungs-) Beziehung geschenkt werden kann. Im Wissen, dass Enttäuschung eine mögliche Folge ist, sollte es für eine Führungskraft ein bewusster Balance-Akt sein, wie viel Vertrauensvorschuss gegeben wird bzw. wie viele Kontrollmechanismen und Dokumentationspflichten notwendig bleiben. Schließlich sollte in die Abwägung einfließen, dass durch Vertrauen Komplexität verringert wird, also auf überbordende Kontrolle und Dokumentation verzichtet werden kann.

Modell zur Messung

Wie kann ein Wert wie »Vertrauen« überhaupt objektiv beurteilt, also gemessen werden? Im ersten Schritt ergibt es Sinn, den Begriff so zu definieren, dass für alle Beteiligten eindeutige Klarheit geschaffen wird. Wir haben ein Modell entwickelt, das davon ausgeht, dass Vertrauen durch vier Hauptkomponenten (Dimensionen) darstellbar ist. Jeweils vier Subkomponenten (Aspekte) bilden eine Hauptkomponente ab und beschreiben diese durch unterschiedliche Gesichtspunkte konkreter. Diese 16 Komponenten sind wissenschaftlich fundiert und für eine praxistaugliche Evaluierung ausformuliert.

  • Glaubwürdigkeit: Verantwortung, Ehrlichkeit, Kompetenz, Klarheit
  • Zuverlässigkeit: Vereinbarungsqualität, Stand­haftigkeit, Unterstützung, Zukunftssicherheit
  • Beziehung: Offenheit, Geborgenheit, Respekt, Verfügbarkeit
  • Fairness: Gerechtigkeit, Authentizität, Umgang mit Fehlern, Förderung

Je nach Art der Beziehung und zu untersuchendem Bereich (Unternehmenskultur, Führungskultur, Kundenbeziehung, Partnerbeziehung, Bewerberbeziehung etc.) werden in allen 16 Komponenten die geeigneten Fragen gestellt. Nach der EUCUSA-Methode werden wertschätzend positiv formulierte Statements abgefragt, die vom Bewertenden auf einer Skala beurteilt werden. Damit kann in einer Organisation sehr klar ermittelt werden, wie die Sichtweisen zum Thema Vertrauen im Unternehmen sich darstellen, in welchen Teilen der Organisation es »best practices« gibt und bei welchen Aspekten es Sinn ergibt, sich mit etwaigen Defiziten näher zu beschäftigen. Durch regelmäßige Wiederholung solcher Befragungen kann festgestellt werden, ob und wie sich die Vertrauenskultur ändert und ob gezielte Maßnahmensetzung Wirkung gezeigt hat.

Beispiel: Dimension »Beziehung«

Ganz konkret hier mögliche Statements, mit denen man im Rahmen einer Befragung die Dimension »Beziehung« des Themenkomplexes Vertrauen in Bezug auf die direkte Führungskraft abfragen könnte.

  • Offenheit: Meine direkte Führungskraft ist offen für meine Anliegen und Probleme.
  • Geborgenheit: Meine Führungskraft sorgt dafür, dass ich mich sicher und geborgen fühle.
  • Respekt: Meine direkte Führungskraft bringt mir hohe Wertschätzung entgegen.
  • Verfügbarkeit: Wenn ich meine Führungskraft brauche, ist sie für mich gut erreichbar.

Handlungsoptionen

Aus den Ergebnissen einer (anonymen) Befragung kann sehr klar abgeleitet werden, an welchen Komponenten bzw. Subkomponenten gearbeitet werden sollte, aber auch, wo es bereits gute Ergebnisse gibt, die Vorbildwirkung haben. Wir stellen das in einem Handlungsportfolio dar, aus dem sich durch die Bewertung der Wichtigkeit auch eine Prioritäten-Reihung ergibt. Qualitative Antworten (zusätzlich zur quantitativen Auswertung) in Form von (anonymisierten) Kommentaren sind ebenfalls oft sehr aufschlussreich. Schon das Sichtbarmachen der Ergebnisse bewirkt einen Lernprozess, der mittel- und langfristig zu Einstellungs- und Handlungsänderungen bei Führungskräften führen kann. Gibt es zusätzlich Reflexionsmöglichkeiten für Führungskräfte (Coaching, Workshops, Open Space, etc.), wird diese Unterstützungsmaßnahme zu noch rascherem Erfolg führen.

Empfehlung
Den Einsatz einer spezifischen Befragung zum Thema Vertrauen und Führung empfehlen wir vor allem unter folgenden Voraussetzungen:
als eigene Befragung, wenn Vertrauen als Unternehmenswert festgeschrieben ist,
wenn Vertrauen als eine Dimension einer generellen Mitarbeiterbefragung definiert ist,
wenn eine einzelne der 4 Hauptkomponenten wie z. B. Fairness als Teil einer Mitarbeiterbefragung abgefragt werden soll (integriert).

1 Antwort zu Ist Vertrauen zur Führung messbar?

  1. Lieber Mario, ich finde mit der Aufsplittung des Themas Vertrauen in die 4 Subkategorien Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Beziehung, Fairness ist euch etwas sehr Nützliches gelungen. Etwas, dass ich als Trainer für Wirksame Führung auch gerne in Zukunft in mein Repertoire übernehmen werde. Gratulation und auf weiterhin gute Kooperation.
    Alex Löwenstein

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Gastautor
Mario Filoxenidis
ist Geschäftsführer der ­Unternehmensberatung EUCUSA GmbH.
www.eucusa.com